Tod mit Folgen

Prolog:

Erschrocken blickte er seinen Gegenüber, Mark Steinert, an, blickte in dessen fieses Grinsen. Sein Blick schweifte ein Stück runter, blieb an dem Gesicht seiner Freundin hängen, in dem panische Angst geschrieben stand. Sie versuchte zu schreien, versuchte sich zu befreien, doch Mark hielt ihr mit einer Hand den Mund zu, sein Griff war zu stark, als das sie irgendetwas machen konnte. „Lass... lass sie gehen!“, er trat einen Schritt auf Steinert zu, umklammerte verkrampft seine Waffe. Steinert fing an zu lachen und meinte, noch bevor er sich wieder eingekriegt hatte: „Ne, werd ich nicht. Da kannst du machen, was du willst. Und wie fühlst du dich, Herr Kommissar? Wie ist es, wenn einem bewusst wird, dass man die eigene Freundin nicht retten kann? Oh ja, du kannst nichts mehr für sie tun, ihr Schicksal ist schon lange besiegelt.“, bei den Worten weiteten sich ihre wunderschönen, braunen Augen, flehend blickte sie ihnen Freund an, doch auch dem stand die Hilflosigkeit im Gesicht geschrieben. Er wollte seine Freundin, seine einzige Liebe, retten, doch wie sollte er das machen? De Typ hatte sie in seiner Gewalt, ein falsche Schritt, sie würde sofort tot sein. „Bitte...“, seine vielleicht einzige Chance. „Verschone sie... bitte! Nimm mich, bring mich um, aber lass sie gehen... Sie hat es nicht verdient.“, er hatte seine Worte laut aussprechen wollen, doch mehr als ein Flüstern war es nicht geworden. „Und... Kommissar? Glaubst du ICH hab es verdient? Damals, als du mich in den Knast gebracht hast, meine Familie mich deswegen verlassen hat. Meine Frau, mein Sohn... mein ein und alles. Aber sie wollten mich nicht mehr sehen. Weißt du, wie ich mich gefühlt habe? Wie ich gelitten habe? Weißt du es? Oh nein, du kannst es ja nicht wissen... Du doch nicht. Unser Herr Superkommissar wurde ja nie von seiner Familie verlassen... Sein Leben war ja immer perfekt. Hach, dass ich nicht lache... Jetzt ist es zu spät. Das ist meine Rache, auch wenn es das Letzte ist, was ich tue, das ist es wert. Wie du mir, so ich dir! Kannst ja schon einmal Tschüss sagen.“, wieder fing Steinert an zu lachen, seine Augen funkelten vor Freude und dem Gelingen seine Rache. Seine PERFEKTEN Rache...
Ein Schuss erhallte, dann wurde es wieder still, nur noch das sachte Rauschen der Bäume war zu hören. „Viel Spaß noch, Kommissari!“, ein weiterer Schuss, Steinert hatte sich eine Kugel in den Kopf gejagt. „NEEEEIN!“, sofort lief der Kommissar auf seine Freundin zu, kniete sich zu ihr, nahm ihren Kopf in seine Hand. „Nein... bitte... tu mir das nicht an! Ich brauche dich doch! Es tut mir so Leid... bitte, du musst kämpfen.“, zitternd kramte er sein Handy hervor, im Vorhaben den Notruf zu wählen. Sie schaute ihm noch einmal in die Augen, ihr Körper zuckte unter den Schmerzen, welche die Kugel, die ihr Herz knapp verfehlt hatte, verursachte. „Ich... lie... be... di... dich.“, ihre Augen wurden schwer, alles war verschwommen. Verzweifelt versuchte sie, die Lider offen zu halten, auf einmal schien alles Licht verschwunden zu sein, sie merkte noch, wie er mit seine Hand vorsichtig über ihre Wange stich, versuchte sie zum kämpfen zu bewegen...
doch es war zu spät.


Teil 1:

„Robert? Zwei Leichen im Ostpark! Auf geht’s!“, genervt blickte dieser von seiner Fußballzeitschrift auf. „Mensch, warum müssen die Leute eigentlich immer nachts umgebracht werden? Als hätte ich um 22 Uhr nichts Besseres zu tun.“, grummelte er und sprang vom Sofa auf. „Hast du auch nicht“, kam es von seiner Kollegin, die schon halb in der Tür stand. Robert verdrehte nur die Augen, während er ihr zum Auto folgte. „Kann ich wenigstens fahren?“ Hoffnungsvoll blickte er Alex an Die grinste nur – und schüttelte den Kopf. „Nichts da! Die ganze Woche über bist du gefahren! Jetzt bin ich einmal dran.“ Und so fuhren sie letztendlich los in Richtung Ostpark.

„Und Doc? Was hast du?“, interessiert blickte Alex zu den beiden Leichen. Der eine, ein großer, kräftiger Mann, hatte seine Waffe noch in der Hand. Die Andere lag auf dem bauch, ihr Gesicht war nicht zu erkennen. „Nun ja. Sie wurde durch einen Schuss in Herz getötet – aus nächster Entfernung. Und er – ich denke es war Selbstmord. Hier“, er deutete auf den Kopf. „Er hat sich anscheinend eine Kugel in den Kopf gejagt.“ „Wissen wir schon, wer die Beiden sind?“, Robert wandte sich zu einem Kollegen, der gerade fleißig in einen Notizblock schrieb. Jetzt schaute er auf. „Der Herr ist ein gewisser Mark Steinert. Die Dame, das wissen wir noch nicht.“, Erschrocken blickte Alex den Kollegen an. „Mark Steinert?“, eine Nicken als Antwort. „Robert! Den Typen hat Gerrit in den Knast gebracht. Deswegen sah der mir auch so bekannt aus! Doc? Kann ich einmal kurz ihr Gesicht sehen?“, eine böse Vorahnung machte sich in ihr breit, als sie sich zu der Leiche hinunterkniete und diese vorsichtig drehte. „Robert! Das... Das ist Samanda Miller – Gerrits Freundin!“ Entsetzt blickten die andern sie an. Robert war der Erste der sich wieder fasste. „Was? Alex, jetzt echt? Das... Das ist Sammy? Die Sammy... von der Gerrit immer so toll erzählt?“ Alex nickte nur. „Wir... wir müssen Gerrit Bescheid sagen. Am besten machst du das jetzt gleich, ja Robert? Sag ihm... er soll ins Büro kommen, okay?“, als dieser Nickte und sich abwandte, fragte Alex einen Kollegen: „Wer hat die Leichen gefunden?“ Anstatt einen Namen genannt zu bekommen, deutete der mit der Hand zu dem Krankenwagen, der ein wenig abseits stand. Mit einem schlechten Gefühl machte Alex sich auf den Weg dorthin.

„Gerrit!“, erschocken schrie sie auf, als sie ihren Kollegen erblickte. Er sah schlecht aus, hatte tränenrote Augen, sein Gesicht wirkte seltsam eingefallen, er blickte in weite Ferne. Der Sanitäter, der sich um Gerrit kümmerte, drehte sich zu ihr um. „Was... was ist mit ihm?“, zögernd, leise fragte Alex die Frage, die ihr in diesem Moment durch den Kopf gegangen war. „Er hat wohl einen Schock. Wir werden ihn zur Untersuchung mit ins Krankenhaus nehmen. Ich denke es ist nicht Schlimmes und er wird morgen schon wieder raus können.“ „Kann ich kurz mit ihm reden?“ „Versuchen können sie es.“, mit den Worten verschwand der junge Sanitäter und ließ sie und ihren Kollegen allein.
Alex setzte sich zu ihm und nahm ihn ohne Worte in den Arm. Gerrit saß da und starrte in die Leere. Es schien, als wäre er völlig wo anders, und Alex konnte dies auch verstehen. Ab und zu merkte sie, wie ein Zucken ihn durchfuhr und manchmal hörte sie ein leises Schniefen. Minuten vergingen, ohne dass sich einer der Beiden auch nur einen Zentimeter bewegt hatte. Es schien als sei die Zeit stehen geblieben, das Geschehen um sie herum nahm Alex kaum noch wahr. Einmal kurz war Robert gekommen, schaute verbissen auf sein Handy und meinte: „Ich kann Gerrit einfach nicht...“, in dem Moment war sein Blick auf die Zwei gefallen. „Gerrit...“, entfuhr es ihm leise, doch seine Kollegin schüttelte nur den Kopf und so verschwand der junge Kollege genauso schnell, wie er gekommen war.

„Alex?“, leise, kaum hörbar, vernahm die Kommissarin ihren Namen. „Gerrit...“ Was sollte sie sagen? Wie sollte sie ihn aufmuntern? Hatte sie schon mal einen Kollegen trösten müssen. Klar hatte sie das... Aber nicht aus SOLCHEN Gründen. In diesem Moment wünschte sie sich, ihr würden Worte zufließen, sie würde irgendetwas wirklich Tröstendes sagen können. „Er hat... sie umgebracht... aus Rache... sie ist in meinen Armen gestorben... Alex... Sammy hat das nicht verdient!“, in dem Moment brach er wieder in Tränen aus, lehnte sich erschöpft an sie. „Sie hat... hat es nicht verdient!“, während seine Stimmte eben noch leise gewesen war, brüchig, als könnte sie jeden Moment versagen, wirkte sie in diesem Satz nur umso fester. „Ich weiß Gerrit... ich weiß... Es... es tut mir so Leid...“ Eigentlich waren diese Worte ja gelogen. Nein, sie wusste nichts, sie konnte nichts wissen. Schließlich hatte sie nie miterleben müssen, wie ihr Freund umgebracht wurde, es musste entsetzlich sein.

„Können wir?“, der junge Sanitäter schaute zu Alex, die Gerrit immer noch im Arm hielt. “Ehm... ich denke schon. Kann ich... kann ich vielleicht mitkommen?“, sie hatte zwar das Gefühl, den Sanitäter mit der Frage zu nerven, er verdrehte nämlich leicht die Augen, doch letzt endlich nickte er. „Wahrscheinlich ist es besser, wenn jemand mitkommt, dem Herr Grass vertraut.“ Langsam stand sie auf, darauf bedacht, Gerit nicht unnötig zu Erschrecken und verschwand kurz, um Robert Bescheid zu sagen. „Robert?“, sofort drehte sich der Angesprochene um, schaute zu ihr auf. „Wie... wie geht es Gerrit?“ „Nicht gut... er wird jetzt gleich ins Krankenhaus gebracht... Ich werde mit ihm fahren. Wer Sammy umgebracht hat... ist uns ja klar oder?“ Er nickte kurz, schon war sie wieder weg, wieder zurück zu Gerrit.


Teil 2:

Monate vergingen. Alles kehrte zum Alltag zurück – auch Gerrit. Doch er war nicht mehr der Alte, ging nicht mehr auf ihre Sticheleien ein, war meistens mit den Gedanken weit weg, wirkte irgendwie leer. Leer, als wäre alle Lebensfreude aus ihm gewichen. Am Anfang hatten sie sich um ihn gesorgt, hatten Angst gehabt um ihn, hatten ihm helfen wollen. Vor allem Alex war immer stets darum bemüht gewesen, doch auch sie war kein Stück an ihn herangekommen, Gerrit war ihr bei jedem Versuch ausgewichen. „Ich brauche keine Hilfe, Alex. Mir geht es gut“, hatte er gesagt, gelächelt, doch seine Augen hatten die Lüge sofort aufgedeckt. So wollte etwas erwidern, wollte ihm sagen, dass sie ihn durchschaut hatte, dass es doch besser war, wenn er Hilfe annahm. So konnte er nicht weitergehen. Doch sie blieb stumm, zögerte, doch er war schon verschwunden. Inzwischen hatten sie sich daran gewöhnt, inzwischen unternahmen sie keinen Versuch mehr, ließen ihn einfach in Ruhe. Jedes Mal, immer wenn er am Fenster saß, gedankenverloren in die Nacht blickte, immer wenn er auf das letzte gemeinsame Bild schaute, jedes mal wollte Alex aufschreien, wollte endlich was unternehmen. Doch alles blieb wie es war.

Heute war wieder so ein Tag. Gerrit saß auf dem Sofa, versteckte sich hinter einer Akte, tat so, als würde er arbeiten, doch sie alle wussten, dass das nicht stimmte, dass er in Gedanken wo anders war. Schweigend taten Michael und Alex so, als würden sie nichts bemerken, forschten am Computer oder durchsuchten die Akten. Wonach sie suchten, dass wussten sie selber nicht, doch sie wollten sich ablenken, wollten sich einmal keine Sorgen um Gerrit machen. Minute um Minute verging, ohne, dass einer der Drei etwas sagte, kein Laut war im Büro zu hören. Zwischendurch kamen Max und Andre mal rein, beobachtete kopfschüttelnd das Szenario und verschwand dann wieder duch die Türe, durch die sie auch rein gekommen waren. Irgendwann stand Michael auf, kochte sich einen Kaffee. „Wollt ihr auch?“, fragend drehte er sich zu den Beiden um, doch seine Frage war ehe an Alex gerichtet, denn er erwartete von Gerrit kaum eine Antwort. Sie nickte nur, ihr Kollege drehte sich wieder um, tat, als wäre er ganz vertieft in seine Aufgabe, seiner Kollegin einen Kaffee zu machen. „Bitte“, murmelnd reichte er ihr die Tasse und ließ sich auf seinem Schreibtischstuhl nieder. Warum war die Stimmung immer nur so tief, wenn ihr Kollege dabei war?
Plötzlich klingelte das Telefon und fast dankbar nahm Alex den Anruf an. „Rietz.“ Schweigend hörte sie zu, verabschiedete sich dann und wandte sich an Michael: „Einsatz ruft. Im Wald wurde eine weibliche Leiche gefunden.“, sie sprang schon auf, wollte das Büro verlassen, doch Michael hielt sie noch zurück. „Sorry Alex. Ich kann nicht mitkommen. Hab gleich einen Termin mit dem Staatsanwalt... Musst du wohl Gerrit mitnehmen.“ Leise fügte er noch hinzu: „Tut mir Leid“, denn er wusste, dass Alex ihrem zweiten Kollegen liebe aus dem Weg ging, und er konnte sie irgendwie verstehen. „Komm schon, Gerrit.“ Fast schon erschrocken blickte dieser auf, er hatte dem vorangegangenem kaum oder eigentlich gar nicht gelauscht. „Wa – Was?“ genervt verdrehte Alex die Augen. „Du passt aber auch nie auf, was? De Einsatz ruft.“, dann verschwand sie aus dem Raum. Mit einem geflüstertem „Sorry“ stand der Kommissar auf und verließ ebenfalls das Büro, um Alex zu folgen.

Fragend schaute Gerrit die Kollegen an. Alex war schon einmal den Zeugen befragen, der die Leiche gefunden hatte. „Alicia Stein, 16 Jahre alt.“, de Polizist hatte sofort gewusst, was Gerrit wissen wollte. Doktor Alsleben hatte Recht: die letzten Wochen hatte ihn keiner mehr zum Einsatz mitgenommen, diesmal hatte Alex es ja auch nur widerstrebend getan, aber es war ihm immer recht gewesen, Er wollte von ihnen einfach in Ruhe gelassen werden – und so hatte es ja prima funktioniert, fand er zumindest. „Ja... Hallo.“ Kurz blickte er zu Leiche. Das junge Mädchen, „saß“ auf dem Boden, den Rücken an einen Baum gelehnt. In der rechten Hand hielt sie ein kleines Messer, blut bespitzt – trocknes Blut. De linke Arm hing schlaff herab, er war rot, das Blut war am Handgelenk hinab gelaufen und auf den Laubboden getropft. „Und?“, ein einziges Wort kam ihm über die Lippe, doch der Doc wusste ja, was er meinte. „Na ja“, antwortete er jetzt. „Sie hat sich die Pulsadern aufgeschlitzt, daran ist sie verblutet. Da die Leichenstarre schon voll ausgeprägt ist, denke ich, dass ihr Tod vor circa 4 Stunden – also um 6 Uhr – eingetreten ist. Genaueres...“ „Kannst du mir erst nach der Obduktion sagen“, vollendete Gerrit den Satz. „Was denkst du? War es Selbstmord oder doch Mord?“ „Hm...“, einen Moment lang schaute der Doc grübelnd auf die Leiche. „Ich denke es war Selbstmord. Schlimm, was? In so jungen Jahren.“ De Kommissar nickte nur zustimmend. „Danke.“, damit wandte er sich ab und ging zu einem der SpuSi. „Und? Habt ihr was?“ Ohne etwas zu sagen, reichte der Polizist ihm einen Plastikbeutel, in dem sich ein Zettel befand. Forschend blickte Gerit zu dem Mann und als der nickte, zog er das Blatt aus dem Beutel. Da er schon Gummihandschuhe an hatte, würde er keine Spuren darauf hinterlassen. Neugierig öffnete er das Papier und find an die fein säuberlichen Zeilen zu lesen.




Liebe Mama, lieber Papa.

Wenn ihr diese Zeilen jetzt lesen müsst, dann tut es mir Leid. Ich will euch keinen Kummer bereiten, obwohl ich weiß, dass ich das tue, in dem Moment, in dem ich das Messer in die Hand nehme. Und auch das tut mir Leid. Aber es gibt keinen anderen Ausweg. Denkt jetzt bitte nicht: Doch den hätte es gegeben, denn du hättest mit uns reden können, wir hätten dir geholfen. Selbst wenn ich das getan hätte, es hätte keinen Unterschied gemacht. Ich will euch jetzt erklären, warum, auch wenn ihr es wohl nicht verstehen werdet – wie so vieles, dass ihr nie verstanden habt. Rico. Wir waren füreinander bestimmt. Er war der einzige für mich, ich habe ihn so sehr geliebt. Damals, da war er mir die wichtigste Person auf der Welt – für viele Augenblicke sogar wichtiger als ihr, auch das tut mir Leid. Wir haben alles geteilt und er war immer für mich da, um mir Halt zu bieten. Klar, ihr habt es nicht so wahr genommen, habt gedacht, in ein paar Wochen oder Monaten hätte ich einen Neuen, wie schon so oft. Doch es war nicht so, Mir ist bewusst geworden, dass ich mit Rico mein Leben verbringen wollte. Bis zu dem Tag, als er umkam. Warum musste das Auto seinen Roller auch streifen? An dem Tag ist mein Leben zusammen gebrochen. Ihr habt es nicht verstanden, ihr habt nicht verstanden, was Rico mir bedeutet habt. Ihr dachtet wohl. Die kriegt sich wieder ein und alles wird gut. Doch wie soll alles wieder gut werden, wenn die Person, die man liebt nicht mehr existiert? Warum sollte man das weiterkämpfen? Warum? Er war alles für mich – und für unser Kind. Wir hätten zusammen ein Kind bekommen! Ein Kind. Ich bin doch noch viel zu jung dafür. Mir Rico hätte ich es geschafft, mit Rico hätte ich es geschafft, das Kind groß zu ziehen. Alleine nicht. Ich bin mir da ganz sicher. Mama, Papa, es tut mir Leid, aber ich muss wieder mit Rico zusammen sein. Ich weiß, dass er da irgendwo wartet, auf mich wartet. Und zusammen zeihen wir dann das Kind groß. Es tut mir Leid

Lieb euch!
Alicia

Sammy. Gerrit musste ein Zittern unterdrücken, unwillkürlich stiegen Tränen in ihm auf. Schnell reichte er dem Polizisten den Abschiedsbrief und trat ein paar Schritte zur Seite. Plötzlich erschöpft lehnte sich der Kommissar an einen Baum, schloss verzweifelt die Augen. Sammy. Auch sie war schwanger gewesen, er wäre jetzt bald Vater geworden. Doch Steinert hatte sie umgebracht. Ein Schuss erhallte, dann wurde es wieder still, nur noch das sachte Rauschen der Bäume war zu hören. „Viel Spaß noch, Kommissari!“, ein weiterer Schuss, Steinert hatte sich eine Kugel in den Kopf gejagt. „NEEEEIN!“, sofort lief der Kommissar auf seine Freundin zu, kniete sich zu ihr, nahm ihren Kopf in seine Hand. „Nein... bitte... tu mir das nicht an! Ich brauche dich doch! Es tut mir so Leid... bitte, du musst kämpfen.“ Warum hatte er sie nicht retten können? Warum nicht? Vielleicht... vielleicht hatte Alicia die richtige Entscheidung getroffen. Vielleicht war diese Entscheidung tausend mal besser als die Schmerzen in der Brust, immer wenn man an die große Liebe dachte, die Schmerzen, die sich mit jedem Herzschlag bemerkbar machen, mit jedem Herzschlag verdeutlichen, dass man hier nicht hingehört, dass man zu ihr will. Vielleicht... Schnell öffnete er die Augen, versuchte das Bild von Sammy zu verdängen – und blickte in das besorgte Gesicht des Doc. „Alles klar?“, fragte er sofort. „Was?... Es... geht schon wieder... Ich...Ach egal. Ich... ich muss dann mal.“, schon verschwand er, nur verdutzte Gesichter blieben zurück, als er durch den Wald, aufs Auto zu, versuchte, die aufsteigende Verzweiflung zu kontrollieren.


Kapitel 3:

Kurz nachdem Gerrit verschwunden war, kam Alex zum Doc und den Kollegen von der SpuSi. Sie alle waren hier jetzt fertig und packten zusammen, um dann gleich wieder abzuhauen. „War Gerrit schon hier?“, er sollte eigentlich noch hier sein und Alex wunderte sich, wo er hin war. „Ja, schon. Aber nachdem er den Abschiedsbrief gelesen hatte, war er auf einmal so komisch drauf und ist dann plötzlich weggerannt. Wir haben uns schon gewundert, weil er nicht auf dich gewartet hat. Das war vor circa 10 Minuten.“ Immer noch fragend schaute Alex den Kollegen an. „Abschiedbrief? Darf...darf ich mal sehen?“ der Polizist reichte ihr den Beutel. Schnell fischte sie den Zettel raus und überflog die Zeilen. Plötzlich zeichnete sich in ihrem Gesicht Panik ab, aber nur kurz, dann hatte sie sich wieder gefasst. „Was ist denn heute mit euch los? Kann mir mal bitte einer erklären, was an diesem Zettel so Schlimmes dran ist?“, forschend blickte de Doc zu Alex. Doch die schüttelte nur den Kopf und lief ebenfalls mit einem „Erklär ich dir später“ in Richtung. Woher auf einmal diese Angst kam, verstand Alex selber. Irgendwie hatte sie ein ungutes Gefühl, Dieser Zettel, sein Inhalt, Gerit. Die Gedanken überflogen sich. Er hatte doch nicht vor... nein, wie kam sie nur darauf? Er würde sich doch niemals... Doch sie konnte ihn schon lang nicht mehr einschätzen, konnte schon lang nicht mehr sagen was in ihm vorging. Und der Zette musste definitiv etwas in ihm ausgelöst haben – und er hatte ihn wahrscheinlich an Sammy erinnert. Der Weg zum Auto schien auf einmal dreimal so lang zu sein – sie hatten ihr Auto, wie die anderen auf, etwas weiter abstellen müssen, da man mit dem Wagen nicht in den Wald konnte und durfte. Alex konnte nur hoffen, dass ihre Ängste sich nicht bestätigten, doch irgendwie zweifelte sie daran. Sie kante Gerit doch schon lange genug und sie war sich sicher, dass der Brief, das was in ihm geschrieben stand, etwas in ihm ausgelöst hatte, und sie war sich auch sicher, dass es zu spät sein würde, wenn sie sich nicht beeilte.

Vielleicht hatte sie Recht, vielleicht hatte Alicia Recht, als sie sagte, es wäre der einzige Ausweg. Und vielleicht, vielleicht war es auch der einzige Ausweg für ihn. Konnte es sein? Hatte sei das richtige getan? Und tat er das Falsche, in dem er hier saß, sein Leben absaß, doch an nichts mehr eine Freude hatte? War ein einsames Leben nicht schlimmer als gar keins? Klar, er würde Alex verletzten und Micha und vielleicht auch Robert, doch außer seinen Kollegen hatte er doch kaum noch Personen hier, die ihm viel bedeuteten. Seine Mutter, Sammy... alles waren sie tot, hatten ihn allein gelassen. War das sein Schicksal? Sollte es so enden? Gerit spürte seinen Griff um die Waffe, er hatte sie in der Hand, drehte sie unruhig hin und her. Irgendwie war er sich sicher, dass das hier die beste Lösung für sein Problem war. Früher hatte er immer gesagt und gedacht, es gäbe für jedes Problem eine Lösung – eine Lösung die besser war als Selbstmord. Doch dieser Gedanke war gewichen, hatte sich ausradiert, in dem Moment, als er den Brief gelesen war. Eine Bewegung, die Waffe war geladen. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen, genoss noch einmal sie Stille, die ihn umgab. Dann öffnete er sie wieder – und sah, wie Alex auf ihn zu gerannt kam. Schnell packte er die Waffen wieder weg und schaute abwesend aus dem Fenster.

Keinen Moment später öffnete Alex die Beifahrertüre und ließ sich auf dem Sitz nieder. „Gerrit... ich... du... ich... „, mehr brachte sie nicht über die Lippen. Er schaute ihr ins Gesicht und sah ihre Angst, die sie gehabt haben musste, Angst um ihn. Dann aber verschwand diese und wandelte sich in Erleichterung. „Ich hatte so Angst um dich.“, schließlich hatte sie doch ausgesprochen, was ihr auf dem Herzen lag. „UM mich? Warum?“, er versuchte überrascht zu wirken, sie hatte ihn also schon lange durchschaut. Beschämt blickte er wieder aus dem Fenster, starrte auf ein paar Fußgänger, die am Waldrand entlang gingen. Wofür schämte er sich? Für seine Gedanken, für seinen Entschluss? Nein, er schämte sich dafür, dass Alex Angst hatte, Angst um ihn, obwohl es doch schon so gut wie zu spät war. Schließlich hatte er einen Entschluss gefasst und er würde ihn durchziehen – frühe oder späte. „Ich... Der Brief... und dann die Kollegen... die meinten, du wärest ohne Grund weggerannt... Ich hab schon gedacht du... Bitte Gerrit... Das mit Sammy...“, Sammy. Für einen Moment schien die Welt stehen zu bleiben, ihr Name, ihr Gesicht, eine Flut von Gefühlen über kam ihn. „.. Leid.... Bitte, Gerrit... wir wollen dir doch helfen.... und ich... ich dachte, dass du... dass du dich umbringen wolltest...“, die letzten Worte kamen so leise, dass er sie kaum verstehen konnte. „Umbringen?“, sie hatte ihn durchschaut. Wie immer. Alex durchschaute ihn immer. Sollte er ihr die Wahrheit sagen? Er wollte sie doch nicht verletzten... nicht Alex. Kaum merklich nickte sie. „Alex... Hör zu“, seine Stimme war brüchig, würde er sie tatsächlich anlögen? „das... das käme für mich niemals in Frage... ehrlich.... du... du kennst mich doch.“

Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, wandte Alex sich von ihm ab. „Nein“, schon wieder flüsterte sie, wollte die Worte eigentlich nicht sagen, wollte diesem Gespräch entfliehen. „Ich kenn dich nicht. Nicht mehr... nicht mehr, seit dem Tag.“ Sie hatte doch Recht.. Keiner kante ihn mehr. Keiner, der mal gedacht hatte, ihn zu kenne, keiner wusste mehr, was in ihm vorging. Es ließ ja auch keinen mehr an sich ran. „So ist das also...“, sie hörte, wie seine Stimme zitterte, sie war brüchig, es klang, als würde er gleich anfangen zu weinen. „Du hast Recht.“ Jetzt drehte Alex sich wieder zu ihrem Kollegen. Forschend schaute sie ihm ins Gesicht. Auch er schaute sie an, er hatte tatsächlich Tränen in den Augen. „Alex... Es tut mir Leid. Ich... ich weiß, dass mein Verhalten in den Monaten alles andere als gerecht war – gerecht euch gegenüber. Es tut mir Leid... Aber irgendwie.... Ich komm über ihren Tod einfach nicht hinweg. Ich liebe sie doch... Kannst du dir das vorstellen? Kannst du dir vorstellen, wie sehr ich sie geliebt habe? Ich wollte es euch doch nicht so sehr spüren lassen... doch ich konnte nicht anders.“ Beschämt wandte er sich wieder von ihr ab, eine Träne kullerte über sein Gesicht. „Gerrit...“, sie wusste nicht was sie sagen sollte – und nahm ihren Kollegen einfach in den Arm. Ein paar Minuten saßen sie da, regungslos, Alex gab ihm Kraft, während er am ganzen Körper zitterte und ihr immer wieder beteuerte, dass sein Verhalten ihm Leid täte. „Ist schon gut, Gerit... Ist schon gut.“, sagte sie dann nur. Irgendwann rafften sie sich dann endlich auf und fuhren ins Richtung Büro.
 

Fortsetzung vom 11.08.09

Kapitel 4:

Auf der Fahrt war es still – zu still? Es herrschte eine Spannung zwischen ihnen, eine Spannung, die aufgelöst werden wollte. Doch wie? Sie Beide wollten was sagen, die Atmosphäre auflockern, doch da keinem ein gescheite Thema einfiel, schwiegen sie einfach weiter – die ganze Fahr über. Kein Satz, kein Wort, keine Silbe, nur Gedanken, die niemand hören sollte, Angst, Verzweiflung, Ungewissheit. Und Sorgen – Alex‘ Sorgen. Nein, kein kleiner Funke, den sie einfach aus dem Kopf hätte streichen können, nein, gewaltige Sorgen, Sorgen, die nicht einmal Gerrits Worte hatten beruhigen können, Sorgen die mit dem Zettel, mit dem Abschiedsbrief gekommen waren. Sie hatte Angst, Angst, dass Gerrits Worte doch nichts stimmten, dass es doch für ihn in Frage kam, dass er darin den besten Weg sah. Dass er sich eine Lüge einredete und sich nicht im Geringsten der Konsequenzen bewusst war. Dass… Sie wollte nicht weiterdenken – Gerrit würde sie doch niemals anlügen. Sie vertraute ihm – und er ihr. Zumindest hatte sie das bis jetzt geglaubt. Früher war es so gewesen… Früher… Es hatte sich jedoch viel verändert, vieles war anders… Und vielleicht – vielleicht war damals, als Sammy gestorben war, vielleicht hatte das den Unterscheid gemacht. Gerrit war seitdem nicht mehr der Selbe, der Gerrit, den sie alle gekannt, der ihnen so ans Herz gewachsen war, der Gerrit war verschwunden, damals in der eine Nacht – und vielleicht mit ihm auch sein Vertrauen. Vielleicht, so schoss es ihr durch den Kopf, ist es doch was ganz anderes: Vielleicht wollte er sie einfach nur nicht enttäuschen. Kaum merklich schüttelte Alex den Kopf, wollte dieses ständige „vielleicht“ aus ihrem Kopf verbannen, wollte wissen was los war, die Wahrheit wissen, doch leider konnte sie ja nicht in Gerrit Kopf blicken.

Auch Gerrit war in Gedanken versunken. Er dachte immer noch über diese „Möglichkeit“ nach, seinem Kummer ein Ende zu bereiten, irgendwie schien ihm dieser Gedanke nicht mehr aus dem Kopf. Versucht hatte er es, hatte es sich ausschlagen wollen, nachdem er Alex Reaktion eben gesehen hatte. Sie hatte es schon erraten gehabt und er hatte ihre Angst spüren können – ihre Angst, ihn zu verlieren. Er hatte sie gespürt und hatte sich gehasst für sein Vorhaben, dass so viel Kummer bereiten würde. Ihm war sofort klar geworden, dass sein Handeln Konsequenzen haben würde, dass er der wahrscheinlich falscheste Weg überhaupt war – er wollte seinen Kollegen nicht den Kummer bereiten, den er in den letzten Monaten selbst durchlebt hatte. Und doch, er konnte sich die Gedanken nicht austreiben, sie waren fest verwurzelt – und aus einem anderen Blickwinkel wirkte doch alles richtig. Er wollte diese Schmerzen nicht mehr ertragen, er wollte einfach einen Schlussstrich ziehen. Und irgendwie sah er dafür nur eine Möglichekeit…

„Und? Was gibt’s?“, interessiert blickte Michael von seinem Berg Akten auf, als die beiden Kommissare den Raum betraten. Schulterzuckend ließ Alex sich auf ihrem Stuhl nieder. „Naja… so wie es aussieht… Selbstmord… Keine Anzeichen von Fremdeinwirkung.“ Stirnrunzelnd musterte Michael seine Kollegin, irgendwie schien sie abwesend, in Gedanken versunken – genauso Gerrit, mal wieder. „Sonst noch was?“ Alex schüttelte nur den Kopf, doch Michael konnte erkennen, dass sie irgendwas bedrückte. Er würde sie gleich darauf ansprechen, wenn sie mal unter sich waren. Auf diesen Augenblick musste er noch nicht einmal so lange warten. Nach circa einer halben Stunde stand Gerrit nämlich zögernd auf und wandte sich ihnen kurz zu. „Ich… ich muss mal kurz weg… Muss noch was nachschauen… Bis… bis gleich.“, dann war er auch schon durch die Türe verschwunden. „Alex?“, fragend schaute diese auf. „Ich.. Was ist noch passiert? Da war doch noch was, oder?“ Innerlich zuckte Alex zusammen, als Michael diese Frage stellte. Klar, ihr war bewusst gewesen, dass Michael darauf kommen würde, doch dass es SO schnell ging, damit hatte sie nicht gerechnet. War sie wirklich so leicht zu durchschauen?

„Michael… Ich… Ich habe Angst…“ , schnell unterbrach sie sich selber. Ihre Angst war doch vollkommen unbegründet… Gerrit… er hatte sie schon nicht angelogen.. sie vertrauten sich doch! ‚Mensch Alex, warum? Musst du dir das denn immer noch einreden? Warum? Du hast dir das doch eben schon überlegt… Du bist dir doch gar nicht mehr sicher… Erzähl es Michael, das ist das Beste, das du machen kannst!‘, musste sich jetzt ihr inneres Ich einmischen? Immer, wenn sie sich versuchte etwas einzureden funkte es dazwischen. Alex musste über diese Ironie lächeln. Nur ganz kurz, dann war sie wieder ernst. „Wovor?“, Michael hatte einen kurzen Moment gewartet, hatte Alex die Chance geben wollen, von selbst weiterzuerzählen. Wenn sie Angst hatte, dann war es meistens berechtigt, dass hatte sich in den letzten Jahren, in denen sie zusammen gearbeitet hatten, wohl oder übel gezeigt. „Wovor? Nicht Wovor… Um wen trifft es besser… Michael.. Ich hab Angst um Gerrit…“Wortlos stand ihr Kollege auf und nahm sie in den Arm. „Alex… willst du nicht erzählen was passiert ist? Auf mich hat er einen normal Eindruck gemacht – also.. für seine Verhältnisse..“ Leise fing Alex an zu berichten, darüber, was eben vorgefallen war und warum sie Angst hatte. Nachdem sie fertig gesprochen hatte, hielt Michael sie immer noch im Arm. „Hey… Wir schaffen das… und wir werden Gerrit helfen… irgendwie!“, seine Worte gaben ihn wieder Kraft und Alex wusste, dass sie Gerrit würden helfen können, wenn Michael das sagte… irgendwie.


Kapitel 5:

Gedankenverloren blickte Gerrit aus dem Fenster des Büros. Er war allein, Alex und Michael waren kurz zum Doc gefahren, um die Bestätigung zu erlangen, dass es sich um einen Suizidfall handelte. Sonst war auch keiner da… Noch einmal schaute Gerrit auf seinen Zettel herunter… Wie lange hatte er an diesem Brief gesessen? Die ganzen letzten Stunden, natürlich hatte er noch mal und noch einmal darüber nachgedacht, doch irgendwie war er sich sicher gewesen – er musste es tun. Er musste es jetzt tun. Jetzt – oder nie. Langsam ließ er sich auf Alex‘ Schreibtischstuhl nieder. Alex… Er würde sie wohl verletzten… Doch sie wusste nicht wie er sich fühlte, keiner von ihnen hatte eine Ahnung. Keiner… Langsam griff er nach seiner Waffe, fühlte den Griff in seiner Hand, fest, entschlossen griff sie nach ihm, ließ ihn nicht mehr los. Ein kurzer Handgriff und sie war geladen. Eine Kugel, eine einzige Kugel und alles würde vorbei sein. Für immer.

Michael hatte sich noch einen Kaffee holen wollen, weshalb Alex schon einmal vorausgegangen war. Die Türe vom Büro war angelehnt gewesen, leise hatte sie sie geöffnet und war erschrocken stehen geblieben, nicht fähig, sich zu bewegen. Sie wollte, sie konnte nicht glauben, was sie sah. Sie wollte schreien, wollte ihn aufhalten – doch kein Wort kam über ihre Lippen. Hatte sie es nicht gewusst? Warum hatten sie nicht besser aufgepasst, in den letzten Stunden? Gerrit bemerkte sie nicht, in Gedanken versunken, spielte er mit der Waffe in seiner Hand. Noch einmal schaute er aus dem Fenster, hatte Alex den Rücken, hörte nicht, wie sie mit leisen Schritten auf ihn zu kam. Dann drehte er sich wieder um, starrte hinunter auf den Zettel. Fest klammerte sich seine linke Hand an dieses Stück Papier, während er die rechte langsam an seinen Kopf führte.

Müde schloss er die Augen, ließ sein Leben noch einmal an sich vorbeiziehen. Seine Mutter würde ihn wohl für das, was er vorhatte hassen, aber sie war ja tot – erschossen. Seine Mutter, sie war großartig gewesen, sein Vorbild – in jedem Bereich. Wie oft war sie ihm zur Seite gestanden, hatte ihm geholfen, wieder aufzustehen, egal wie tief er gefallen war? Wie oft hatte sei sein Wohlergehen vor ihres gestellt? Ja, sie war die beste Frau gewesen, die er gekannt hatte. Und dann schweiften seine Gedanken zu Sammy. Musste er eigentlich jeden verlieren, der ihm was bedeutete? Auch Sammy war erschossen worden, aus Rache. Wäre er nie Polizist geworden, dann würde sie noch leben, genauso wie seine Mutter. Andererseits: Wäre er nicht Polizist geworden, dann hatte er Sammy nie kennen gelernt. Und was war mit Micha und Alex? Oder Robert? Auch sie wären ihm fremd gewesen, seine besten Freunde. „Es tut mir leid.“, flüsterte er, während sich sein Zeigefinger am Abzug anspannte, um gleich abzudrücken. Noch einmal sog er die Luft um sich herum ein, schaute noch einmal auf das Bild vom ganzen Team, das Alex auf ihren Tisch gestellt hatte, dann schloss er die Augen.

Er hatte sie immer noch nicht bemerkt, obwohl sie doch direkt hinter ihm stand. „Es tut mir Leid“, hörte sie ihn flüstern, dann wollte er abdrücken. Vorsichtig legte Alex die Hand auf seine Schulter, wollte ihn aufhalten. „Warte… nur einen Augenblick.“ Gerrit rührte sich nicht, doch Alex spürte, wie sich seine Muskeln entspannten. Langsam ließ er die Waffe sinken, legte sie auf den Tisch. „Was?“, in seiner Stimme, leise und brüchig, konnte man die Tränen, die Trauer, den Schmerz hören, die sein Leben in den letzten Monaten geprägt hatten. „Ich… ich kannte mal jemanden, er war mein bester Freund, der hat sich von so etwas nicht unterkriegen lassen.“, während ihrer Worte war sie ans Fenster getreten und blickte in die schwarze Nacht. „…nicht einmal vom Tod seiner Mutter. Er hat immer weiter gekämpft und ist wieder aufgestanden, wenn etwas schief gegangen war. Willst du jetzt einfach so aufgeben?“
„Ich hab gekämpft… Ich hab doch gekämpft…“ Plötzlich stand er neben ihr, ohne dass sie ihn hatte aufstehen gehört. Sie spürte, wie seine Hand die Ihre suchte, und so nahm sie sie, um ihm wenigstens ein bisschen Halt zu geben. „Was soll ich denn machen, Alex?“ Er schaute sie nicht an, blickte nur nach draußen ins schwarze Nichts.
„Du… du hast die Wahl. Wenn… Wenn du gekämpft hast und wenn… wenn du meinst, dass das wirklich der einzige Ausweg ist, dann…“, ihr viel es schwer, diese Worte zu sagen, doch wahrscheinlich war es die einzige Möglichkeit, ihm diese Sache auszureden. „… dann tu es ruhig. Wir.. wir können dich nicht aufhalten… es ist… es ist deine Entscheidung Wir...ich werde dich vermissen. Aber Gerrit… wenn es da irgendeine Chance gibt… ein winziger Funken Hoffnung… und sei es nur ein Kaffee am frühen Morgen… oder das Spiel deiner Lieblingsmannschaft…“, ihre Stimme wurde ein bisschen leiser. „Oder wenn es nur deine Freunde, deine Kollegen sind… denkst du nicht, dass dieser Funken es wert es, für ihn zu leben?“

Ihre Worte hatten ihn berührt. Ja, irgendwie hatte sie schon Recht. In diesem Moment spürte der Kommissar, dass er sich nun nicht mehr einreden konnte, sein Vorhaben wäre gut, wäre das Richtige. Während er aus dem Fenster starrte, Alex‘ Hand die Seine drücken fühlte, kamen ihm die Tränen. Was hatte er sich nur gedacht? War ihm denn wirklich egal gewesen, wie seine Kollegen, seine Freunde, sich fühlen würden, wenn er sie einfach so im Stich ließ? Eine plötzliche Verzweiflung überkam ihn, langsam ließ er sich an der Wand entlang zu Boden gleiten. Den Kopf gegen die verschränkten Arme gelehnt, ließ Gerrit seinen Emotionen freien Lauf. Alex kniete sich zu ihrem Kollegen und nahm ihn erst mal in den Arm. „Was.. was soll ich denn jetzt tun?“
„Ich weiß es nicht… Aber Gerrit? Ich.. Wir alle werden für dich da sein! Wir werden das schaffen – zusammen… Genauso wie früher! Glaub mir, wir schaffen das!“, ihre Worte gaben Gerrit Mut und für einen Augenblickt schien es wirklich Hoffnung zu geben, Hoffnung auf ein Leben – ohne Sammy.


Epilog:

Glücklich kniete Gerrit sich an das Bett und schaute zu dem kleinen Kind, dass friedlich an der Brust seiner Mutter schlief. „Sie… sie ist so wunderschön… Hannah.. du… du hast mich zum glücklichsten Mann auf der Erde gemacht.“ Er kam ihn näher und gab ihr einen zärtlichen Kuss. „Ist sie nicht…“, wollte Hannah ansetzen, doch Gerrit legte ihr sanft den Zeigefinger auf den Mund und flüsterte. „Sie ist etwas ganz Besonders. Genau wie ihre Mutter.“ Kurz sprang er auf, natürlich darauf bedacht, seine Tochter nicht aufzuwecken, und holte sich einen Stuhl „Hannah?“, fragend blickte sie ihn an. „Ich… ich hab eine Bitte.“
Sie grinste, dann antwortete sie: „Mal schauen… Kommt drauf an was.“
„Naja… Ich… ich möchte sie Samanda nennen… Du weißt… ich hab sie geliebt.. mehr als mein Leben… und dann hat sie ihr Leben für mich gelassen… für mich… Das ist das Mindeste, was ich für sie tun kann…“
Hannah verstand, was er meinte. Damals, als sie sich kenne gelernt hatten, vor ungefähr vier Jahren, ging es Gerrit nicht gut. Alex hatte sie mit ihm bekannt gemacht – und sie hatte ihr auch vom Geschehenen erzählt. Inzwischen… Inzwischen waren sie verheiratet – und hatte ein Kind. „Und?“, hörte sie Gerrit fragen.
„Also… ich hab damit kein Problem. Ich find den Namen total schön und wenn ich so bedenke: Irgendwie passt er auch zu ihr.“ Sie grinste und auch er musste lächeln. Müde schloss Hannah die Augen.
„Soll… soll ich dich in Ruhe lassen?“, Gerrit hatte auch gemerkt, dass sie schlafen wollte. Die junge Frau schüttelte nur den Kopf. „Bleib noch“, flüsterte sie, ohne dabei die Augen zu öffnen
„Alles was du willst.“, während der Worte nahm er ihre Hand und drückte sie glücklich. „Danke.“
Eine ganze Weile saß Gerrit da und schaute ihr beim schlafen zu. Erst als er sich sicher war, das Beide tief und fest schliefen, stand er auf und trat aus dem Raum

„Alex.“, die Kommissarin schaute auf, als sie ihren Namen vernahm. „Gerrit! Was… was machst du denn hier? Ich dachte du bist bei Hannah!“ Verlegen kratzte dieser sich am Kopf. „Ja, war ich grade auch.“
„Und?“
„Die Kleine… sie ist so süß…Kaum zu glauben…“, Als Gerrit ihr in die Augen blickte, konnte sie ein Funkeln, in den Seinen sehen, ein Funkeln, das lange Zeit verloren schien. Auch wenn es nun schon mehr als 4 Jahre zurück lag, konnte Alex sich noch genau an den eine Tag erinnern. Und Gerrit wohl auch.
„Alex? Danke.“
„Wofür?“, eigentlich war es Alex klar, was er meinte, doch sie wollte es noch einmal aus seinem Mund hören.
„Für damals. Ohne dich… wäre ich wohl jetzt nicht mehr hier… Danke. Du hast so viel für mich getan… Dafür will ich mich bedanken...“ Wortlos stand Alex auf und nahm Gerrit in den Arm. „Kein Problem“
Als sie sich lösten, stand Gerrit leicht verlegen da. „Ich.. ich fahr dann mal zurück, ja? Oder braucht ihr mich noch?“ Kaum dass Alex den Kopf geschüttelt hatte, stand der Kommissar auch schon in der Türe. „Tschau, Alex. Wen.. wenn du willst, kannst du ja nachdeiner Schicht mal vorbei kommen – und Samanda sehen.“, dann war er auch schon weg. Mit einem Lächeln im Gesicht ließ Alex sich wieder auf ihrem Stuhl nieder. Samanda? Sie hatten das Kind also nach Gerrits früherer Freundin benannt? Vielleicht.. vielleicht war das ja wirklich eine gute Idee…

Noch während Alex wieder Akten bearbeitete und Gerrit auf dem schnellsten Weg in Richtung Krankenhaus fuhr, reckte sich dort die kleine Samanda und kuschelte sich gemütlich an ihre Mutter, im Wissen, eine behütete Kindheit zu erleben – bei tollen Eltern.

Ende




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