Er hatte sich seinen Plan bereits zurecht gelegt. Tagelang hatte er ihn beobachtet, seine Dienstzeiten ausgekundschaftet. Er wollte ihn töten. Ihn kaltstellen. Er würde für das büßen, was er ihm angetan hatte! 10 Jahre Knast. Die Hölle seines Lebens… Sein Plan stand fest und nun würde er ihn ausführen. Langsam stand er auf und lud seine Pistole. Dann stieg er in sein Auto ein und fuhr los. Sein Ziel war das K11. Gerrit Grass sollte den heutigen Tag nicht überleben…
Gerrit und Robert hatten gerade zusammen Dienstschluss. Sie verabschiedeten sich von ihren Kollegen Michael und Alex, die die Nachtschicht übernahmen. Beim Hinausgehen fragte Robert seinen Kollegen: “Wollen wir noch was essen? In der Wunderbar?” Die “Wunderbar” war eine kleine Kneipe in der Nähe, die ganz gemütlich war und in die die Kommissare schon mal nach Dienstschluss einkehrten. Gerrit nickte und sie schnappten sich ihre Jacken und gingen zur Tür. Beim Hinausgehen hörten sie noch Michaels ironische Stimme, der ihnen hinterher rief: “Viel Spaß ihr beiden Turteltäubchen”. Alex schmunzelte und Gerrit und Robert ignorierten ihn geflissentlich. Dann waren sie durch die Tür verschwunden und gingen zum Wagen. Gerrit setzte sich ans Steuer und sie fuhren einige Meter zur besagten “Wunderbar”. Niemand von ihnen bemerkte den Wagen, der ihnen in einigem, sicherem Abstand folgte. Als sie anhielten, blieb der Fahrer einige Meter hinter ihnen in einer Seitenstraße stehen. Er dachte sich bereits, dass sie zu ihrer Stammbar fahren wollten, denn er hatte sie schon öfters dort einkehren sehen. Er hatte Zeit! Die Rache war sein und da würde er auch noch einige Stunden warten können!
Gerrit und Robert stiegen aus dem Wagen und gingen zusammen in die Kneipe. Dort kannte man sie bereits und begrüßte sie herzlich. Sie setzten sich in eine kleine, gemütliche Ecke und bestellten sich erstmal ein Bier und etwas zu essen. Das Essen war gut. Sehr gut sogar. Und das Bier tat beiden gut. Nach einem zugegeben stressigen Tag im K11...
Nach ca. 2 Stunden hatten sie schließlich genug. Sie waren müde und kamen beide darin überein, dass es für heute reichte. Beide hatten gerade so viel Alkohol getrunken, dass sie noch fahren konnten und auch genug gegessen. So einigten sie sich darauf, dass Gerrit zuerst Robert nach Hause bringen und dann selber nach Hause fahren wollte.
Die beiden waren gerade aus der “Wunderbar” hinausgetreten und auf dem Weg zu ihrem Wagen. Gerrit kramte in seinen Taschen, da er seinen Autoschlüssel suchte. Robert ging neben ihm, als er einen Wagen bemerkte, der sehr schnell auf sie zukam. Etwas an ihm kam ihm komisch vor.. Bevor er noch wirklich begriff was passierte, realisierte Robert, dass das Fenster hinuntergekurbelt wurde und er sah etwas aufblitzen. Alles Weitere geschah praktisch wie automatisch. Robert realisierte das aufblitzende “Etwas” als das, was es war; ein Pistolenlauf!… Gerrit hatte von alle dem nichts mitbekommen. Er hatte gerade seinen Schlüssel gefunden und wollte zur Fahrerseite, als er zur Seite gestoßen wurde. Gerrit flog gegen seinen Wagen, hörte zeitgleich einen Aufschrei von Robert, den er als “Vorsicht Gerrit” wahr nahm, und im gleichen Augenblick knallte etwas, das wie ein Schuss klang durch das Dunkel. Gerrit duckte sich hinter den Wagen. Er hörte Reifen quietschen, und einen Wagen wegfahren. Doch so schnell konnte Gerrit nicht mehr reagieren. Er sprang auf, riss seine Pistole aus der Tasche und rannte hinter seinem Wagen hervor um zu schauen ob er noch jemanden erkennen konnte, doch es war zu spät. Dann fiel ihm Robert wieder ein. “Robert! Robert bist du o.k.?” fragte er und hetzte zurück. Im nächsten Moment blieb er stehen. Er konnte nicht glauben, was er sah. Robert lag auf der Erde. Gerrit sah Blut auf dem Boden… Nach einigen Sekunden löste sich Gerrit aus seiner Schockstarre und raste zu seinem Kollegen. “Robert?? ROBERT!!!” Er drehte ihn zu sich und realisierte geschockt, dass Robert aus einer großen Wunde im Bauch blutete. Gerrits Hände waren rot… Gerrit dachte nicht lange nach. Er zog seine Jacke aus, obwohl es kalt war aber das bemerkte er gar nicht, und legte sie auf die Wunde. Dann drückte er sie ab. Zeitgleich holte er sein Handy raus und rief im K11 an. Alex ging ans Telefon: “Gerrit? Was ist los?..” Bevor sie noch dazu kam weiterzureden, schnürte ihr Gerrit das Wort ab: “Alex hör zu; wir sind hier an der “Wunderbar”, auf Robert und mich ist geschossen worden. Robert wurde getroffen, er ist verletzt! Wir brauchen dringend einen Krankenwagen; beeilt euch!!” Bevor Alex oder Michael, die beide aufgesprungen waren, noch was sagen konnten, hatte er aufgelegt. Mittlerweile waren auch Schaulustige angekommen und umringten ihn und der Wirt aus der “Wunderbar” kam auch zu ihm. “Mein Gott, Gerrit, was ist passiert??” Gerrit sah ihn an: “Auf uns ist geschossen worden, meine Kollegen kümmern sich drum. Hilf mir; ich brauche jemand, der mit zudrückt. Die Wunde ist groß! Bauchschuss… Scheiße.. Robert…” Robert rührte sich nicht mehr. Gerrit fühlte seinen Puls, er hatte noch einen aber er war flach und seine Atmung war schwach. “Robert, mach keinen Mist, hörst du! Wehe du kackst mir hier ab! Wehe, verdammt!” Gerrit fluchte. Er schüttelte ihn, versuchte ihn wach zu bekommen, doch es war umsonst. Robert war bewusstlos. Gerrit hatte keine Zeit darüber nachzudenken, was da gerade passiert war. Er war zu sehr mit 1.-Hilfe-Maßnahmen beschäftigt…
Aus der Ferne hörte er die Sirenen des Krankenwagens und der Kollegen. Schließlich waren sie angekommen. Alex und Michael stiegen aus und liefen zu ihnen. “Mein Gott, Gerrit, was ist passiert??” An Alex´ Stimme konnte Gerrit hören wie geschockt sie war. Auch Michael war leichenblass. “Gerrit? Was ist passiert??” fragte auch er. Gerrit schüttelte den Kopf. “Ich kann es euch nicht sagen..” Während er erzählen wollte, kamen die Sanitäter und übernahmen. “Er muss sofort operiert werden. Lebensbedrohende Bauchverletzung. Starke Blutung” sagte einer der Sanis. Alex und Michael konnten nur hinter ihnen herstarren und Gerrit stand immer noch unter Schock. Langsam ging Michael zu ihm: “Gerrit, jetzt bitte noch mal im Klartext: Was ist genau passiert??” “Michael, ich weiß es nicht! Ich habe nichts mitbekommen.. Wir sind aus der Kneipe raus gekommen, ich habe meinen Schlüssel gesucht, und das nächste, woran ich mich erinnern kann, ist dass mich Robert zur Seite gestoßen hat und ich ihn etwas habe rufen hören.. Es hörte sich an wie “Vorsicht, Gerrit!” und dann bin ich gegen das Auto geflogen, und im nächsten Moment hat es geknallt! Aber ich habe nicht gesehen, dass Robert getroffen wurde. Erst hinterher, als ich wieder aufstehen konnte und geschaut habe ob ich noch jemand sehen konnte - ein Auto oder sonst wen Verdächtiges. Dem war aber nicht so.. Ich habe niemand Verdächtiges gesehen und bin wieder zurück. Und dann habe ich Robert gefunden.. Mein Gott, er hat mir das Leben gerettet…” Erst jetzt wurde ihm klar, dass es vermutlich so gewesen war. Wer auch immer da geschossen hatte, er hatte es vermutlich auf sie beide abgesehen, und wenn Robert ihn nicht zur Seite gestoßen hätte… Ihm wurde schlecht. Gerrit fiel auf die Knie und erbrach sich. Alex war erschrocken. “Gerrit? Hallo, würde sich bitte auch jemand um den Kollegen kümmern?” rief sie in Richtung der Sanitäter, die gerade dabei waren, Robert in den Krankenwagen zu hieven. Einer von ihnen kam zu Gerrit. Dieser schüttelte den Kopf. “Nein, lassen Sie nur. Ich komm schon klar. Es geht schon wieder. Kümmern Sie sich um unseren Kollegen!“ Michael beugte sich zu Gerrit: “Geht es dir wirklich gut? Du solltest ebf. ins Krankenhaus!” “Michael, mir geht es gut! Und ins Krankenhaus will ich auch, alleine schon wegen Robert!” Michael und Alex nickten. “Klar, wir ja auch. Wir werden hinter dem Krankenwagen herfahren und du fährst mit uns. Dein Wagen bleibt hier stehen. Du kannst sicher heute nicht mehr fahren!” Gerrit nickte. Er hatte keine Einwände dagegen. Der Sanitäter war wieder zum Krankenwagen zurück gekehrt und hinten eingestiegen. Dann schlossen sie die Türen und fuhren los.
Michael, Alex und Gerrit, dem es wieder etwas besser ging, stiegen in Michaels Wagen und fuhren hinterher. Es dauerte keine 15 Minuten und sie waren im Krankenhaus angekommen…
Michael hatte den Wagen kaum angehalten, als Gerrit schon raus sprang und in das Krankenhaus lief. Michael und Alex hetzten hinterher. Auch sie machten sich Sorgen um Robert und vor allem Gedanken darüber, was überhaupt passiert war. Warum schoss jemand auf ihre Kollegen?? Sie hofften beide, dass Robert mehr gesehen hatte als Gerrit und in der Lage war, ihnen etwas darüber zu erzählen. Dann waren sie bei der Rezeption angelangt. Gerrit fragte: “Unser Kollege Robert Ritter ist vor einigen Minuten hier eingeliefert worden. Wir möchten gerne wissen wie es ihm geht. Können wir zu ihm?” Die Schwester griff zum Telefon und sprach ein paar Worte. Dann wandte sie sich an die Kommissare: “Ihr Kollege ist in der Chirurgie. Er wird noch operiert.” Sie zeigte ihnen den Weg und Michael, Alex und Gerrit hetzten in die Notaufnahme. Sie mussten im Wartesaal Platz nehmen, denn in die Chirurgie selber konnten sie selbstverständlich nicht eintreten. Alle waren nervös. Ärzte traten ein und aus, doch niemand nahm von ihnen Notiz und keiner konnte ihnen etwas über Robert erzählen. Sie mussten sich noch etwas gedulden; was keinem von ihnen wirklich leicht fiel. Vor allem Gerrits Beine wippten ständig, was Michael und Alex noch nervöser machte. Dann kam endlich eine Ärztin zu ihnen. “Sind Sie die Kollegen des angeschossenen Kommissars?” Michael, Gerrit und Alex waren aufgestanden und nickten. “Wie geht es ihm?” fragten Alex und Gerrit fast aus einem Mund. Die Ärztin zeigte ihnen an, sich wieder zu setzen. “Also erst einmal, die Operation hat er einigermaßen gut überstanden. Er hatte sehr starke innere Blutungen, die wir glücklicherweise unter Kontrolle gebracht haben. Allerdings..” sie setzte einmal kurz aus und atmete tief ein: “allerdings hat er durch den Bauchschuss sehr viel Blut verloren. Wir mussten ihm mehrere Blutkonserven geben; glücklicherweise hat er eine Blutgruppe, die wir vorrätig haben. Momentan haben wir ihn in der Intensivstation unter Beobachtung. Allerdings ist er noch nicht bei Bewusstsein, und es kann etwas dauern, bis er wieder zu sich kommt...” Die Kommissare waren geschockt. Sie hatten sich etwas anderes erhofft. “Aber er wird wieder zu sich kommen? Ich meine, er wird durchkommen??” fragte Gerrit schließlich etwas zaghaft. Der Gedanke, dass Robert.. Nein, daran wollte keiner von ihnen auch nur denken. Die Ärztin nickte langsam: “So wie es aussieht, denke ich das schon. Allerdings ist sein Zustand noch nicht ausgestanden. Wenn er aufwacht, sollten Sie ihn nicht zu sehr anstrengen. Stellen Sie ihm am Anfang keine Fragen, die ihn aufregen.” Ihre Stimme klang streng. Michael, Gerrit und Alex nickten. Auch wenn es Ihnen schwer fallen würde, aber sie waren sich im Stillen überein, dass sie Robert zumindest am Anfang keine Fragen stellen wollten, die den Tatvorgang betrafen; doch irgendwie mussten sie etwas herausfinden.. Doch zuerst einmal gingen sie gemeinsam in sein Zimmer. Robert lag im Krankenzimmer, an Geräte angeschlossen, die ihn beobachteten. Sie setzten sich auf Stühle und warteten. Keiner von ihnen wusste, wie lange sie schon da saßen, als sich an Roberts Monitor etwas änderte. Sie schauten auf. Langsam regte dieser sich und Gerrit rückte näher an das Krankenbett heran. Auch Michael und Alex traten an sein Bett. “Robert? Robert, kannst du uns hören? Wir sind´s!” Robert sah sie an und schloss kurz die Augen. Er verzog schmerzverzehrt sein Gesicht. “Hallo…” setzte er an, der Rest, den er evtl. hatte sagen wollen, ging in einen Hustenanfall über. Er fasste sich an den Bauch. Michael beugte sich zu ihm runter und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. “Ganz ruhig, Kollege. Nicht reden. Weißt du noch, was passiert ist?” Robert nickte langsam. Er sah Gerrit an und nach einigen Sekunden antwortete er leise: “Gerrit, du bist o.k., Gott sei dank…” Gerrit musste schlucken. Er drehte sich kurz weg um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken, die ihm in die Augen schossen. Dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. Er räusperte sich: “Ja, das bin ich; dank DIR!” Robert hustete erneut. Er versuchte erneut etwas zu sagen, aber das ging in dem Hustenanfall unter. In dem Moment kam eine Schwester ins Zimmer. “Sie sollten jetzt gehen! Der Patient braucht Ruhe und ich glaube, Sie überanstrengen ihn momentan ein wenig.” Sie zog eine Spritze und setzte sie Robert in den Arm. “So, und nun sollten sie wirklich gehen, für heute ist es wirklich genug!” “Darf ich fragen, was Sie ihm da gerade gespritzt haben?” fragte Gerrit mit einem besorgten Unterton. “Das war ein Schmerz- gepaart mit einem leichten Schlafmittel. - Keine Angst” setzte sie nach, als sie die besorgten Blicke der Kommissare sah, als diese “Schlafmittel” hörten, “es ist wirklich nur ein leichtes Schlafmittel, das nur helfen soll, seine Kräfte wieder zu sammeln. Es wird ihm etwas besser gehen, wenn er danach wieder aufwacht.” Die Kommissare nickten. Es wurde Zeit. Zumindest war Robert wach geworden und das erleichterte sie schon einmal sehr. Sagen konnte er ihnen noch nichts, also kamen sie darin überein, dass sie erst einmal zurück zum K11 fahren und ihre Kollegen, die am Tatort nach Spuren gesucht hatten, befragen wollten…
Dies taten sie dann auch. So schnell sie konnten waren sie zum Präsidium zurück gefahren, und wurden dort von Staatsanwalt Kirkitadse empfangen. Dieser hatte von der Schießerei auf die Beamten erfahren und erwartete nun ihren Bericht: “Herr Grass, wie geht es Ihnen und was ist mit Herrn Ritter? Haben Sie ihn im Krankenhaus sprechen können?” Michael beantwortete Kirkitadses Fragen. “Also Herr Ritter ist wohl außer Lebensgefahr; allerdings konnte er leider noch nichts sagen; er stand noch unter Medikamentenbeeinflussung und konnte noch nicht reden. Was den Tathergang betrifft…” Gerrit fiel ihm ins Wort: “Herr Staatsanwalt; ich habe es schon meinen Kollegen gesagt: Ich habe nicht wirklich mitbekommen, was eigentlich passiert ist.. Jemand hat auf uns geschossen und Robert hat mich zur Seite gestoßen. Dabei wurde er getroffen.” Kirkitadse sah ihn stirnrunzelnd an. “Und Sie haben keine Ahnung, wer da auf Sie geschossen haben könnte? Haben Sie niemanden gesehen? Gibt es Zeugen?” Gerrit schüttelte den Kopf: “Nein. Von den Leuten, die danach auf der Straße waren hat niemand was gesehen. Die sind erst danach zu uns gelaufen - Schaulustige eben. Wir waren alleine, als es passiert ist. Der einzige, der was gesehen haben muss, ist Robert; und der kann uns noch nichts sagen..” Alex fiel ein: “Wir wollten die Kollegen von der Spurensicherung befragen, ob bei der Untersuchung was rausbekommen ist…” “Tun Sie das und geben Sie mir dann Nachricht. Ich bin wieder in meinem Büro.” Mit diesen Worten verabschiedete sich der Staatsanwalt und verließ das Büro der Kommissare. Gerrit setzte sich auf die Fensterbank und Michael drückte auf einen Knopf auf seinem Telefon. Die Kollegen von der Spurensicherung gingen dran: “Meyer”. “Ja, Michael hier, habt ihr was für uns?” er kam direkt zum Punkt und der Kollege antwortete genauso knapp: “Ja, wir haben eine Patrone gefunden. Kaliber 9mm, kleine Hülse. Außerdem haben wir Reifenspuren gefunden, die darauf schließen lassen, dass der Täter am Tatort direkt nach dem Schuss Gas gegeben hat; die Spuren verlieren sich dann aber wieder. Das Auto ist auf jeden Fall ein Mittelklassewagen.” Das waren ja “klasse” Angaben; Mittelklassewagen gab es wie Sand am Meer, und 9mm-Kaliber waren auch nicht gerade selten… “Mehr habt ihr nicht?” fragte Gerrit von seinem Platz aus. “Tut mir leid, nein. Aber wir sind noch dran. Wie geht es denn dem Kollegen Ritter?” fragte Meyer noch. “Es geht so. Er ist wohl außer Lebensgefahr; aber er bleibt noch unter Beobachtung.. Danke; sagt Bescheid, wenn ihr was neues habt.” antwortete Michael knapp, dann legte er auf. “Na super; so wirklich weiter sind wir ja nicht, oder? Sagt mal, sollten wir nicht mal die Verbrecherdatei durch gehen, ob irgend jemand, der kürzlich entlassen wurde in Frage kommt?” Gerrit sprang von der Fensterbank und stellt sich hinter Michaels Schreibtisch. Sie forsteten die Dateien durch, doch es waren so viele, wo sollten sie anfangen?…
Währenddessen war ER wieder in sein Versteck zurück gekehrt. Er war gefrustet. So hatte er sich das nicht vorgestellt.. Er wollte Grass und nicht dieses Grünhorn! Wie konnte ihm nur dieser verdammte Fehler unterlaufen?? Er musste es erneut versuchen; eine neue Möglichkeit finden, sich an Gerrit Grass zu rächen, für das, was er diese verdammten 10 Jahre durchgemacht hatte.. Der Tod war noch viel zu gut für ihn.. Dann hatte er plötzlich eine Idee. Langsam ging ein Grinsen über sein Gesicht. Wieso eigentlich nicht? Wieso sollte Grass eigentlich nicht das durchmachen, was ER hinter sich gelassen hatte? Er konnte all das nachstellen. Die ganzen Utensilien würde er sich beschaffen können, das dürfte kein Problem sein… Er lachte, als er daran dachte. Ja, so würde er es machen! Doch vorher hatte er noch etwas anderes zu erledigen. Dieser andere Polizist, der Grass das Leben gerettet hatte, der sich vor ihn geworfen und damit seine Schusslinie zerstört hatte, dieser Greenhorn musste erledigt werden! Er legte sich einen Plan zurecht - heute Abend musste er in sein Krankenzimmer gelangen und ihn töten! Und dann, ja dann würde er sich Grass vornehmen - und zwar so, wie er es verdient hatte…
Einige Stunden waren vergangen, die Kommissare hatten noch keinen Erfolg gehabt. Das Leben im Hospital ging seinen geregelten Gang und Robert ging es auch schon ein wenig besser. Zumindest war es den starken Medikamenten zu verdanken, dass er keine so großen Schmerzen mehr hatte. Allerdings durfte er noch keinen Besuch erhalten, denn das Sprechen fiel ihm noch schwer. So gesehen war alles in Ordnung… Noch… Dann trat ER ins Foyer des Krankenhauses. Er tat, als wäre er ein normaler Besucher, doch er beobachtete schon einmal genau, wen er sich als Opfer aussuchen würde. Es musste schnell gehen. Unbemerkt. Zuerst musste er einmal herausfinden, in welchem Zimmer sich dieses Greenhorn befand. Den Namen hatte er aus den Nachrichten erfahren, denn es wurde über den Zwischenfall berichtet. ´Robert Ritter´ dachte er und grinste dabei wie Joker in “Batman”. `Du wirst nicht mehr lange hier sein, mein “Freund”´. Er tat so, als wollte er ein wenig trinken und sich danach die Schuhe zubinden und sah sich dabei verstohlen um. Dann hatte er entdeckt, wonach er gesucht hatte. Ein einzelner Pfleger ging gerade an den Sanitäranlagen vorbei. ´Jetzt oder nie!´ dachte er und sprintete vor. Es war niemand in Sichtweite, also bemerkte niemand, wie er den Pfleger zur Seite stieß - in die Toilettenraum, und ihn in eines der Toilettenkabinen drängte. Der Pfleger hatte keine Chance irgend etwas zu sagen, denn der Täter brach ihm mit einer einzigen Handbewegung das Genick. Der junge Mann war sofort tot. Danach musste er sich beeilen. Er zog seine Kleider aus, zog dem Opfer die Pflegersachen aus und zog sie sich über. Mit seiner Kleidung bedeckte er das Opfer und legte es so hin, dass es nicht direkt zu erkennen war. Wenn er Glück hatte, dauerte es etwas, bis sie ihn fanden. Dann sah er sich kurz um, ob sich jemand anderes außer ihnen “beiden” in den Toilettenräumen befand - dem war nicht so - und verließ den Tatort, als ob nichts gewesen wäre. Nun war er als Pfleger getarnt. Niemand nahm von ihm Notiz. Er wurde nett gegrüßt, von dem einen herzlicher, von anderen weniger, aber niemandem fiel auf, dass er nicht zum Personal gehörte. Nun musste er nur noch herausfinden, in welchem Zimmer dieser Ritter lag.. Der Zufall kam ihm zu Hilfe. Zwei Schwestern unterhielten sich und er konnte ihr Gespräch belauschen: “…Ja, ich war gerade bei ihm. Der arme Kerl. Rettet seinem Kollegen das Leben und wird dann so brutal angeschossen..” “Du schweifst ab, wie viel Penicillin hast du ihm gegeben?” “80mg; das reicht für die Nacht. Und noch ein leichtes Schlafmittel.” “O.k., dann brauch ich ja nicht mehr in Zimmer 210...” Dann verabschiedeten sich die Schwestern. Er hatte genug gehört. Sie konnten nur von Ritter geredet haben. Wie viele angeschossene Polizisten, die ihrem Kollegen das Leben gerettet hatten, lagen wohl hier? Er würde es ja sehen. Ohne mit der Wimper zu zucken ging er an den Schwestern vorbei, nickte kurz, als würde er sie kennen, und lief dann zügig zum Zimmer 210. Wenn ihn jemand aufhalten und fragen würde, was er denn noch dort machen würde, würde er eben sagen, dass er sich noch einmal selbst nach dem Befinden des Patienten erkundigen wollte… Dann war er da. Er hatte beinahe erwartet, vor dessen Tür Beamte sitzen zu sehen; aber an eine Bewachung des lieben Kollegen hatte anscheinend niemand gedacht… Grinsend öffnete er die Tür. Das war er! Er erkannte ihn. Seine Gesichtszüge wurden hart. Dieser miese kleine Mistkerl! Der es gewagt hatte, sich in sein Schussfeld zu werfen… Er schlief ruhig und fest. “Das hast du dir selbst zuzuschreiben!” knurrte er leise durch die Zähne. Nun musste es schnell gehen. Er sah einen Beutel mit einer durchsichtigen Flüssigkeit, die an seinem rechten Arm hing und erinnerte sich an das Gespräch der beiden Schwestern. “Vermutlich das Penizillin”.. dachte er und er dachte richtig. “Es wäre doch bestimmt deiner Gesundheit nicht zuträglich, wenn du ein wenig mehr von dem Zeug zugeführt bekämst, als es nötig ist…” dachte er hämisch grinsend und begann, sich an dem Zugang zu dem Schlauch zu schaffen zu machen. Die Flüssigkeit, die bis dahin nur tröpfchenweise in Roberts Arm gelaufen war, begann zu strömen. Dasselbe tat er ebf. mit dem Beruhigungsmittel, dass in seinen anderen Arm lief. Es war definitiv zu viel, und bald würde er eine Überdosis des Schmerz- und Beruhigungsmittel intus haben. Bis die Ärzte das merkten, würde er über alle Berge sein, und dieser Ritter tot… Zufrieden sah er sich sein “Werk” noch einmal an und trat dann seelenruhig aus der Tür. Niemand hatte von ihm Notiz genommen; die Ärzte, Pfleger und Schwestern waren in hektischer Betriebsamkeit. Er lief in gemäßigtem Tempo zum Toilettenraum, in dem, immer noch unbemerkt, die Leiche des Pflegers lag, und zog sich wieder um. Dann trat er unerkannt und wie ein normaler Besucher gekleidet, nach draußen. Es hatte alles wunderbar funktioniert; Robert Ritter würde in wenigen Minuten tot sein! Nun konnte er sich an seinen weiteren Plan begeben. Als nächstes war Grass dran! Die Utensilien hatte er bereits besorgt, dafür war am Nachmittag Zeit genug gewesen. Er freute sich bereits darauf, ihn mit dem “versorgen” zu können, was ihm all die Jahre angetan worden war…
Im Krankenhaus war derweil ein hektisches Treiben ausgebrochen. Einige Minuten, nachdem der Täter das Krankenhaus verlassen hatte, piepsten die Notsignale in Roberts Zimmer. Die Ärzte und diverse Schwestern stürzten in sein Krankenzimmer um zu sehen was los war. Der Oberarzt sah sofort, dass etwas mit seinen Medikamenten, die ihm intravenös verabreicht wurden, nicht stimmte. “Was ist das denn?? Machen Sie sofort die Beutel ab!” Er meinte das Penicillin und das Schlafmittel, die in Roberts Körper strömten. Er selbst fühlte seinen Puls - er war kaum noch zu spüren. “Kammerflimmern, schnell; den Defilibrator auf 150!!” Die Helfer luden das Gerät auf und der Arzt entlud es auf Roberts Körper. “Weg vom Tisch”! Nachdem der Strom auf Roberts Körper geschossen wurde, stabilisierte sich Roberts Kreislauf langsam wieder. “Okay, wir haben ihn wieder… Wie konnte DAS passieren?? Wer war für die Medikation zuständig???” Er wartete die Antwort gar nicht mehr ab sondern nahm sich das Blatt, auf dem der Name der Schwester eingetragen war, die den Abenddienst übernommen hatte. Er hatte die Information die er haben wollte. “Ich gehe davon aus, dass er es überstanden hat, aber ich möchte, dass Sie ihn im Auge behalten!” raunzte er einen seiner Kollegen an, dann rauschte er aus dem Zimmer. Er hatte ein Wörtchen mit der Schwester zu reden…
Währenddessen war ein anderer Kollege hinausgegangen und hatte die Nummer der Kommissare im K11 gewählt. Sie hatten dem Krankenhaus ihre Nummer hinterlassen für den Fall, dass sich an Roberts Zustand etwas änderte. Michael und Alex waren immer noch dabei, die Dateien durchzugehen, doch sie hatten keinen Erfolg, weil Sie nicht wirklich wussten, nach wem sie suchen sollten. Die meisten Verbrecher, die sie eingebuchtet hatten, saßen noch.. Gerrit hatte sich wieder auf die Fensterbank gesetzt und studierte Akten. Als das Telefon klingelte nahm Michael den Hörer ab: “Naseband”. “Ja.. mein Name ist Dr. Schneider. Es geht um Ihren Kollegen..” Michael hatte auf laut gestellt. “Was ist mit Herrn Ritter?” Etwas an der Stimme des Arztes hatte ihn aufhorchen lassen. Der Arzt zögerte. “Also.. Es ist so, ich muss Ihnen etwas mitteilen…” Er atmete aus. “Also, so wie es aussieht, hat vor wenigen Minuten jemand versucht, ihn umzubringen…” Michael und Alex starrten auf das Telefon. Gerrit war von seinem “Sitzplatz” aufgesprungen und lief zu Michaels Schreibtisch. Er fand als erstes seine Stimme wieder: “WAS???” schrie er fast durchs Telefon. “Wie konnte das passieren?? WAS ist passiert??” Er war völlig aufgelöst. Auch Michael und Alex konnten es kaum glauben. Michael wiederholte Gerrits Frage: “Was soll das heißen, jemand hat versucht, ihn umzubringen? WIE??” Der Arzt schluckte. “Also, es sieht so aus, als ob die Medikamente, mit denen er intravenös versorgt wurde, manipuliert wurden… Er wurde mit einem Schmerz- und einem Schlafmittel versorgt, eigentlich sollte es eine geringe Dosis sein; aber jemand hat die Beutel manipuliert, so dass die Medikamente ungefiltert in seinen Körper gelangen konnten… Er hatte einen Herzstillstand..” Bevor die Kommissare noch antworten konnten, setzte er nach: “Aber keine Angst, meine Kollegen und ich haben ihn wieder zurück geholt! Er ist außer Lebensgefahr..” Gerrit, Michael und Alex atmeten aus. Ihnen war beinahe ebenfalls das Herz stehen geblieben. Nach Sekunden des Schweigens presste Michael schließlich zwischen seinen Zähnen hindurch: “Wir kommen sofort…” Dann legte er auf. Die Fragen, die ihnen allen zwischen den Zähnen brannten, konnte er nicht nur dem einen Arzt am Telefon stellen… Sie rasten zu ihrem Wagen und Michael fuhr wie der Henker zum Krankenhaus…
Es dauerte nicht lange, dann waren sie angekommen. Sie sprangen geradezu aus dem Wagen und wurden bereits von diversen Ärzten erwartet. Auch der Oberarzt, der Robert gerettet hatte, war dabei. Michael kam direkt zur Sache: “Wissen Sie wer dafür verantwortlich ist? Haben Sie jemanden gesehen??” “Nein, leider nicht.. Ich habe mit der Schwester, die für die Medikamentendosierung verantwortlich war, gesprochen; sie sagt dass sie die Medikation vollkommen korrekt eingestellt hat, und ich glaube ihr. Sie war völlig aufgelöst, als ich ihr mitgeteilt habe, dass die Beutel manipuliert wurden.” “Und es besteht kein Zweifel, dass sie manipuliert wurden?” fragte Gerrit noch einmal nach und man merkte ihm die Anspannung deutlich an. Der Arzt schüttelte den Kopf. “Nein, die Schwester sagt die Wahrheit. Ich kenne sie. Sie ist schon seit einigen Jahren hier und sie kann ihre Arbeit im Schlaf. Und so schnell, wie die Medikamente durch die Schläuche in Herrn Ritters Körper gelaufen sind, KANN es sich nur um Manipulation gehandelt haben.” Alex, die bis jetzt relativ ruhig gewesen war, fiel in die Befragung ein: “Haben Sie jemanden gesehen? Ist Ihnen wirklich nicht irgend etwas aufgefallen??” Die Ärzte und Mitarbeiter schüttelten die Köpfe. Gerrit hatte sich an die Wand gelehnt. Ihm war schwindelig. Anscheinend hatte es wirklich jemand auf ihn und Robert abgesehen.. Jemand schoss auf sie und war abgebrüht genug, auf Robert im Krankenhaus, in seinem Krankenzimmer! einen Mordanschlag zu verüben! Das konnte einfach nicht wahr sein.. Auch Michael konnte es nicht glauben: “Das kann doch nicht sein, dass hier jemand einfach so in Herrn Ritters Zimmer hineinmarschiert und einen Mordanschlag auf ihn verübt, und niemandem fällt etwas auf?? WIE KANN DAS SEIN???” Die letzten Worten schrie er schon fast. Alex legte ihm die Hand auf die Schulter. Sie versuchte ihn zu beruhigen.
Fast im selben Augenblick hörten sie einen Tumult einige Meter hinter sich. Ein junger Mann kam hechelnd auf sie und die umstehenden Ärzte zugerannt. Es war ein junger Pfleger: “Dr., kommen Sie schnell, Michele ist ermordet worden! Auf der Männertoilette…” Alle starrten den Mann an. “Wer ist Michele?” fragte Alex. “Einer unserer Pfleger.. Auf der Toilette sagen Sie?” Der Pfleger nickte; sein Gesicht war vor Aufregung ganz rot. “Ja, er ist gerade gefunden worden. Jemand hat ihm das Genick gebrochen.. Und seine Kleidung lag AUF ihm! Jemand hat ihm den Kittel ausgezogen und ihn dann auf ihn geworfen…” Gerrits und Michaels Augen wurden schmal. Langsam schienen sie zu verstehen.. “Zeigen Sie uns den Tatort.” sagte Michael nur. Alle hetzten zur Männertoilette, an der sich schon eine kleine Traube von Menschen gebildet hatte. Michael und Gerrit stießen sie beinahe zur Seite. Sie sahen den Pfleger auf dem Boden liegen. “Wer hat ihn gefunden?” fragte Gerrit. Ein junger Pfleger meldete sich schüchtern. “Ich.. Gerade eben… Wir haben ihn gesucht, weil ihn schon länger niemand mehr gesehen hatte.. Und dann bin ich auf die Idee gekommen, auch auf der Toilette nachzusehen; und da… Oh Mann…” Er war sichtlich geschockt.
Die Kommissare konnten erkennen, dass dem Pfleger das Genick gebrochen wurde. Alex hatte bereits Doc Alsleben informiert. Er war auf dem Weg. Während sie warteten, hatte sich Gerrit bereits den Tathergang rezitiert: “Also ich denke es könnte so gewesen sein, dass der Täter den Pfleger - Michele - umgebracht hat, seinen Kittel “ausgeborgt” hat, damit ihn niemand als Fremden identifiziert, und es ihm dann so gelungen ist, in Roberts Zimmer einzudringen.” Michael nickte. “Das würde erklären, warum ihn niemand aufgehalten hat. Oder ihn gefragt hat, was er dort wollte.. Er muss verdammt abgebrüht sein…” Alex nickte gedankenverloren. Sie machte sich Sorgen um Robert. “Und danach ist er rausspaziert, als ob nichts gewesen wäre, ist zurück zum Tatort hier und hat den Kittel wieder ausgezogen… Und es hat ihn tatsächlich niemand beobachtet..” Gerrit konnte es nicht glauben. Wenn er die Leiche nicht tatsächlich vor sich sehen würde, würde er das für ein Märchen halten und jeden für verrückt erklären, der ihm so einen Schwachsinn erzählen würde… Nach wenigen Minuten war schließlich auch der Doc angekommen. Er bestätigte die These, die bereits von seinen Kollegen aufgestellt worden war und nickte: “Ja, sein Genick ist gebrochen. Ansonsten gibt es keine weiteren Spuren. Der Täter war schnell. Das Opfer hatte keine Chance aber er hat auch nicht gelitten” fügte er noch schnell hinzu. Die Ärzte und Pfleger standen immer noch um den Tatort herum. “Irgend jemandem MUSS er doch aufgefallen sein” flüsterte Gerrit mit zusammengeballten Fäusten. “Wahrscheinlich ist er ziemlich vielen Leuten hier aufgefallen, aber sie haben nicht wirklich Notiz von ihm genommen, wenn er als Pfleger getarnt war…” antwortete Alex ihm resignierend. Wie sollten sie nur herausfinden, wer er war?? Und was ihr noch einfiel: Woher wusste der Täter überhaupt, in welchem Zimmer Robert lag? Hatte er Einsicht in die Lagepläne der Zimmer gehabt? Sie mussten alle Mitarbeiter befragen; bis sie einen Anhaltspunkt gefunden hatten, mit dem sie etwas anfangen konnten.
Also suchten sie den großen Aufenthaltsraum auf und es begann wohl die größte Befragung im ganzen Krankenhaus. Dann war die Schwester dran, die für die Medikation bei Robert verantwortlich gewesen war. Sie gab ordnungsgemäß an, wie sie Robert versorgt hatte, und auch die Kommissare hatten das Gefühl, dass sie nicht log und auch nichts zu verbergen hatte. “Und ist Ihnen vielleicht nicht doch noch etwas aufgefallen? Denken Sie nach! Uns hilft das kleinste Detail!” sagte Gerrit eindringlich. Die Schwester dachte nach. “Also, ich weiß nicht..” sie zögerte. Michael hakte nach: “Ja?” Schließlich sagte sie: “Also, ich weiß nicht, ob das etwas zu sagen hat; aber nachdem ich bei Herrn Ritter im Zimmer war, habe ich noch mit einer Kollegin gesprochen. Und als wir fertig waren, ist uns ein Pfleger aufgefallen, den wir nicht kannten. Also ich jedenfalls nicht. Und ich denke auch nicht, dass er meiner Kollegen bekannt war..” Und was hat dieser Pfleger gemacht?” fragte Gerrit aufgeregt. “Hat er etwas zu Ihnen gesagt?” Die Schwester schüttelte den Kopf. “Nein, er ist an uns vorbeigegangen.” Alex fiel noch etwas ein: “Sagen Sie, WORÜBER haben Sie sich unterhalten, als er an Ihnen und Ihrer Kollegin vorbeigegangen ist?” Die Schwester zögerte kurz. Dann schluckte sie und sprach: “also… ich…” sie räusperte sich. Michael hatte das Gefühl, dass sie versuchte, Zeit zu schinden. Er zog die Augenbraue hoch. Gerrits Augen wurden noch schmaler als sie schon waren. Auch er bemerkte die Verlegenheit der Schwester. “Also gut, ja; ich, ich habe meiner Kollegen gesagt, welche Medikamente und in welcher Dosis ich sie Herrn Ritter verabreicht habe… Sie hatte mich danach gefragt, und dann sagte sie, dass sie dann nicht mehr in sein Zimmer müsste..” “Hat sie die Zimmernummer genannt?” fragte Alex angespannt. Sie ahnte, dass das die Lösung ihrer Frage war. Die Schwester nickte. Sie hatte den Kopf gesenkt. “Wir konnten doch nicht ahnen, dass uns ein Mörder beobachtet hatte, der noch dazu als Pfleger getarnt war, um Ihren Kollegen umzubringen! Das konnte doch niemand ahnen.. Und zu diesem Zeitpunkt hatte ja noch niemand Michele entdeckt..” fügte sie noch hinzu.
Michael, Gerrit und Alex schwiegen. Schließlich nickten sie sich zu und kamen stillschweigend darin überein, dass sie es hierbei bewenden lassen wollten. Die Befragung war vorbei. Sie hatten die Informationen, die sie haben wollten. Nun brauchten sie nur noch eine Sache von der Schwester. Das Phantombild! “Sie müssen mit uns kommen, ins Präsidium. Wir müssen ein Phantombild von diesem “Pfleger” haben!” sagte Alex. Die Schwester nickte. “Ich werde mein bestes geben, aber ich habe ihn kaum gesehen - höchstens ein paar Sekunden..” “Das muss reichen” antwortete Michael knapp “das ist besser als gar nichts, und bis jetzt ist es das einzige, was wir haben. Also, gehen wir!” Michael und Alex machten sich bereit, zusammen mit der Schwester zurück ins Präsidium zu fahren. Doch Gerrit zögerte noch: “Fahrt ihr schon mal vor, ich will noch nach Robert sehen.. Vielleicht ist er ja wach..” “Aber er kann dir zu dem Vorfall nichts sagen, der Arzt sagte, er hat geschlafen..” antwortete Alex. Gerrit nickte. Sein Gesicht war traurig. “Das weiß ich, Alex, aber ich möchte ihn trotzdem sehen.. Ich komme nach!” Die anderen nickten, dann fuhren sie zusammen mit der Schwester zurück zum K11. Keiner von ihnen ahnte, dass es für lange Zeit das letzte Mal sein würde, dass sie Gerrit zu sehen bekamen. Der Täter war immer noch in der Nähe des Krankenhauses und wartete auf seine Chance! Den Zeitpunkt, an dem die Rache endlich sein war…
Gerrit lief auf Roberts Zimmer zu. Ihm gingen so viele Gedanken im Kopf herum. Warum hatte jemand versucht, Robert umzubringen und vor allem, wer? War der Mordanschlag an der “Wunderbar” wirklich auf sie beide gemünzt gewesen oder evtl. nur auf Robert? Vor Roberts Zimmer sah er zwei Schutzpolizisten stehen; jetzt wurde sein Zimmer bewacht. So leicht kam kein Fremder mehr dort hinein. Er nickte den Polizisten kurz zu und betrat Roberts Krankenzimmer. Robert war wach, das konnte er erkennen. Er trat an sein Bett und setzte sich neben ihn. “Robert? Hey…” Robert drehte sich zu ihm und auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln. “Hey, Gerrit; ich dachte..” er hustete wieder, sein Herzmonitor machte einen kleinen Sprung und Gerrit sah besorgt auf. Es beruhigte sich wieder. “..Ihr seid schon wieder weg… Was war denn das für ein Auflauf, hier? Ich fühl mich irgendwie.. so komisch; ist irgendwas passiert?” Anscheinend hatte ihm niemand gesagt, was passiert war. Gerrit schluckte. Er überlegte; sollte er es seinem Kollegen erzählen? Aber dann kam er zu dem Schluss, dass er es ihm schuldig war. Er räusperte sich hörbar: “Also.. Ja, es ist was passiert; jemand, der sich als Pfleger getarnt hat - wahrscheinlich derselbe, der dich angeschossen hat - hat vor nicht allzu langer Zeit versucht dich umzubringen. Er hat deine Medikation manipuliert.” Er zeigte auf die Beutel, die wieder ordnungsgemäß angebracht und eingestellt worden waren. Robert sah in Gerrits Gesicht, dem die Besorgnis anzusehen war, und runzelte die Stirn. “Jemand hat sich als Pfleger verkleidet?? Und ist dann hier reinspaziert? Wie konnte ihm das gelingen?” Gerrit wusste, dass er zu weit vorgedrungen war, um jetzt noch umzuschwenken. Also erzählte er den Rest auch noch. “Er hat einen Pfleger ermordet und sich seiner Kleidung bemächtigt.. Robert, hör zu; wir werden ALLES daran setzen, diesen Kerl zu kriegen. Eine Zeugin haben wir schon, eine Schwester, die ihn vermutlich gesehen hat, kurz bevor er in dein Zimmer gegangen ist. Sie hat sich natürlich nichts dabei gedacht, weil er ja als Pfleger getarnt war. Aber Michael und Alex sind jetzt mit ihr im K11.”
Robert nickte. Er hatte sich schon gedacht, dass Michael und Alex wohl ermittelten. Aber wieso war Gerrit hier? “Was machst du dann hier, Gerrit? Wolltest du nicht mit ins K11?” Gerrit schüttelte langsam den Kopf: “Ich fahre gleich hinterher - bzw. lass mich fahren; mein Auto ist ja noch an der “Wunderbar”” fiel ihm ein. “Ich muss mir ein Taxi rufen.. Aber das ist ja egal; ich wollte erst noch mit dir reden - einfach so; von Freund zu Freund..” Robert sah ihn an und seine Augen leuchteten. “Freund? Nicht Kollege?” fragte er nach, als hätte er sich evtl. verhört. “Ja, Robert. Ich sagte Freund. Was du für mich getan hast, kann ich gar nicht wieder gutmachen… Nicht mal annähernd. Du hast mir das Leben gerettet.. Ich danke dir!” Robert schüttelte langsam den Kopf: “Gerrit, es ging alles so schnell.. Ehrlich gesagt, ich hab nicht mal eine Sekunde darüber nachdenken können, was ich tat! Ich hab nur diesen Pistolenlauf gesehen, und fast schon automatisch gehandelt… Du bist mir nichts schuldig, okay?” Gerrit schüttelte erneut den Kopf: “Nein, das weiß ich. Deswegen ist es auch nicht. Wir arbeiten jetzt so lange zusammen, ich denke, da ist das Wort “Freund” schon gerechtfertigt, oder?” er lächelte und Robert lächelte zurück. Gerrits Worte taten ihm gut. Er fühlte sich im K11 wohl, aber er hatte trotzdem immer das Gefühl “nur” der Neue zu sein. Gerrit war zwar auch nicht von Anfang an dabei gewesen - es gab vorher noch einen Kollegen, den er nicht kannte; Branco hieß er wohl - aber der war schon lange nicht mehr dabei. Jedenfalls war Gerrit in das Team integriert; Michael, Alex und er waren Freunde. Er selbst war zwar vom Team herzlich aufgenommen und auch integriert worden. Doch auch wenn er ab und an mit Gerrit und auch mit Michael nach Dienstschluss mal ausging, hatte er trotzdem immer das Gefühl, dass er “nur” der Kollege war, und das wohl auch so bleiben würde. Jetzt betitelte ihn zumindest Gerrit als “Freund” und das freute ihn. “Es freut mich, wirklich Gerrit.” Er hustete wieder und verzog das Gesicht. “Immer noch Schmerzen?” fragte Gerrit besorgt. Robert nickte. “Hey, ich hab ´nen Bauchschuss” antwortete er und lächelte Gerrit gleichzeitig verschmitzt an. Gerrit musste lachen. “Ja, stimmt; da darfst du ruhig Schmerzen haben”. Die beiden lachten.
Dann sagte Gerrit: “Robert, kannst du dich noch an irgend etwas erinnern? Du sagtest eben, dass du einen Pistolenlauf gesehen hast.. Hast du sonst noch etwas bemerkt? Kannst du dich an das Auto erinnern? Wir brauchen irgend etwas, was uns noch bei der Suche helfen könnte.” Robert versuchte sich zu erinnern. “Ich, ich weiß es nicht.. Ich sagte ja schon, es ging alles so schnell.. Also ich weiß noch, dass es ein dunkler Wagen war. Zuerst ist er mir nicht aufgefallen, sonst hätte ich schon früher auf ihn geachtet.. Aber dann, als er an uns vorbeigefahren ist, hab ich wie gesagt die Pistole aufblitzen sehen und nur noch reagiert.. Den Wagen würde ich - evtl. - wieder erkennen; aber den Typen in dem Wagen hab ich nicht gesehen. Tut mir leid..” Gerrit schüttelte den Kopf. “Die Beschreibung des Wagens wäre ja schon mal eine Hilfe.. Bis jetzt haben wir nur ein verwaschenes “Mittelklassewagen” von der Spusi. Also er war dunkel - was genau meinst du damit?” “Gerrit, ich sagte schon, es ging so schnell… Und draußen war es auch dunkel! Er könnte schwarz gewesen sein oder braun.. Evtl. auch dunkelblau. Auf jeden Fall dunkel! Und es war ein Saab. Das hab ich auch noch erkannt.” Das war ja schon mal ein Anfang, falls sie mit der Beschreibung der Frau nicht weiter kamen. Ein dunkelbrauner, -blauer oder schwarzer Saab.. Da Robert sich an nichts erinnern konnte, was Gerrit weiter bringen konnte, flachsten sie noch eine ganze Weile weiter, dann wollte Gerrit gehen. “Ich komme bald wieder, mach dass du schnell gesund wirst, Kumpel”, sagte er zum Abschied zu Robert. Dieser nickte und Gerrit verließ das Krankenzimmer.
Wenige Minuten später verließ er auch das Krankenhaus und trat auf den Bürgersteig vor dem Gebäude. Er wollte ein Taxi rufen, das ihn zu seinem Auto an der “Wunderbar” fahren sollte. Von da wollte er dann mit seinem Auto zum K11 fahren um zu erfahren, wie weit Michael und Alex mit dem Phantombild des Täters waren. Außerdem wollte er ihnen die Beschreibung des Autos durchgeben, die er von Robert bekommen hatte.
Währenddessen wartete der Täter bereits auf ihn. Er stand ganz in der Nähe des Krankenhauses und hatte Gerrit bereits gesehen, als dieser das Krankenhaus verließ. Nun musste er nur noch auf einen geeigneten Moment warten - und der Zufall kam ihm zu Hilfe. Dummerweise hatte Gerrits Handy an dem Platz, auf dem er gerade stand, kein Netz und daher ging er fluchend einige Meter zur Seite an einen Platz an dem es etwas ruhiger war. Warum dies nun ausgerechnet an diesem Platz geschah, ließ sich wohl nicht erklären; aber für IHN war es perfekt. Der Platz, an dem Gerrit nun stand, war menschenleer und schwer einsehbar. Es hätte viel mehr Aufmerksamkeit erregt, wenn er seinen Plan dort in die Tat umgesetzt hätte. Vermutlich wäre es kaum machbar gewesen. Doch nun war es absolut genial! Der Täter stieg aus dem Wagen und ging zum Kofferraum. Dort nahm er etwas langes, großes heraus und ging langsam auf Gerrit zu. Dieser versuchte immer noch fluchend, ein geeignetes Netz zu finden und sah ihn daher nicht. Außerdem stand er mit dem Rücken zu ihm. `Perfekt´ dachte ER und schlug zu…
Gerrit fühlte einen dumpfen Schlag auf den Kopf. Dann wurde es dunkel um ihn. Sein Handy fiel ihm aus den Händen und landete auf dem Boden. Der Täter kümmerte sich nicht darum, sondern schleppte den bewusstlosen Gerrit, der zugegebenermaßen schwerer war, als er gedacht hatte - zu dem Kofferraum seines Wagens. Er musste sich beeilen, denn trotz des uneinsichtlichen Platzes bestand trotzdem die Gefahr, dass jemand zufällig vorbeikam. Dann hatte er es geschafft. Er hievte Gerrit in den Kofferraum, schloss ihn zu und sprang in seinen Wagen. Es war tatsächlich ein dunkelbrauner Saab; Roberts Beobachtungsgabe war gar nicht so schlecht. Trotz des kurzen Augenblicks. Er trat auf das Gaspedal und fuhr davon…
Währenddessen waren die Kommissare im K11 soweit mit der Zeugenbefragung der Schwester durch und sie hatten bereits das Phantombild erstellt. Es war ganz brauchbar geworden. Sie hatten die Schwester entlassen, nachdem sie ihre Personalien aufgeschrieben hatten, und waren nun dabei, das Phantombild mit ihren Dateien zu vergleichen. Nun wussten sie wenigstens, nach wem sie suchen sollten. Während sie die Daten verglichen, fragte Alex plötzlich: “Sag mal, Michael: Wo bleibt eigentlich Gerrit? Wollte er nicht noch nachkommen? Oder hat er sich heute frei genommen?” Michael schüttelte den Kopf: “Nein, er hat nur gesagt, dass er noch mit Robert sprechen wollte; aber das ist ja auch schon einige Zeit her… Eigentlich wollte er nachkommen… Warte, ich ruf ihn mal an!” Michael nahm sein Telefon und wählte Gerrits Handynummer. Er wartete einige Minuten, doch er bekam keine Antwort… “Hm, er geht nicht dran… Komisch…” Alex runzelte die Stirn. “Na ja, vielleicht ist er noch bei Robert und im Krankenhaus muss man ja sein Handy ausschalten.. Ruf doch mal im Krankenhaus an und frag nach, ob sie Gerrit kurz aus dem Zimmer holen könnten..” “Gute Idee Alex, warte.” Michael wählte die Nummer des Krankenhauses und wartete. Er wusste nicht, wieso, aber irgendwie bekam er Magendrücken. Er hatte ein schlechtes Gefühl.. Auch Alex konnte sich des üblen Kribbelns nicht erwehren, das in ihrem Mageninneren rumorte. Wieso meldete Gerrit sich nicht? Schließlich hörte sie Michael sagen: “Ja, Michael Naseband, K11. Mein Kollege Gerrit Grass müsste noch bei meinem Kollegen Robert Ritter sein, der bei Ihnen eingewiesen wurde. Könnten Sie ihm bescheid geben, dass er sich bei uns melden soll? Ich danke Ihnen.” Dann legte er auf und sie mussten notgedrungen auf Gerrits Rückruf warten.
Es dauerte einige Minuten und Michael trommelte ungeduldig auf seinen Schreibtisch. Als schließlich - endlich - das Telefon klingelt, stellte er es auf laut, damit Alex das Gespräch auch hören konnte. Doch anstatt Gerrits Stimme zu hören, wie sie beide gehofft hatten, hörten sie die Schwester sprechen: “Ähm, Herr Naseband? Also ich habe gerade bei Ihren Kollegen, die draußen das Zimmer bewachen, nachgefragt und sie haben mir gesagt, dass Herr Grass schon seit ca. einer Viertelstunde weg ist..” Michael und Alex wurde heiß und kalt. Michael schluckte. “Eine Viertelstunde??” wiederholte er. Gerrit würde doch keine Viertelstunde brauchen um zu ihnen zu kommen! Sie wussten sofort, dass irgend etwas passiert war. Gerrit würde nicht einfach so wegbleiben. Und wenn ihm etwas dazwischen gekommen war, dann hätte er sich gemeldet… “Äh, okay…” antwortete Michael schließlich, als er seine Stimme wieder bekommen hatte. Sie klang belegt.. “Danke”. Er legte auf.
Alex und Michael sahen sich an. Die beiden dachten dasselbe. “Wir müssen sein Handy orten lassen” sagte Alex und Michael nickte. Sie fackelten nicht lange, sondern taten wie geheißen. Nach einigen Minuten, die beiden wie Stunden vorkamen, hatten sie schließlich ein Signal. Michael sog die Luft ein. “Das, das kann nicht sein…” Alex kam zu ihm: “Was denn, Michael?” “Das Signal kommt direkt vom Krankenhaus..” Sie sahen sich verwirrt an. “Aber er ist doch gar nicht mehr dort, das verstehe ich nicht..” antwortete Alex irritiert. “Lass uns hinfahren”, knurrte Michael nur, schnappte sich seine Jacke und dann verließen er und Alex so schnell sie konnten das K11.
Während der Fahrt zum Krankenhaus spukten Michael und Alex Fragen im Kopf herum; was war nur mit Gerrit passiert? Warum war sein Handy in der Nähe des Krankenhauses? War er doch noch da und sie machten sich unnötig Sorgen? Aber warum ging er dann nicht dran? Warum meldete er sich nicht? Auch, wenn sie wusste, dass es unsinnig war, hatte Alex während der Fahrt mehrfach versucht, ihn zu erreichen. Natürlich erfolglos… Dann waren sie angekommen. Beide sprangen beinahe gleichzeitig aus dem Wagen und liefen in die Gegend, aus der sie das Handysignal geortet hatten. Es dauerte einige Minuten, dann hatte Alex sein Handy gesichtet. “Michael! Hier; Gerrits Handy!” Es lag in der Nähe eines Strauches auf dem Boden. Nun hatten sie Gewissheit. Etwas war passiert und es musste etwas Schreckliches gewesen sein. Alex hatte ihr Handy gezückt und war dabei die Kollegen von der Spurensicherung zu rufen, und Michael zog das Gebüsch auseinander, beinahe schon in der bangen Voraussicht, Gerrits Leiche irgendwo zu finden. Dann hörte er einen erstickten Schrei von Alex. “Michael..” Er stürzte zu ihr: “WAS??? Was denn???” Sie zeigte auf eine Stelle ganz in der Nähe in der sie das Handy gefunden hatten. “Blut! Da liegt Blut! Das kann nur von Gerrit sein…” Sie presste die Hände vor den Mund. “Das wissen wir noch nicht, Alex…” versuchte Michael sie zu beruhigen, aber in Wirklichkeit wusste er es schon. Von wem sollte der Blutfleck denn sonst sein? Das einzige, was ihn beruhigte, war die Tatsache, dass ihr Kollege nirgendwo zu sehen war. Das hieß zwar nicht, dass er nicht getötet worden sein konnte, aber es gab doch noch Hoffnung.. Aber was hatte das Blut zu bedeuten?? Es war ein sehr kleiner Fleck, was bedeutete, dass eine Schussverletzung wohl auszuschließen war. Alex und Michael warteten ungeduldig auf die Spusi. “Wo bleiben diese Idioten nur?? Es geht um Gerrit!!!” knurrte Michael. Am liebsten hätte er alles hier umgekrempelt, wenn er nur eine Spur hätte finden können. Doch er wusste, dass er dadurch evtl. Spuren verwischen könnte, und das wollte er auf gar keinen Fall.
Dann kam die Spurensicherung endlich. Alex und Michael stürzten ihnen entgegen. Bevor diese noch etwas fragen konnten, fuhr Michael sie bereits an: “Wir haben sein Handy hier gefunden!” Er zeigte ihnen die Stelle, an der das Handy noch lag und einer der Mitarbeiter nahm es mit Handschuhen entgegen und steckte es in eine Tüte - zur Sicherung evtl. Fingerabdrücke, die nicht von Gerrit stammten. Dann fuhr Michael fort: “Hier ist Blut! Wir vermuten, dass es Gerrits Blut ist. Jemand muss ihn verletzt haben. Für eine Schusswunde ist es wohl zu wenig..” Der Leiter der Spusi nickte. “Ja, das sieht eher nach einer kleinen Verletzung aus - viell. eine Kopfverletzung…” Sehr beruhigend war das ja nicht. Wie Gerrit auch immer verletzt worden war, er hatte anscheinend eine Verletzung, und das war nicht gut.. Sie mussten alles daran setzen um Gerrit zu finden; doch wo sollten sie anfangen?? Michael triezte die Spurensicherung so schnell zu machen wie sie konnten, doch mehr als arbeiten konnten auch sie nicht…
Während die Kommissare und ihre Kollegen von der Spurensicherung noch die Umgebung durchsuchten, wachte Gerrit langsam aus einer langen Dämmerung auf. Um ihn herum war es dunkel; nachtschwarz um genau zu sein. Und er hatte Kopfschmerzen. Er kniff die Augen zusammen. Etwas Dickflüssiges lief ihm über die Wange, und als er mit seiner Hand drüber streichen wollte um es wegzuwischen und evtl. herauszufinden was es war, bemerkte er, dass er gefesselt war. Nun wurde Gerrit wach. Er saß auf etwas, was sich anfühlte wie ein Stuhl… Und seine Hände waren seitlich an einer Wand festgebunden.. Gerrit drehte den Kopf nach hinten und fuhr direkt wieder zurück. “Ah…” entfuhr es ihm, denn ein stechender Schmerz fuhr ihm durch den Schädel. Er erinnerte sich langsam wieder. Vorhin war er doch noch vor dem Krankenhaus gewesen - als er sich ein Taxi rufen wollte. Er hatte Probleme mit dem Netz gehabt und war ein paar Meter an einen etwas ruhigeren Platz gegangen und dann hatte er plötzlich diesen Schmerz am Kopf gespürt - und dann nichts mehr… Ihm wurde kalt. Er wusste dass vermutlich derjenige, der Robert angeschossen hatte, ihn in seine Gewalt gebracht hatte; aber warum?? Wer war dieser Kerl und warum hatte er ihn entführt? Verzweifelt versuchte Gerrit, seine Hände zu befreien; aber irgendwie schnürten sich die Fesseln mit denen sie verbunden waren, immer stärker zu, je mehr er es versuchte… Doch er biss die Zähne zusammen und versuchte es immer und immer wieder.
Plötzlich hörte er ein Geräusch. Eine Tür wurde geöffnet. Er hörte sie quietschen. Gerrit hielt inne und seine Gesichtszüge spannten sich an. Das war er! Er konnte seinen Atem hören. Die Schritte kamen näher und dann fühlte Gerrit einen Schlag ins Gesicht. “Na, da haben wir ihn ja… Den Bastard; auf diesen Moment habe ich Jahre gewartet - 10 lange Jahre… ENDLICH…” Gerrit musste sich zusammen reißen. Mit zusammen gebissenen Zähnen knurrte er: “Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir?? Warum haben Sie auf meinen Kollegen geschossen?” Er hörte IHN lachen. “So viele Fragen auf einmal.. Hm, lass mich überlegen; welche soll ich als erstes beantworten?.. Also: Was deinen Kollegen angeht: Ich wollte nicht ihn erschießen, sondern DICH! Wenn sich dieser Idiot in die Schusslinie wirft, kann ich auch nichts dafür; aber ich habe ihn ja nun erledigt - das wirst du sicherlich gehört haben, oder?” Gerrit musste sich zusammen reißen um nicht zu verraten, dass Robert den 2. Anschlag auf sein Leben überlebt hatte. Er ging anscheinend davon aus, dass es ihm geglückt war. Umso besser, sollte er doch. Evtl. half es seinen Kollegen bei der Suche nach ihm. Außerdem musste er verhindern, dass er es noch einmal versuchte. Beim nächsten Mal hatte Robert vielleicht nicht mehr so viel Glück; obwohl er ja nun bewacht wurde. “Was deine anderen Fragen angeht, wer ich bin und was ich von dir will.. Du erinnerst dich vermutlich nicht mehr an mich; ist ja auch schon lange her.. Sehr, sehr lange… Glaub mir, du wirst noch früh genug heraus finden, mit wem du es zu tun hast. Und dir wird auch bestimmt noch einfallen, warum ich das tue.. Vorerst reicht es, wenn ich dir sage, dass ich dir die beschissensten 10 Jahre meines Lebens “verdanke”. Er war lauter geworden. Dann fühlte Gerrit sein Gesicht direkt vor seinem. Er konnte seinen Atem spüren; er hatte Mundgeruch. Gerrit wurde schlecht. Er verzog das Gesicht und versuchte, den Kopf zur Seite zu drehen, doch dann fühlte er SEINE Finger, die ihn zangenartig umschlossen. Er konnte sich nicht mehr rühren. “Du wirst hier nicht mehr lebend raus kommen, du Dreckskerl von Bulle… Ich werde dir das gleiche antun, was mir durch dich angetan wurde. Und glaub mir, du wirst dir noch wünschen, dass es schnell gehen möge!” Dann schlug er ihn erneut mitten ins Gesicht. Gerrits Lippe war aufgesprungen, er schmeckte Blut. Gerrit sagte nichts. Er hörte, wie sich die Schritte langsam wieder entfernten und dann fiel eine Tür ins Schloss. Es hörte sich an wie eine Stahltür.. Gerrit hörte, wie sie zugeschlossen wurde. Er brauchte einige Sekunden um sich zu beruhigen. Er zitterte. Dann versuchte er erneut, seine Hände zu befreien, die langsam taub zu werden schienen. Sie waren sehr, sehr fest festgebunden.. Er probierte es immer und immer wieder, doch es schien hoffnungslos.. Dennoch wollte Gerrit nicht aufgeben; er MUSSTE aus diesem Loch hier raus! Etwas sagte ihm, dass dieser Bastard noch mehr mit ihm vorhatte, und wenn er das nächste Mal wieder kam, würde es nicht mehr so “harmlos” sein. Gerrit versuchte es weiter…
Derweil war die Spurensicherung mit dem Durchsuchen der Gegend und dem Einsammeln von Beweisen fertig und auch Michael und Alex waren wieder im K11. Sie hatten sich erneut das Phantombild zur Brust genommen, das sie mit Hilfe der Schwester erstellt hatten. Sie waren sich sicher, dass das der Mann war, der auf Robert geschossen und Gerrit entführt hatte. Während sie noch die Dateien durchsuchten, öffnete sich die Tür, und der Staatsanwalt trat ein. “Herr Kirkitadse, hallo”, sagte Alex, ohne groß von ihrem Computer aufzuschauen. Auch Michael grüßte knapp. Kirkitadse sah es ihnen nach. “Hallo Herr Naseband, Frau Rietz. Da Sie ja nun extrem belastet sind und noch dazu mit eingeschränkter Kollegenzahl, habe ich Ihnen Verstärkung mitgebracht.” Nun sahen Michael und Alex doch auf. Das fehlte ihnen noch, einen neuen Kollegen einarbeiten zu müssen. Alex sah Michael kurz an und sah eine kleine Falte auf seiner Stirn. Der Staatsanwalt hatte sie wohl auch bemerkt und beeilte sich hinzuzufügen: “Na, sehen Sie sich den “neuen” Kollegen doch einfach mal an!” Etwas an seiner Stimme irritierte die beiden. Es klang so “verschmitzt”.. Ge- und angespannt sahen sie zur Tür - und erstarrten. Sie glaubten beide nicht, wen sie da hereinspazieren sahen..
Alex war schließlich die erste, die ihre Stimme wieder fand: “BRANCO!!!” rief sie und während Michael immer noch sprachlos vor seinem Schreibtisch stand, lief sie schon auf ihn zu und umarmte ihn. Dann hatte sich auch Michael wieder im Griff und kam ebenfalls auf seinen ehemaligen Kollegen zu. “Branco! Das gibt es ja gar nicht! Freu mich, dich zu sehen. Wie hat es der Staatsanwalt denn geschafft, dich wieder herzulocken? Warst du nicht beim SEK in Stettin?” “Ja, war ich; aber als Herr Kirkitadse bei unserem Leiter angerufen und erzählt hat, was hier passiert ist, da war ich selbstverständlich sofort dabei! Ich hoffe, ihr freut euch, mich wieder dabei zu haben?” Michael und Alex lachten und klopften ihm auf die Schulter. “Klar; man, ich kann es kaum fassen.. Du musst uns alles erzählen; allerdings erst, wenn wir Gerrit wieder haben und Robert wieder fit ist..” “Robert ist der neue Kollege, der angeschossen wurde?” fragte Branco. Alex nickte. “Ja, und Gerrit kennst du ja schon; du hast ihm ja geradewegs den Platz “freigemacht”” grinste sie. Branco nickte. “Ja, ganz netter Kerl, fand ich.. Also gut, was habt ihr denn bis jetzt?” Michael und Alex erzählten ihm alles, was sie bis jetzt wussten. Der Staatsanwalt hatte zugehört und dann verabschiedete er sich wieder: “Ich denke, Sie brauchen mich jetzt nicht mehr. Groß vorstellen brauch ich den “neuen” Kollegen ja nicht, und wenn Sie neue Erkenntnisse haben, dann melden Sie sich bitte bei mir.” Michael, Alex und Branco nickten, dann ging Kirkitadse. Branco warf seine Jacke auf seinen alten Platz auf der Fensterbank - der jetzt eigentlich Gerrits Platz war - und beugte sich über Alex´ Stuhl. Er besah sich das Phantombild. “Hm, habt ihr was über den?” “Nein, bis jetzt noch nicht.. Aber wir suchen weiter! Wir MÜSSEN einfach etwas über den Kerl herausfinden; das ist unsere einzige Spur!”. Und so suchten sie weiter…
Es dauerte einige Zeit, in der sowohl Michael als auch Alex beinahe wahnsinnig wurden, weil sie nichts über diesen Kerl herausfinden konnten. Doch dann hörte Michael plötzlich Alex nach Luft schnappen und Branco, der hinter ihr stand, sog leicht die Luft durch die Zähne. Michael stand ebenfalls auf und ging zu Alex´ Platz: “Was ist los; habt ihr was??” Er sah sich das Bild an, das auf Alex´ Computerbildschirm zu sehen war. “Das ist er” sagte Branco und Alex und Michael nickten. Sie hatten ihn gefunden, er war aktenkundig! Langsam begann Branco zu lesen, was an Informationen zu sehen war: “Name: Leo Heiser, gesessen wegen Geiselnahme und Totschlag. Bei einem Einbruch in ein Einfamilienhaus Geiseln genommen, und diese dann erschossen. Wurde vor 10 Jahren verhaftet von…” Er machte eine kleine Pause und Alex und Michael, die mitlasen, wurden bleich. Sie sahen, warum Branco nicht weiter gelesen hatte. Schließlich fuhr Alex leise fort: “Gerrit.. Er war damals noch bei der Schutzpolizei…” “Damit haben wir sein Motiv; er ist hinter Gerrit her, wahrscheinlich war er es von Anfang an und Robert ist ihm nur ins Schussfeld geraten..” schlussfolgerte Michael schließlich.
Sie druckten die Informationen aus und gaben einen Fahndungsbefehl nach Leo Heiser raus. Doch hatten sie wirklich Hoffnung, ihn - und vor allem Gerrit - schnell zu finden? Sie wussten es nicht. “Er kann überall und nirgends sein” sagte Alex schließlich und sprach damit aus, was sie alle dachten. “Zuerst schauen wir uns dort um, wo dieser Heiser früher gewohnt hat - Irgendwo müssen wir ja anfangen” sagte Michael. Alex und Branco nickten und dann fuhren sie zu der angegebenen Adresse…
Währenddessen hatte Gerrit erfolglos versucht, sich zu befreien. Die Fesseln waren einfach zu fest. Er hatte schließlich aufgegeben. Er fühlte sich schwach; die Wunde am Kopf hatte wieder angefangen zu bluten - hatte sie überhaupt aufgehört? Er wusste es nicht - und sein Kopf drohte zu zerspringen. Dann ging plötzlich die Tür auf, von der er dachte, es könnte eine Stahltür sein, so wie sie sich anhörte; und plötzlich, ohne jede Vorwarnung, ging ein gleißend helles Licht an. Gerrit hatte sich mittlerweile so an die völlige Dunkelheit in dem Raum gewöhnt, dass er massiv geblendet wurde. Er musste die Augen schließen. Sein Kopf zersprang beinahe, so weh tat ihm die unerwartete Helligkeit. Dann hörte SEINE Schritte, die immer näher kamen und dann fühlte er seine Hand an seinem Hals. Direkt neben seinem Ohr hörte er ihn flüstern: “So, nun kommt die Antwort auf deine Frage: Wer bin ich? SIEH MICH AN! - Erinnerst du dich an mich?” Er streckte Gerrits Hals in die Höhe, so dass ihm keine Wahl blieb als zu ihm hoch zu schauen. Langsam öffnete Gerrit die Augen. Er wollte ja wissen, wer er war. Kannte er ihn? Vermutlich, denn dieser Bastard kannte ja wohl ihn, anscheinend. Das Gesicht war direkt vor ihm, doch Gerrit konnte ihn nicht sehr deutlich sehen. Er sah alles nur verschwommen. Lag das am plötzlichen Lichteinfall oder war etwas mit seinen Augen nicht in Ordnung? Evtl. durch den Schlag auf den Kopf? Gerrit bekam Panik. Er schloss erneut die Augen und öffnete sie langsam wieder. Es wurde etwas besser und er beruhigte sich wieder. “Na, was ist jetzt? Dämmert´s langsam?” die Stimme des Entführers war ungeduldig. Gerrit sah ihn erneut an und zuerst wollte er schon den Kopf schütteln, als ihm auffiel, dass etwas an ihm ihm doch bekannt vorkam.. Er kannte ihn.. Doch woher wollte ihm einfach nicht einfallen.. Schließlich ließ Heiser ihn wieder los. Enttäuschung war auf seinem Gesicht zu lesen. “Also gut, Bulle. Du hast noch Glück. Ich gebe dir einen kleinen Aufschub, in der du noch einmal darüber nachdenken kannst, wer dein “Gastgeber” ist - mir würde das, was ich mit dir vorhabe nämlich um einiges mehr Spaß machen, wenn du weißt, wer ich bin.” Dann lachte er. Doch nach einigen Minuten erstarb sein raues Lachen wieder und er sprach weiter: “Mach dir keine Illusionen: Ich werde meine Rache trotzdem nehmen. Ob du dich erinnerst oder nicht!” Dann ließ er ihn los und Gerrits Kopf sank auf seine Brust. Gerrit schloss die Augen wieder. Nicht nur wegen der Helligkeit, auch weil er sich so sein Gesicht besser einprägen konnte. Er wollte - nein, er MUSSTE herausfinden, wer dieser Typ war. Warum tat er ihm das an? Während er so da saß, schaltete Heiser das Licht wieder aus und verriegelte die Tür. Die Rache hatte gerade erst begonnen. Es sollte noch “besser” werden. Er ging langsam in sein Geheimversteck und begann, die Utensilien zusammen zu suchen, die er für sein Vorhaben brauchte…
Währenddessen hatte Robert etwas geschlafen. Die Schutzpolizisten, die auf ihn aufpassen sollten, schauten ab und an nach ihm, um zu sehen ob es ihm noch gut ging. Als die Wachablösung an der Reihe war, gingen die beiden neuen Kollegen noch einmal in sein Zimmer - Robert schien noch zu schlafen - und unterhielten sich, allerdings nicht gerade leise: “..ich hoffe, sie finden den Mistkerl! Nicht auszudenken, wenn er Gerrit tatsächlich etwas antut..”. In dem Moment öffnete Robert entsetzt seine Augen. Er hatte nicht mehr geschlafen, sondern war gerade dabei, wieder aufzuwachen. Seine Schmerzen waren etwas besser geworden, was allerdings eher an den Medikamenten lag, die er immer noch - bzw. wieder - intravenös verabreicht bekam. “Was, was soll das heißen? Was ist mit Gerrit??” keuchte er. Die Polizisten wurden bleich. Sie wussten, dass Michael und Alex Robert noch nichts von Gerrits Entführung gesagt hatten - wie auch, er hatte ja die ganze Zeit geschlafen und außerdem wollten sie ihn nicht unnötig aufregen.
Die beiden sahen sich an. Das würde Ärger geben, ahnten sie richtig. Einer von beiden, Walter Rieser, versuchte Robert zu beruhigen. “Ähm, da hast du bestimmt was missverstanden; es ist nichts mit Gerrit; leg dich wieder hin. Wir, wir sind wieder draußen!” und wollte schon wieder gehen. Doch Robert ließ sich nicht so schnell abspeisen. Er wusste, was er gehört hatte. Und er wusste genau, wie er das zu deuten hatte: “Hierge..blieb..ein…” keuchte er. Richtig sprechen fiel ihm immer noch schwer - und jetzt um so schwerer. Seine Schmerzen stiegen an - trotz Medikamenten. “WAS… IST… MIT… GERRIT?” presste er zwischen den Zähnen heraus. Walter wollte nicht so recht raus mit der Sprache und auch sein Kollege Paul schwieg verbissen. Doch beide ahnten, dass sie zu weit vorgedrungen waren, um es noch abwenden zu können. Selbst wenn sie jetzt einfach gehen würden, halfen sie Robert damit wohl kaum. Er würde sich - zu recht - Gedanken und Sorgen machen. Sie hatten wirklich Mist gebaut.. Also sprach Walter schließlich aus, was sie ihm eigentlich verschweigen sollten: “Also” er räusperte sich und spürte Roberts Blick auf ihm, der ihn fast durchbohrte: “Also gut; ich schätze, wir können es dir sowieso nicht mehr verheimlichen.. Aber du darfst dich nicht aufregen, hörst du? Sie finden ihn, bestimmt…” Robert hatte sich angespannt und verkrampft. Was würde er wohl jetzt zu hören bekommen? Er ahnte schreckliches. Und er sollte recht behalten. Walter fuhr fort, wenn auch unwillig und stotternd: “Also, als, als Gerrit vor einiger Zeit von dir fort gegangen ist und zum K11 zurück kehren wollte, da hat ihn jemand entführt..” Sie hörten Robert pfeifend einatmen. Walter fuhr fort: “Michael und Alex haben versucht, ihn zu erreichen, aber er hat sich nicht gemeldet; also haben sie sein Handy geortet und es in der Nähe des Krankenhauses gefunden..” “Er, er ist.. hier… entführt.. worden???” fragte Robert entsetzt. Paul nickte stumm. “Es sieht zumindest so aus… Aber wie gesagt, Alex und Michael sind dabei ihn zu suchen..” Von Branco sagten sie zuerst einmal nichts. Sie wussten ja nicht, wie Robert darauf reagieren würde, wenn er auch noch erfuhr, dass er bzw. Gerrit ersetzt worden war - wenn auch nur vorübergehend.. Es reichte schon, dass er DAS nun erfahren hatte. Durch ihre Schuld… Und ihre Unvorsichtigkeit sollte sich rächen. Robert versuchte sich aufzurichten. “Ich, ich muss, muss ihnen, helfen….” Er versuchte aufzustehen, was natürlich vollkommen missglückte. Walter stürzte gerade noch rechtzeitig nach vorne, um zu verhindern, dass Robert aus dem Bett fiel. “Um Himmels Willen, Robert, leg dich bitte wieder hin! Du kannst gar nichts tun!!! - Du musst erstmal wieder gesund werden. Du bist schwer verletzt! Bleib liegen!!!” Doch Robert versuchte es erneut. Seine Bauchwunde begann wieder zu bluten; sein Verband, der gerade frisch gewechselt worden war, färbte sich rot. “Um Himmels Willen, Robert; bitte!!” flehte nun auch Paul. “BLEIB LIEGEN!!” “Aber ich muss ihm doch helfen! Alex und Michael brauchen Verstärkung!!” keuchte Robert. Er dachte an die Worte, die Gerrit ihm gesagt hatte, bevor er gegangen war. “Freunde” - sie waren Freunde. Nicht nur einfache Kollegen. Sollte er ihn tatsächlich nie wieder sehen?? Nein, er musste seinen Kollegen helfen. Sie konnten das doch nicht ganz alleine bewerkstelligen. Auf Roberts Gesicht standen Schweißperlen. Walter und Paul sahen sich an. Schließlich ging Walter zur Tür: “Ich rufe einen Arzt! Bleib du bei ihm und versuche ihn weiter zu beruhigen; wir haben wirklich Mist gebaut!” murmelte er noch, dann verließ er das Zimmer. Paul nickte und sorgte weiter dafür, dass Robert im Bett liegen blieb - obwohl er ihn kräftig an den Schultern runterdrücken musste, denn Robert versuchte immer wieder aufzustehen. “Bleib doch endlich liegen, verdammt! Du brauchst dir keine Sorgen zu machen; Alex und Michael haben jemanden, der ihnen hilft.” Nun war das auch noch raus.. Paul hätte sich ohrfeigen können. Aber wie sollte er Robert denn sonst beruhigen? Robert blieb auch eine Sekunde lang ruhig und blickte ihm dann ins Gesicht. “Sie.. haben uns ersetzt???” Entsetzen machte sich breit. Gingen seine Kollegen etwa schon davon aus, dass Gerrit tot war?? Oder wollten sie ihn loswerden???
Paul wusste nicht, was er sagen sollte. Es lief hier einfach alles gerade völlig aus dem Ruder… “Hör zu, der Staatsanwalt hat das angeordnet. Soviel ich weiß, soll der Kollege nur solange bleiben bis du wieder fit bist und Gerrit gefunden wurde. Und davon gehen wir doch aus. Und nun beruhige dich wieder. Branco Vukovic ist lediglich als Verstärkung da, nicht mehr!” Robert keuchte erneut. “Branco”.. sagte er nur. Mehr nicht. Er kannte ihn zwar nicht, aber er wusste, dass er ein früherer Kollege gewesen war. Bevor Paul noch etwas sagen konnte, wurde Roberts Gesicht kalkweiß und er sank zurück auf sein Kissen. Das Anzeigegerät für den Herzschlag setzte aus. Robert war kollabiert. Entsetzt starrte Paul auf den Kollegen und wusste im ersten Moment nicht, was er tun sollte. Im selben Moment kamen die Ärzte zusammen mit Walter ins Zimmer geschossen. Der Oberarzt schnauzte Paul und Walter an: “Raus hier!! Sie verlassen SOFORT das Zimmer!” Die beiden widersprachen nicht und verschwanden. Ihnen war übel. Was hatten sie nur getan?? Währenddessen versuchten die Ärzte verzweifelt, Robert wiederzubeleben; die Bauchwunde, die sich wieder geöffnet hatte, wurde immer größer…
Michael, Alex und Branco ahnten nichts von dem Vorfall im Krankenhaus. Sie fuhren immer noch in Richtung der von ihnen ermittelten Adresse. Doch als sie dort ankamen, sahen sie lediglich eine alte leere Baracke - das Haus, das dort evtl. einmal gestanden haben sollte, war abgerissen worden. Trotzdem stiegen Alex, Michael und Branco aus dem Wagen aus und sahen sich in der Gegend um. Doch sie konnten nichts wirklich Verdächtiges erkennen. Es war einfach nur eine leere Baracke, die nur aus Staub und kaputten Wänden bestand. Hier war garantiert niemand mehr. Die Kollegen waren entmutigt. “Das wäre auch zu schön gewesen, wenn wir hier Erfolg gehabt hätten..” sprach Branco schließlich aus, was auch Michael und Alex dachten. “Kommt Leute, hier finden wir niemanden; lasst uns mal im Stadtgefängnis nachfragen; vielleicht finden wir dort eine Information über diesen Typen.” Alex nickte. Ihr fiel ein, dass sie in der Datei gelesen hatten, in welchem Gefängnis Heiser gesessen hatte. Vielleicht gab es dort Wärter, die ihnen Informationen geben konnten, mit denen sie etwas anfangen konnten? Da weder Michael noch Alex eine Alternative einfiel und beide Brancos Idee gut fanden, gingen sie zurück zum Auto und drehten in Richtung des Gefängnisses um.
Was sie alle nicht ahnten: Die Baracke war nicht leer. Sie war eine Tarnung des Entführers, der ein unterirdisches Gefängnis erschaffen hatte. Unter ihr war ein riesiger leer stehender Raum, den Heiser zum Gefängnis umgeräumt hatte. Alles, was dort stand, war ein einzelner Stuhl, angelehnt an eine weiße Wand. Und eine gleißend helle 100Volt Lampe. Und auf dem Stuhl saß - festgeschnürt an diese Wand - Gerrit! Sie waren so nahe dran gewesen… Doch es gab nur einen Geheimeingang, der schwer einzusehen war, so dass niemand außer dem Täter in den Raum gelangen konnte. Von der Baracke aus war der Raum jedenfalls nicht erreichbar. Und Heiser selbst hatte noch ein eigenes Geheimversteck. Alles war exakt durchdacht! Niemand würde ihn jemals finden. Langsam machte er sich bereit, seinen weiteren Plan in die Tat umzusetzen..
Alex, Michael und Branco fuhren gerade in Richtung des städtischen Gefängnisses, in dem Heiser 10 Jahre gesessen hatte, als Michaels Handy klingelte. Er stellte es auf laut und sagte: “Naseband”. Am anderen Ende war es erst einmal still. “Naseband.. Wer ist da??” fragte Michael nun etwas lauter. Dann hörten sie die relativ - beinahe unnatürlich - leise Stimme ihres Kollegen Rieser. “Michael.. Hört zu, es, es ist, wegen Robert... Es ist was passiert…” Michael und Alex spannten sich an. “Was ist los??” fragte Alex schließlich. Wieder war Stille am anderen Ende der Leitung. “Walter! WAS IST LOS?? Sag schon!” Michael wurde laut, sehr laut. Schließlich sprach Walter. Es fiel ihm merklich schwer. “Also;” er räusperte sich “es, es ist so; Robert hatte einen Anfall… Er, er hatte einen Herzstillstand und ist kollabiert..” “WAS??? Um Himmels Willen, wie ist denn das passiert???” fragte Alex geschockt. Walter antwortete: “Das, das kann ich euch am besten im Krankenhaus erzählen.. Also, wenn ihr kommen wollt..” “Natürlich kommen wir, sofort!” schnitt Michael ihm das Wort ab. Er stellte das Handy aus und drehte um. Das Gefängnis musste warten, jetzt mussten sie erst einmal sofort zum Krankenhaus um herauszufinden, was mit ihrem Kollegen passiert war. “Irgendwie kam mir euer Kollege Rieser aber irgendwie merkwürdig wortkarg vor; oder hatte nur ich das Gefühl?” fragte Branco. Michael schüttelte den Kopf. “Nein”, brummte er, irgendwas ist passiert. Wir werden es herausfinden.” “Hoffentlich nicht schon wieder Heiser; wenn er herausgefunden hat, dass wir hinter ihm her sind, und er Robert beim 1. Mordversuch nicht erledigt hat?” spekulierte Alex. Michael und Branco schwiegen. Sie machten sich beide ihre Gedanken dazu. Michael hatte die Sirene und das Blaulicht eingeschaltet und fuhr viel zu schnell, was aber den Vorteil hatte, dass sie nicht lange bis zum Krankenhaus brauchten. Sie stürzten geradewegs hinein und stürmten an einigen Schwestern und Ärzten vorbei, die ihnen entgegen kamen.
Dann waren sie an der Intensivstation angekommen in der Robert noch vor wenigen Stunden gelegen hatte. Paul und Walter kamen ihnen entgegen. Michael und Alex kannten die Kollegen der Schutzpolizei gut genug um zu sehen, dass etwas mit ihnen nicht in Ordnung war. Ihr Gesichtsausdruck war mit “schuldbewusst” am ehesten zu beschreiben. “Was ist passiert? Wo ist Robert?” fragte Michael und kam direkt zum Punkt. Walter schaute zu Boden. “Er, er ist.. Die Ärzte mussten ihn erneut operieren; er hatte einen Herzstillstand und seine Bauchverletzung ist wieder aufgegangen… Er hat erneut jede Menge Blut verloren… Sie mussten ihn reanimieren und erneut mit Blutkonserven versorgen.. Ich, ich glaube es sieht nicht gut aus; sie operieren ihn immer noch.. Es tut, tut mir so leid..” Walter kämpfte mit den Tränen und auch Paul sah nicht besser aus. Michael kam nah an beide heran und legte Walter eine Hand auf die Schulter. Er drückte leicht zu. “Sag mir was passiert ist. Es ging ihm doch schon besser, dachte ich! Die Ärzte sagten, er wäre auf dem Weg der Besserung und müsste zwar noch überwacht werden, aber er sei außer Lebensgefahr! Wie konnte das passieren?” Walter schwieg. Schließlich war es Paul, der anfing zu reden: “Es, es war so; als wir unsere Wachablösung antraten, da wollten wir nach Robert sehen.. Und, na ja, es, es sah ja so aus, als ob er schlafen würde, da, da haben wir nicht so sehr darauf geachtet, was wir sagten..” “Und WAS habt ihr gesagt?” fragte Michael gepresst. Auch Alex hörte angespannt zu. Branco stand neben ihnen und sah die beiden Polizisten mit zusammen-gekniffenen Augen an. “Wir, also wir, wir haben.. Wir haben uns über Gerrit unterhalten, darüber, dass er hoffentlich noch lebend gefunden wird; wir dachten wirklich, dass Robert noch schläft; aber er, er ist wohl gerade aufgewacht und er hat es gehört…” Michael und Alex starrten die beiden mit offenen Mündern an. Schließlich war Michael der erste, der seine Sprache wieder fand: “Ihr habt WAS??? Seid ihr eigentlich völlig des Wahnsinns??? Ihr habt vor Robert über Gerrits Entführung gesprochen???” Michael war nahe dran, den beiden an den Hals zu springen. Branco hielt ihn fest. Doch Michael schüttelte ihn ab. Sein Gesicht war rot vor Zorn. Auch Alex hatte Farbe im Gesicht. “Sagt mal, wie kommt ihr dazu, in Roberts Zimmer über diese Sache zu reden?? Und was genau ist dann passiert??” Paul wusste, dass sie weiter reden mussten. Das Schlimmste hatten sie ja noch gar nicht erzählt.. “Also, wir haben wirklich versucht, Robert zu beruhigen; aber er hat es uns nicht abgenommen.. Uns blieb nichts anderes übrig, als es ihm zu erzählen.. Als er dann begriffen hat, dass Gerrit entführt worden ist, ist er ausgerastet… Er hat versucht aufzustehen; er wollte euch helfen.. Ich wollte ihn beruhigen, aber es ist mir nicht gelungen… und dann, na ja, dann ist mir auch noch rausgerutscht, dass Branco mit euch zusammen in dem Fall ermittelt und dann - ist er.. kollabiert…”
Michael und Alex konnten es nicht fassen. Im Bruchteil einer Sekunde fuhr Michaels Faust aus und schlug zentimetergenau neben Walter und Paul in der Wand ein. Die beiden zuckten zusammen. Alex legte ihm ebenfalls ihre Hand auf die Schulter - wie zuvor Branco und versuchte, ihn zu beruhigen. “Michael..” doch er schüttelte nur den Kopf. Mit zusammengebissenen Zähnen knurrte er: “verschwindet hier oder meine Faust landet in euren Fressen…” Walter und Paul schluckten. “Es tut uns leid..” versuchte es Walter erneut, doch Branco schüttelte nur den Kopf. “Ich würde tun, was er sagt. Ihr habt schon genug angerichtet, meint ihr nicht? Verschwindet jetzt!” Auch Alex sagte nichts sondern sah nur steinern an den beiden Polizisten vorbei. Paul und Walter nickten langsam. Sie sahen auf den Boden und gingen langsam und schlürfend dem Ausgang entgegen. `Wie ein Häufchen Elend auf Beinen´ dachte Branco. Doch er sagte nichts. Dann ging er auch zu Michael, der immer noch an der Wand lehnte. “Michael? Bist du okay?” Er erhielt keine Antwort. “Michael??” fragte nun auch Alex. Sie machte sich extreme Sorgen um Robert, von dessen Zustand sie immer noch nichts gehört hatten, doch der seelische Zustand ihres Kollegen Michael machte ihr im Moment auch zu schaffen. Dann rührte dieser sich langsam wieder. “Schon gut; geht schon wieder. Sind die beiden weg?” Alex nickte. “Gut.. Wann kommt endlich ein Arzt?? Ich will wissen, was mit Robert ist!” fluchte Michael. Alex seufzte. Was war nur los?? Ihr Kollege Robert war schwer verletzt hier im Krankenhaus; obwohl sie eigentlich davon ausgegangen waren, dass er sich auf dem Weg der Besserung befand; und ihr Kollege, und Freund, Gerrit war entführt worden.. Langsam machte sich der Stress und die Angst um beide bemerkbar. Alex´ Beine knickten ein. Branco fing sie gerade noch rechtzeitig auf und auch Michael half ihr hoch. “Alles in Ordnung, Alex?” fragten beide besorgt. “Soll ich einen Arzt rufen?” hakte Michael nach. Alex schüttelte den Kopf. “Geht schon wieder; keine Sorge Jungs. Mir geht´s gut. Und einen Arzt sollten wir jetzt ohnehin sprechen; wegen Robert. Ich will langsam wirklich wissen, wie es ihm geht!” Michael und Branco nickten. Das wollten sie auch; aber in ihren Mienen war Sorge zu lesen. Nicht nur wegen Robert. Beide sahen verstohlen zu Alex, die ihre Blicke bemerkte aber geflissentlich ignorierte.
Dann kam tatsächlich ein Arzt zu ihnen. Er winkte ihnen zu und bedeutete sie, mit ihm zu kommen. Sie gingen in ein Nebenzimmer und er begann zu reden: “Mein Name ist Dr. Spiek. Ich habe Ihren Kollegen operiert. Wie Sie evtl. schon gehört haben, ist Ihr Kollege, Herr Ritter, erneut kollabiert. Er hatte einen Herzstillstand und seine Atmung hat ausgesetzt, so dass wir ihn reanimieren mussten. Allerdings ist es uns dieses Mal nicht gelungen, ihn vollständig zu reanimieren. Sein Herz haben wir nach einigen Minuten wieder zum Schlagen gebracht, aber seine Atmung leider nicht wieder herstellen können. Er musste intubiert werden. Außerdem ist seine Wunde wieder aufgegangen. Er hat erneut sehr viel Blut verloren, so dass wir ihn leider wieder mit neuen Blutkonserven versorgen mussten. Die inneren Blutungen waren dieses Mal leider sehr stark.. Ich habe leider keine guten Nachrichten für Sie. Durch den Zusammenbruch, der durch einen starken Schock ausgelöst worden ist, ist Herr Ritter in einem lebensbedrohlichen Zustand geraten. Er befindet sich momentan im Koma und ich kann Ihnen leider nicht sagen ob, bzw. wann, er wieder daraus erwachen wird. Das einzig einigermaßen positive ist, dass die Blutungen gestoppt werden konnten. Aber noch einen solchen Anfall wird er auf keinen Fall überleben. Tut mir wirklich sehr leid; ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas anderes mitteilen.”
Die Kommissare waren wie vor den Kopf geschlagen. Das hatten sie nicht erwartet. Alex kamen nun doch die Tränen. Sie schlug die Hände vor ihr Gesicht und schüttelte den Kopf. “Das kann nicht wahr sein.. Oh Gott…” Auch Michael wusste im ersten Moment nicht, was er sagen sollte. Branco sah den Arzt an und dieser nickte ihm zu. “Ich muss jetzt wieder gehen. Wenn Sie Ihren Kollegen sehen wollen, dann können Sie zu ihm. Sein Zimmer ist den Gang hinunter und dann die 1. Tür links.” Branco nickte und sagte nur knapp: “Danke, Doktor”. Weder Michael noch Alex waren in der Lage etwas zu antworten. Der Arzt verließ das Zimmer. Nach einigen Minuten, in denen es totenstill im Raum war, sagte Branco schließlich: “Wollen wir zu ihm?” Schließlich nickten Michael und Alex nur. Sie schwiegen und gingen langsam zu dem von dem Arzt genannten Zimmer. Als sie vor ihm standen, atmete Alex einmal tief ein und aus und schloss kurz die Augen. Dann nickte sie. Michael öffnete die Tür. Sie traten in Roberts Zimmer. Es war anders als beim ersten Mal, als sie in sein Krankenzimmer eingetreten waren. Er war ebf. an Geräte angeschlossen, aber dieses Mal an mehr; und sie sahen direkt den Schlauch, der in seine Nase und seinen Mund geführt worden war. Zur Beatmung. Alex musste schlucken. Sie hatten so gehofft, dass es ihm besser ging, und nun das.. Michael fühlte kalte Wut in ihm hochsteigen. Alles nur wegen dieser verdammten Idioten! Er war auf dem Weg der Besserung gewesen, und diese Hirnbolzen erzählten ihm, dass Gerrit entführt worden war. Es war doch klar, dass er sich darüber aufregen würde; deswegen hatten sie es ihm ja verschweigen wollen! Er würde sich die beiden später noch einmal zur Brust nehmen! Vorerst setzten Michael und Alex sich neben Roberts Bett und Alex nahm seine Hand in ihre. “Robert? Robert, wir sind´s.. Michael und Alex.. Wenn du mich hören kannst, dann sag was; tu was - irgend etwas!!” Sie hatte Hoffnung, dass er ihre Hand drücken könnte, doch diese war natürlich völlig sinnlos. Robert war bewusstlos und er würde es auch bleiben. Für wie lange wussten nicht einmal die Ärzte… Branco stand etwas abseits und beobachtete die Szene. Er sah heute den Kollegen Ritter zum ersten Mal. `Sieht ganz sympathisch aus´ dachte er. Allerdings missfiel ihm dessen Frisur… Dann schalt er sich selbst für diesen Gedanken. `Mann, der arme Kerl ist im Koma, und du denkst über seine Frisur nach..´ Er nahm sich vor, sich einmal mit dem Kollegen zu unterhalten, wenn er aufwachen sollte - WENN…
Nach einiger Zeit - wie lange sie so da saßen wusste keiner von ihnen - räusperte sich Branco schließlich und sagte: “Hört mal Leute; ich weiß, dass euch Robert ziemlich viel bedeutet. Aber wir müssen auch an Gerrit denken.. Wir haben noch nicht mal eine heiße Spur und der einzige Hinweis, den wir haben, ist das Gefängnis, dem wir eigentlich einen Besuch abstatten wollten… Also, wenn ihr nichts dagegen habt, dann würde ich vorschlagen, wir fahren jetzt da hin und befragen die Mitarbeiter da… So, wie wir es eigentlich vorgehabt hatten.. Oder soll ich das alleine machen?” fügte er noch hinzu. Michael und Alex hatten zu ihm aufgeschaut. Beide schüttelten den Kopf. “Nein, schon gut, du hast recht. Wir werden aufbrechen um zum Gefängnis zu fahren. Hier können wir sowieso nichts mehr für Robert tun; die Ärzte kümmern sich um ihn, so gut es eben geht. Wir können nur hoffen…” sagte Alex. Ihre Stimme klang müde. Auch Michael stand auf und so gingen sie zur Tür. Bevor sie das Zimmer verließen drehten sie sich noch einmal um und Alex flüsterte: “Werde bitte wieder gesund, wir brauchen dich; Robert!” Dann gingen sie. Beiden fiel es schwer, denn keiner von ihnen wusste, ob Robert es überleben würde. Doch die Sorge um Gerrit wuchs von Sekunde zu Sekunde. Sie mussten dringend etwas über diesen Heiser herausfinden und so fuhren alle drei auf dem direkten Weg zum Gefängnis, in dem Heiser 10 Jahre seines Lebens gesessen hatte…
Gerrit saß mittlerweile wieder in der völligen Dunkelheit. Seine Kopfschmerzen waren nicht merklich besser geworden; nur das Blut an der Wunde war eingetrocknet. Es hatte aufgehört zu bluten. Er hatte die letzte Zeit - er wusste nicht wie lange - damit verbracht, zu versuchen sich von seinen Fesseln zu lösen. Doch sie waren immer noch so fest zugeschnürt, dass er sich beinahe die Hände zuschnürte. Schließlich hatte er aufgegeben. Jetzt saß er nur noch auf seinem Stuhl und hatte die Augen geschlossen. Er dachte nach. Woher kannte er nur diesen Typen? Irgendwie war ihm sein Gesicht bekannt vorgekommen - auch, wenn er es nur ein paar Sekunden gesehen hatte und dann auch nur sehr verschwommen; Doch es wollte ihm einfach nicht einfallen woher. Alles, was er sich denken konnte war, dass es schon einige Zeit her sein musste. `Wenn ich ihn verhaftet habe, dann nicht in meiner Zeit beim K11.. daran würde ich mich erinnern…´ dachte er. `Moment mal, sagte er nicht vorhin etwas von 10 Jahren??´ langsam begann Gerrit wieder richtig denken zu können. `10 Jahre… Da war ich doch noch im Schutzdienst…´ Wieder begann sein Gehirn zu arbeiten. Wen hatte er vor ca. 10 Jahren verhaftet, der ihm evtl. damals schon einmal Rache geschworen hatte? Doch je mehr er nachdachte, desto mehr musste er sich anstrengen - und umso stärker dröhnte sein Kopf.
Dann ging die Tür auf. Und wieder wurde das Licht angeschaltet. Dieses Mal war es nicht ganz so schlimm; da Gerrit seine Augen geschlossen hatte. Es war trotzdem unangenehm. Er hielt die Augen geschlossen. Sein Herz begann zu rasen. Ging ihm das auf die Nerven… Gerrit hatte keine Ahnung, was ihm nun bevorstand. Sein Geiselnehmer ging auf ihn zu - er hörte seine hallenden Schritte auf dem Boden - und blieb dann vor ihm stehen. Wieder hob er sein Gesicht an und drückte ihm beinahe die Kehle zu. Gerrit musste schlucken. “Na, ist dir eingefallen, wem du diese kleine “Unterkunft” hier zu verdanken hast?” Gerrit öffnete erneut die Augen. Er sah ihn an und versuchte erneut, sich zu erinnern. Doch anstatt eine Antwort abzuwarten, ließ der Täter plötzlich von ihm ab und holte etwas aus seiner Tasche. “Das ist jetzt auch egal.. Ich habe es satt, auf deine Erinnerung zu warten; wahrscheinlich hast du mich sowieso schon längst vergessen. Für dich ist es einfach; du sorgst schließlich nur für Recht und Ordnung, nicht wahr?” Der Mann sprach in Rätseln. Gerrit verstand kein Wort. “Was.. wollen Sie von mir??” fragte er schließlich gepresst durch die Zähne. Heiser lachte bitter. “Das habe ich dir doch schon gesagt.. Und dass du dich - leider - immer noch nicht an mich erinnerst, ist zwar schade, aber es hilft dir nichts! Jetzt fangen wir mit der ersten kleinen Lektion an.” Gerrit sah, dass er etwas in der Hand hielt. Es war klein, und er konnte es zuerst nicht erkennen. Dann hielt Heiser es ihm vors Gesicht. Plötzlich erkannte Gerrit was es war. Kalter Schweiß brach aus allen seinen Poren. “Das, das kann doch nicht Ihr Ernst sein…” keuchte er nur. Heiser nickte nur. “DAS ist der Anfang, Grass!” Dann nahm er das Gerät, das Gerrit korrekterweise als einen Elektroschocker interpretiert hatte, und schaltete es ein. Er riss Gerrits Bluse auf - dieser versuchte erneut sich zu winden, was natürlich völlig aussichtslos war - und stieß das Gerät auf seine Brust. Mehrere Volt schossen durch Gerrits Körper. Gerrit zuckte zusammen. Der Schmerz war grauenhaft. Heiser lachte. Er wiederholte die “Prozedur” immer und immer wieder. Gerrit presste die Lippen zusammen. Sein Magen tat weh, in seiner Brust zog sich alles zusammen; und sein Herz begann zu rasen und vor seinen Augen schossen Blitze. Doch er blieb wach. “Du bist härter, als ich dachte, Grass..” sagte Heiser und Gerrit wusste nicht, wie das gemeint war. Es hörte sich beinahe bewundernd an.. Doch es änderte nichts daran, dass er immer noch nicht aufhörte. Gerrit wusste nicht, wie lange die “Prozedur” bereits andauerte, aber irgendwann hörte er schließlich doch auf. Gerrits Kopf sank auf seine Brust, seine Nase hatte angefangen zu bluten. Die Schmerzen waren stärker geworden. “Fürs erste ist es genug; aber du kannst dich schon einmal auf ein weiteres “Abenteuer” freuen; Grass…” sagte Heiser und lachte. Dann ging er. Gerrit hörte seine Schritte, die sich entfernten und dann ging das Licht aus. Die Stahltür schlug zu. Gerrit saß wieder in der Dunkelheit mit unbeschreiblichen Schmerzen, die mit jeder Sekunde anstiegen. Schließlich konnte er sich nicht mehr zurück halten. Er schrie sich den Schmerz aus dem Leib…
Von alle dem hatten seine Kollegen natürlich keine Ahnung. Sie waren gerade an dem Gefängnis angekommen und stiegen aus dem Wagen aus. Während der Fahrt hatte keiner von ihnen viel gesprochen. Michael und Alex, weil ihre Gedanken um Gerrit und Robert kreisten und Branco, weil er nicht wirklich wusste, was er sagen sollte. Er dachte mehr darüber nach, was sie wohl über diesen Heiser herausfinden würden. Dann waren sie ausgestiegen und nun gingen sie zum Wärter, der die Tore bewachte. “Michael Naseband, Kriminalkommissariat. Wir hatten uns angemeldet weil wir einige Informationen über einen ehemaligen Insassen namens Leo Heiser benötigen.” Er, Alex und Branco zeigten ihre Ausweise. Der Wärter sah sie sich an und nickte dann. “In Ordnung. Sie können rein. An der nächsten Torwache wird Herr Niemann, der Gefängnisdirektor, Sie empfangen.” Michael, Alex und Branco nickten und gingen dann zügig zum von ihm genannten Tor. Dort stand tatsächlich jemand, der sich als “Robert Niemann” vorstellte. Alex zuckte etwas zusammen, als sie seinen Vornamen hörte. Der Direktor begrüßte sie und sagte: “Kommen Sie mit in mein Büro. Dort können Sie mir Ihre Fragen stellen, ich werde versuchen, Sie Ihnen so gut wie es mir möglich ist, zu beantworten.” Die Kommissare folgten ihm, dann waren sie in seinem Büro angekommen. “Setzen Sie sich, wollen Sie einen Kaffee? Oder etwas anderes zu trinken?” Die Kommissare schüttelten den Kopf. Dann kam Michael direkt zum Punkt. “Hören Sie, wir sind nicht hier um nett zu plaudern! Wir brauchen Informationen über einen ehemaligen Häftling namens Leo Heiser. Er steht im dringenden Tatverdacht, einen unserer Kollegen entführt und einen weiteren unserer Kollegen angeschossen zu haben. Außerdem hat er einen Krankenhauspfleger umgebracht.” Der Direktor sah geschockt von einem Kommissar zum anderen. “Ist das sicher? Das er es war, meine ich?” Alex nickte. “Wir haben eine Zeugin; zum. für den Mord an dem Pfleger. Aber darum geht es jetzt nicht. Wir müssen unseren Kollegen finden und die einzige Spur, die wir bis jetzt haben ist Ihr Gefängnis. Können Sie uns etwas über diesen Heiser erzählen? Können wir seine Akte einsehen?” Niemann nickte und telefonierte mit seiner Sekretärin. “Die Akte kommt gleich” sagte er.
Wenige Minuten später kam die Sekretärin mit der Akte Heiser ins Büro. Niemann übergab sie Michael und überließ den Kommissaren dann sein Büro. “Ich muss noch kurz etwas erledigen. Die Akte steht zu Ihrer freien Verfügung.” Dann ging er. Michael legte die Akte auf den Tisch und Alex und Branco stellte sich neben ihn und schauten ihm über die Schulter. Auf den ersten Blick konnten sie nicht wirklich etwas finden, was ihnen weiter half. In der Akte stand nichts Ungewöhnliches, nur der Grund, warum Heiser verhaftet wurde - das, was sie bereits in ihrem Computer gefunden hatten - und einige interne Details. Zum Beispiel, dass Heiser oftmals negativ - weil störend - aufgefallen war und daher in Einzelhaft gekommen war. “Hm, und wie hilft uns das jetzt?” fragte Alex. Sie war gefrustet. Irgendwie hatte sie sich mehr versprochen, auch wenn sie selber nicht wusste, was.. Branco erwiderte: “Sagt mal, irgendwie kommt mir dieser Direktor aber auch ein wenig komisch vor, uns so einfach hier alleine zu lassen… Na ja, egal. Wir sollten mal mit diesem Wärter sprechen, der die Insassen beaufsichtigt, die in Einzelhaft kommen.. Was haltet ihr davon?” Alex und Michael nickten. Eine andere Möglichkeit fiel ihnen momentan auch nicht ein. Also gaben Sie der Sekretärin die Akte zurück - der Direktor war immer noch nicht zurück gekehrt - und fragten nach dem Wärter der Einzelinhaftierung…
FOrtsetzung vom 13.06.09
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