Freundschaft?
 
1.
 
Gegenwart – Teil 1
 
Gerrit lag auf seitlich einen harten Betonboden im Keller eines verlassenen Fabrikgebäudes. Jemand hatte ich seltsam gefesselt hier liegen gelassen. Aus einer kleinen aber doch heftigen Kopfwunde floss immer noch Blut hervor. Nicht mehr soviel, wie anfangs, aber doch noch so, dass sich die Blutlarche unter seinem Kopf immer mehr ausbreitete.
 
Langsam kam er wieder zu sich. Er bliebt eine Weile einfach mit geschlossenen Augen liegen. Als er seine Augen langsam öffnete, nahm er seine seine Umwelt erst nur leicht verschwommen wahr und merkte verwirrt, dass neben den gewaltigen Kopfschmerzen, die ihn plagten, auch sonst etwas nicht stimmte. Er versuchte sich zu bewegen, aber das ging nicht wirklich. Neben den zahlreichen Schmerzwellen, die von unzähligen Stellen seines Körpers ausgingen, fühlte er als Erstes, dass seine Arme hinter seinem Rücken festgebunden waren.
 
Als er versuchte, seine ebenfalls zusammengebundenen Beine, die angewinkelt waren, gerade zu strecken, weil die sich langsam verkrampften, merkte er geschockt sofort, dass dies dazu führen würde, dass er sich selbst strangulierte. Jemand hatte ein Seil, dass er nun schmerzhaft an seinem Hals spürte, ziemlich kurz mit seinen Händen und diese mit seinen Füßen verbunden. Deshalb lag er also mit angewinkelten Füßen hier. Schnell unterband er all seine Versuche, seine Beine auszustrecken.
 
Gerrit versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Langsam erinnerte er sich dran, was geschehen war. Er wohl ´ne Weile weg gewesen?Aber wie lange? Zwei oder drei Stunden, oder womöglich auch noch länger? Wem er diese teuflische Vorrichtung zu verdanken hatte, wusste er natürlich. Karl, Michaels Ausbilder und einem seiner besten Freunde.
 
Wenn man im K11 erst mal merkte, dass er nicht wie abgesprochen zur Abschlussbesprechung und zu der anschließend angesetzten Feier in der Kantine kam, dann würden seine Kollegen ihn sicherlich sofort suchen. Aber die anfängliche Hoffnung, die sich in ihm breit machte, schwand, nachdem Gerrit wieder der großer Streit mit Michael vor zwei Tagen in den Sinn kam. Karl würde Michael schon raffiniert einlullen, die würden gar nicht erst nach ihm suchen. Oder ob Alex ihn wenigstens suchen würde? Aber vielleicht vermissten sie ihn ja auch gar nicht.
 
Er hatte das Gefühl, dass sein ganzer Körper eine einzige Wunde war, alles tat ihm weh. Karl hatte ganze Arbeit geleistet. Das musste er ihm schon lassen. Warum er ihn nicht gleich totgeschlagen hatte, war ihm ein Rätsel. Wahrscheinlich wollte er es wie einen Mafiamord aussehen lassen, um so nicht in Verdacht zu geraten. Und Michael, von dem er einmal geglaubt hatte, dass er sein bester Freund war, würde ihm das vermutlich auch noch abnehmen. Oder?
 
 
2.
 
Gegenwart – Teil 2
 
Karl hatte ihn ziemlich unsportlich mit einem Baseballschläger traktiert. Gerrit hatte keine Chance mehr gehabt, nachdem ihm der ersten Schlag in seine Kniekehlen hatte einknicken lassen wie ein schweizer Taschenmesser. Ein Wunder, dass er ihm mit diesem Schlag nicht die Beine gebrochen hatte. Sein Arm, den er zur Abwehr des zweiten Schlages vor sich gehalten hatte, war allerdings gebrochen und der dritte Schlag, der seine Rippen traf, sorgte dafür, dass diese ebenfalls lädiert wurden. Ob gebrochen oder nur stark geprellt, konnte er nicht sagen. Bei jedem Atemzug fuhr ein wahres Schmerzfeuer durch seinen Körper. Er konnte von Glück sagen, wenn er keine inneren Verletzungen davongetragen hatte. Wenn man von Glück in seiner Lage überhaupt sprechen konnte. Aber vorerst versuchte er bei jedem Atemzug einfach so flach wie möglich zu atmen.
 
Mit was genau sein Kopf getroffen worden war, konnte er nicht sagen. Er hatte das Gefühl den Schlag erneut zu spüren, nur dass ihm bei dem wirklichen Schlag unmittelbar die Lichter ausgegangen waren, während er nun mit den Folgen zurechtzukommen hatte.
 
Er sah, dass er in einer Blutlarche lag. Der Schlag war also nicht ohne Verletzungsfolgen geblieben. Aber wenn Karl mit dem Baseballschläger zugeschlagen hätte, wäre es das wohl jetzt. Er musste dazu was anderes genommen haben. Ihm war schlecht und er war froh, dass er die letzten Stunden nicht mehr gegessen hatte, und sich vermutlich nicht mehr in seinem Magen befand, denn das hätte wohl jetzt unvermeidbar wieder seinen Weg nach draußen gesucht
 
Gerrit ließ ziemlich frustriert seinen Kopf auf den harten Boden fallen. Er zitterte unkontrolliert und wusste, dass die Schmerzen, die er gerade spürte, vermutlich noch durch den Schock gemildert wurden. Mit schaudern dachte er an den Moment, in dem der Schock langsam nachließ.
 
Die Position, in der er lag und die er nicht ändern konnte, wollte er sich nicht selbst strangulieren, war nicht gerade bequem. Aber ihm fiel keine Lösung ein, sich irgendwie bequemer oder Schmerzgrenze einzulegen. Was wenn er bewusstlos wurde. Kam es vor, dass Bewusstlose ihre Beine ausstreckten? Er wusste es nicht.
 
Gerrit fühlte sich ziemlich einsam und verlassen. Er hatte Angst, die Augen zuzumachen. Er wollte nicht sterben, vor allem nicht so. Er versuchte, sich abzulenken, in dem er an schöne Dinge dachte. An das kommende Wochenende, an dem er, wie er heute mit Alex besprochen hatte, mit ihr zum Picknicken in den Park gehen wollte. Aber nach einiger Zeit zollte sein Körper den Schmerzen Tribut und er schlief doch ein.
 
 
 
3.
 
Vergangenheit – Teil 1
 
3 Wochen zuvor:
 
Alex und Michael saßen in ihrem Büro und warteten auf Robert und Gerrit. Alex hatte die beiden zu ihrem Lieblings-Imbissstand an der Isar geschickt, um das Mittagessen zu organisieren. Wehe sie kamen ohne ihr bestelltes halbes Hähnchen zurück. Sie hatte Hunger wie ein Wolf, denn heute morgen war sie so spät dran gewesen, dass sie nicht dazu kam, zu frühstücken. Michael hatte ihr zwar ein Brötchen angeboten, aber als sie es ablehnte, hatte es sich Robert gekrallt.
 
Auch Michael schien Hunger zu haben, denn er schielte zum x-ten Mal zur Türe. Dabei waren die beiden erst seit ca. 15 Minuten weg. In der Zeit konnten sie aber nur die Hinfahrt zum Imbiss geschafft haben. Wenn sie Glück hatten, war der Imbiss mal ausnahmsweise nicht überfüllt und die beiden waren gerade am bestellen. Alex freute sich schon so richtig auf ihr Hähnchen. Nur der Gedanken an ihr Brathähnchen ließ schon ihren Speichel im Mund zusammenlaufen.
 
Als die Tür aufging, schaute sie verwirrt hoch, hatten die beiden etwa etwas vergessen oder hatten sie womöglich gesetzwidrig die Sirene benutzt, um schneller zu sein. Michael hatte so etwas angedeutet, als er zu den beiden meinte, sie sollten einer einer Viertelstunde zurück sein und Gerrit fragte, wie sie denn das machten sollten. Typisch Michael.
 
Es war weder Robert noch Gerrit, der das Büro betrat. In der Tür stand ein ihr unbekannter schlanker Mann, ca. 55 Jahre alt, mit grauen kurz gewellten Haaren. Sie wollte ihn gerade fragen, wer er sei, als sie sah, dass Michael freudestrahlend von seinem Bürostuhl aufsprang und auf ihn zuging. „Mensch Karl, wie lange ist das her, dass wir uns gesehen haben, 6 Jahre oder mehr. Alten Schwede, was machst Du hier?“ Karl begrüßte Michael ebenso herzlich und sah zu Alex rüber. Michael stellte sie gegenseitig vor „und das ist Karl Weber. Er war mein Ausbilder, ich habe ihm viel zu verdanken. Außerdem sind wir gute Freunde. Leider haben wir uns, seit er sich nach Hamburg versetzen lassen hat, nicht mehr gesehen. Also Karl, erzähl, was machst Du so?“
 
Karl begrüßte zunächst einmal in aller Ruhe Alex mit einem Handkuss. Es war ihr erst etwas unangenehm, so einen Handkuss zu bekommen, fand es aber durchaus nett. Wann bekam man schon mal einen Handkuss. Interessiert hörten sie und Michael ihm zu.
 
„Ich bin beruflich hier. Ich arbeite an einem Fall im Drogenmilieu, der mich von ca. 2 Monaten hierher geführt hat.“ Er wollte fortsetzen, als er unterbrochen wurde.
 
In diesem Moment betraten Gerrit und Robert den Raum und bemerkten natürlich sofort, dass jemand auf dem Besucherstuhl saß. Michael stellte ihnen Karl vor. Und, da die beiden das bestellte Essen mitgebracht hatten, machten sich alle erst einmal über sein Essen her. Karl bekam von jedem etwas ab, so dass anschließend alle satt und zufrieden waren.
 
 
4.
 
Vergangenheit – Teil 2
 
Karl streckte sich ausgiebig und macht es sich so gut es ging auf dem Besucherstuhl bequem. Dann fing er an zu erzählen.
 
Er arbeitete seit Jahren schon im Hamburger Kommissariat. Dort hatte er von einem seiner Informanten den Tipp bekommen, dass in Kürze ein großen Coup im München an stand. Ein Drogendeal im großen Stile sollte stattfinden. Initiator dieses außerordentlich großen Drogenankaufs sei Don Pedro, einem Mann, dem man zwar hier in München verdächtigte, mit Drogen zu tun zu haben, ihm aber bisher nichts nachweisen konnte.
 
Da er zunähst feststellen wollte, was hinter diesem Tipp stand, war er selbst hier nach München gereist. Ihm war es zu seiner eigenen Überraschung gelungen, sich in die Gruppe um Don Pedro einzuschleichen und war dort ganz gut angenommen worden. Don Pedro schien ihm zu vertrauen.
 
Dummerweise hatte sich der persönliche Beschützer von Don Pedro vor zwei Tagen bei einem Einbruch eine Polizeikugel eingefangen und er sollte nun für Ersatz sorgen. „Da habe ich mir gedacht, es könnte nicht Schaden, einen weiteren Mann von unserer Seite in die Organisation einzubringen. Doppelt hält besser. Außerdem ich bekomme vielleicht erst ganz zum Schluss gesagt, wann der Deal stattfindet. Dann ist es vielleicht zu spät, den Zugriff zu organisieren. Wenn wir direkt einen Spitzel am Mann haben, dürfte nichts mehr schiefgehen. Ich meine so ein Leibwächter muss den Schutz doch auch entsprechend organisieren, also muss er frühzeitig Bescheid wissen“
 
Michael nickte „Das ist eine ganz phantastische Möglichkeit, die dürfen wir uns natürlich nicht entgehen lassen dürfen. Hast Du schon mit der Polizeipräsidentin gesprochen?“ Karl nickte „Ja, sie sagt, ich kann mir einen beliebigen Mitarbeiter aussuchen. Ich dachte, ich finde den Richtigen vielleicht hier.“ Michael hob grinsend seine Arme „Alter, Du musst mich nur fragen“ Karl entgegnete abwinkend „Nee, Du doch nicht, Du bist viel zu alt. Außerdem sieht Du zu sehr nach einem Polizisten aus. Lass mal. Gib mir Gerrit, der wäre ideal, d. h. wenn Du ihm das zutraust.“
 
Gerrit starrte ihn an. Was glaubte dieser Karl eigentlich. Wenn er wollte, dass er diesen Job übernahm, warum fragte er ihn nicht einfach direkt. Er wollte gerade etwas dazu sagen, als er hörte das Michael lachend erwiderte „Karl, Karl, Karl, immer noch direkt unsd geradeaus, was. Na ja, wenn du meinst, ich sei zu alt, kann man wohl nichts machen. Aber den Gerrit kannst Du selbst fragen, er sitzt hier im Raum. Alex und ich sind hier zwar die Dienstältesten, aber wir bestimmen nicht über die anderen, wir sind ein Team. Und wenn Du meine Meinung wissen willst. Ja, Gerrit kann das, was Du erwartest. Er ist sehr fähig, sonst säße er kaum hier.“
 
Gerrit, der staunend den Worten von Michael gefolgt war, dachte bei sich, ja, ja, Du und nicht bestimmen, wer soll das denn glauben? Aber das Michael in quasi lobte, besänftigte ihn wieder ein wenig und als Karl ihn dieses Mal direkt fragte, sagte er zu, nicht jedoch, ohne dabei ein ungutes Gefühl zu haben. Er wusste nicht wieso, aber irgendwie kam dieser Karl ihm komisch vor.
 
 
5.
 
Vergangenheit – Teil 3
 
Den ganzen restlichen Nachmittag besprachen sie, wie Karl Gerrit in die Gruppe einführen würde und welchen Hintergrund er haben würde als „André König“.
 
Am Abend verabschiedete sich Michael früher als sonst von ihnen, weil er mit Karl noch um die Häuser ziehen wollte. Er hatte Gerrit gefragt, ob er mitkommen wollte, aber der lehnte mit dem Hinweis, dass er, da er die nächsten Zeit wohl nicht im Büro sein würde, noch Berichte zu Ende schreiben musste, dankend ab.
 
Das war natürlich vorgeschoben, aber Gerrit war dieser Karl nicht ganz geheuer. Oder war er nur eifersüchtig? Bisher hatte er immer gedacht, er wäre Michaels bester Freund, aber Michael tat geradezu so, als ginge dieser Karl über alles. Pah.
 
Auch Robert und Alex lehnte unter fadenscheinigen Ausreden die Nachfrage, ob sie mitgehen wollten, ab. Als Michael und Heinz endlich das Büro verlassen hatten, drehte sich Robert die Arme hebend fragend zu Alex und Gerrit um „Was soll eigentlich der ganze Aufwand? Ich denke Michael hat ihn 6 Jahre lang nicht gesehen, da kann die Freundschaft doch nicht so viel hermachen oder? Und jetzt tut er so, als wäre sonst wer gekommen? Was meinst ihr?“ Alex lächelte „So sind die Männer halt, da können 6 Jahre auch schon mal so weggewischt werden.“ und schnippte mit den Fingern. Gerrit, der sich erst einmal umgehend Michael´s Platz angelte, damit sich Robert dort erst gar nicht erst breit machen konnte, meinte nur „Wenn er meint“ und begann dann ohne Kommentar damit, seine Berichte zu Ende zu schreiben.
 
Der nächste Tag ging damit drauf, Gerrits oder besser André Königs Papiere herzustellen und eine Polizeiakte anzulegen. André sollte durchaus polizeilich schon mal aufgefallen sein, aber nicht so, dass er nicht in der Gruppe aufgenommen wurde. Karl sahen sie dabei fast den ganzen Tag nicht, denn der war mit Michael nicht nur ziemlich spät ins Büro gekommen, sondern die beiden waren fast den ganzen Tag unterwegs, weil Michael Karl durch das gesamte Präsidium, der Pathologie und der Staatsanwaltschaft führte.
 
Langsam näherte sich der Abend und Gerrit zog sich um. Schwarze Jeans, schwarzes Hemd und metallic-graues Jacket. Er fbesah sich zufrieden im Spielen. Er war zwar kein Mafiosi, aber dem Klischee machte er so alle Ehre.
 
Abends saßen er und Karl vor dem Hauptquartier von Don Pedro im Auto. Gerrit sah ihn forschend an „warum solltest eigentlich ausgerechnet Du einen Vertreter für diesen Möchtegernbewacher auswählen. Du bist doch selbst noch nicht lange dabei?“ Karl sah ihn an „Hat Michael Dir das nicht erzählt? Für die bin ich ein absolutes Ass im Leute verschwinden lassen, Du versteht?“ und machte mit der Hand eine Pistole nach mit der er Gerrit spaßeshalber eine Kugel in den Kopf schoss. Er tat so als puste er den Rauch weg und setzte fort „Dass ich daneben auch Kenntnisse im Steuerbereich habe, ist auch nicht gerade hinderlich, sondern macht mich in diesen Kreisen sehr begeht. Ich habe gleich zu Anfang das Gerücht gestreut, ich hätte ein paar Leuten meine speziellen Fähigkeiten im Bereich des Killen´s weitergegeben, die mir nun sehr ergeben sind. Das hat Don Pedro wahrscheinlich zu der Idee gebracht, ich könnte effektiven Ersatz heranschaffen.“
 
 
 
6.
 
Vergangenheit – Teil 4
 
Er nahm sein Handy und schaltete es ab. Dann schob er sein Hosenbein hoch und schob seine Waffe in seine rechte Socke. Karl beobachtete ihn dabei. Er grinste „Meinst Du, das sei ein gutes Versteck?“ „Nee, aber ein anderes habe ich nicht“, nahm eine zweite Waffe, die Michael ihm gegeben hatte, aus dem Handschuhfach und steckte die in seinen Hosenbund am Rücken. Nun war er fertig, seinetwegen konnte es losgehen.
 
Sie stiegen aus und gingen auf das Haus zu. Gerrit konnte nicht anders, aber ihm erschien dieser Karl immer suspekter. Nun konnte er nicht mehr zurück. Außerdem, wenn er Michael sagen würde, er habe die Aktion wegen einem komischen Gefühl abgeblasen, würde der ihn wohl oder übel für einen absoluten Spinner halten und ihn darüber hinaus wahrscheinlich nach all den Vorarbeiten des ganzen Tages bildlich gesehen den Kopf abreißen. Da war es wohl besser planmäßig in die Höhe des Löwen zu gehen. Das Ganze würde schon schief gehen.
 
Karl raunte ihn noch zu „Du sagst am besten so wenig wie möglich. Überlasse mir das Reden“ und klingelte dann. Ein Kleiderschrank stand vor ihnen, starrte Gerrit an und grunzte „Karl wer ist das?“ Karl schob ihn einfach zu Seite und trat ein. Gerrit tat hinter ihm ins Haus und als der Mann die Türe wieder geschlossen hatte, spürte er, wie der Mann seinen Atem in seinen Nacken blies. Ihm lief eine Gänsehaus den Rücken herunter und innerlich bereitete er sich auf einen möglichen Kampf vor. Karl drehte sich um „Ralf sag Don Pedro bitte, dass ich zurück bin und ihm jemanden vorstellen möchte.“ Ralf tat es offenbar widerwillig, aber er ging in ein Nachbarzimmer.
 
Er kam kurze Zeit später wieder aus dem Zimmer heraus und winke sie zu sich. Gerrit folgte Karl in den Raum und dort saß tatsächlich Don Petro. Gerrit hatte sich zur Vorbereitung natürlich Fotos von ihm angesehen. 'Vielleicht habe ich mich ja in Karl doch geirrt, zumindest stimmt bisher alles.' und hoffte, dass das Ganze hier gut gehen würde, denn er hatte auch gelesen, dass eine private Begegnung mit Don Pedro für einen Polizisten in der Regel alles andere als gesund war. Er war ohne Absicherung hier. Karl hatte darauf bestanden, keine technischen Spielsachen einzusetzen. Selbst eine Überwachung per Auto war ihm zu gefährlich.
 
 
7.
 
Vergangenheit – Teil 5
 
Während Gerrit an der Türe stehen blieb, trat Karl auf den Schreibtisch zu, gab Don Pedro die Hand und bequemte sich dann in einen der Sessel vor dem Schreibtisch. Gerrit schob seine Hände in die Hosentaschen und sah sich wie unbeteiligte im Büro ein bisschen um, wobei ihm nicht entging, dass Don Petro ihn bei jeder seiner Bewegungen unaufhörlich beobachtete. Karl sprach zuerst über belangloses Zeug.
 
Dann zeigte er auf Gerrit „Das ist André König. Er hat ein ausgezeichnete Ausbildung hinter sich. In welchem Bereich, brauche ich Dir ja bestimmt nicht zu sagen. Ich habe ihn selbst ausgebildet und ich denke er wird einen ausgezeichneten Ersatz darstellen.“ „Er ist dünn“ bemerkte Don Pedro. Karl grinste nickend „Ja, aber war er nicht an Stärke hat, gleicht er mit Beweglichkeit aus. Glaube mir, Du wirst keinen Besseren finden. Und ganz im Vertrauen, er ist mein Meisterstück.“
 
Don Pedro schien über Karls Worte nachzudenken dann sah er Gerrit direkt an und fragte bedrohlich „Weist Du wer ich bin?“ Gerrit nickte nur. Vorsichtshalber tat er zumindest teilweise lieber, was Karl ihm gesagt hatte. Don Petro hielt ihm seine Hand zum einschlagen hin „Gut, du bist eingestellt. Zum Job gehört es keine Fragen zu stellen und mein Leben zu schützen ist das soweit klar?“ Gerrit ging auf ihn zu, aber bevor er die Hand annahm sagte er „geht klar, aber wie ist das mit der Bezahlung, ich bin nicht gerade billig!“
 
Er spürte mit Genugtuung, dass Karl ganz steif wurde. Don Petro sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an, es schien, als wollten sie jeden Moment explodieren. Als Gerrit dem standhielt lachte er und frage „Wie viel willst Du?“ „Ich soll Ihr Leben schützen, ich denke, dass ist 5.000 die Woche wert.“ Don Pedro zuckte fast zusammen, als er die Summe hörte. Er seufzte „Also wenn ich es bisher nicht glauben würde, so weiß ich jetzt, dass Du tatsächlich ein Produkt von Karl bist. OK, abgemacht, 5.000 pro Woche. Aber dafür bist zu 24 Stunden im Dienst.“ Gerrit schlug nun ein. Karl wurde von Don Pedro noch angewiesen, Andre einzuweisen und die beiden verließen das Büro.
 
Als sie alleine waren boxte Karl Gerrit auf den Oberarm. Er war wütend. Zischend frage er „was hast Du Dir eigentlich dabei gedacht, Du könntest jetzt tot sein.“ Gerrit zuckte nur die Schulter „Ich lebe noch und außerdem zum Mitschreiben: Ich bin nicht ihre Marionette, nur um das mal klar zustellen!“ Karl konnte nur mühsam sein Temperament im Zaum halten, aber dann gelang es ihm doch und er nickte wortlos.
 
 
8.
 
Vergangenheit – Teil 6
 
Gerrit wurde allen Mitarbeitern vorgestellt, anschließend zeigte ihm Karl sein neues Tätigkeitsfeld. Eigentlich war es ziemlich simpel. E kam ziemlich schnell klar. Das war auch nicht schwer, denn eigentlich musste er sich nur stets in der Nähe von Don Pedro aufhalten. Der war nicht unbedingt, der angenehmste Typ, den man sich so vorstellen konnte, aber er war auch nicht gerade völlig ungenießbar.
 
Die Mitarbeiter und auch Don Pedro nahmen ihn unheimlich schnell in ihrer Gruppe auf. Eigentlich wusste er nicht genau, wie er das immer wieder hin bekam, aber wie bei all seinen bisherigen Undercovereinsätzen vertrauten ihm die Menschen auch hier ziemlich schnell und akzeptierten seine Geschichte über seinen bisherigen Lebenslauf. Die Fähigkeit, andere von sich zu überzeugen, machte es ihm immer ziemlich einfach, seine Aufträge auszuführen, aber gleichzeitig war es auch sein Fluch. Denn es gelang ihm fast nie ganz, seine Gefühle bei diesen Aufträgen abzustellen. Er begegnete bei solchen Einsätzen vielen Menschen und den ein oder anderen von ihnen mochte er durchaus. Es war ihm bisher noch nie vollständig gelungen, die notwendige Distanz zu bewahren. Eines Tages würde ihn das noch in Teufels Küche bringen.
 
Mehrfach hatte er schon bei ähnlichen Einsätzen darüber nachgedacht, Leute, die er mochte, zu warnen oder sie zu bitten, zu bestimmten Zeitpunkten etwas anderes zu tun. Aber das wäre nicht nur viel zu gefährlich gewesen, sondern hätte ihn auch beruflich in arge Schwierigkeiten gebracht.
 
Nur ein einziges Mal hatte er dem Drang nicht widerstehen können. Er hatte sich mit einem Mädchen angefreundet und sie hatte ihm sehr geholfen, als er während eines Einsatzes krank geworden war. Aber das war nicht alles gewesen, er hatte Gefühle für dieses Mädchen entwickelt, die über das berufliche hinausgingen, ja sogar über freundschaftliche Gefühle. Er wusste, dass das nicht sehr professionell war, aber es war einfach so passiert.
 
Als der Zuschlag kam, hatte er sie kurzerhand in den Wandschrank gesperrt, wissend, dass spätestens 4 Stunden später jemand das Zimmer betreten und sie befreien würde. Als die Wohnung von seinen Kollegen durchsucht wurde, war sie nicht mehr da. Sie hatte sich selbst irgendwie befreien können. Er hatte sie nie mehr gesehen. Aber in all den Jahren, die seit dem vergangen waren, war sie seines Wissens nicht mehr straffällig geworden.
 
Auch Karl hatte die Fähigkeit von Gerrit, sich ziemlich schnell einzubinden, bemerkt. Er beobachtete ihn die ganze Zeit ziemlich misstrauisch und beschloss, was Gerrit anbelangte, vorsichtig zu sein. Das Verhältnis der beiden zueinander verbesserte sich zwar von Tag zu Tag erheblich, weil Gerrit beschlossen hatte, Michael zuliebe Karl eine Chance zu geben und sein immer noch vorhandenes Bauchgefühl links liegen zu lassen, aber gute Freunde wurden sie nicht wirklich.
 
9.
 
Vergangenheit – Teil 7
 
Die Möglichkeit, dass Gerrit bei seinen Ausflügen aus dem Haus erst mal beobachtet wurde, war ziemlich hoch Deshalb hatten sie schon vorab beschlossen, dass erst mal nur Karl sich in den ersten 14 Tagen mit Michael treffen würde, um über die Lage zu berichten. Als Treffpunkt war eine kleine Eckkneipe ausgesucht worden, die vom K11 aus innerhalb von 10 Minuten angefahren werden konnte.
 
Michael war schon da, als Karl das erste Mal die Kneipe betrat. Er saß auf einer Eckbank an dem Tisch in der hintersten Ecke und hatte ein Bier vor sich stehen. Karl steuerte direkt auf Michael zu und bestellt im Vorbeigehen an der Theke auch ein Bier für sich. Michael bemerkte ihn und kam nach der Begrüßung sofort zur Sache „Und, gibt es was Neues? Wie geht’s Gerrit?“ „Immer mit der Ruhe, eins nach dem anderen. Erstens es gibt leider nichts Neues. Die Planungen laufen, aber wann genau die Übergabe stattfindet und wo, wurde noch nicht abschließend geklärt. Und keine Sorge Gerrit geht es gut. Er hat sich schnell mit den anderen angefreundet. Er ist ziemlich gut.“
 
Michael sah Karl mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ein Lob von Karl war etwas ganz besonderes. Um ein solches zu erhalten, musste man sich schon mächtig anstrengen. Er wusste das genau, denn er konnte ein Lied davon singen. Nach einiger Zeit nickte er „ja, er ist gut.“ „Ich habe ihn beobachtet, er hat ein natürliches Talent sich in das Vertrauen von anderen einzuschleichen. Ich solltet ihn öfter undercover einsetzen.“ Michael schüttelte jedoch den Kopf „Nein, Du magst es ihm nicht ansehen, aber wir wissen, dass es ihm sehr zu schaffen macht, Rollen zu spielen, in dem er andere anlügen oder was vorspielen muss. Er mag zwar darin gut sein, aber das heißt nicht, dass er es auch mögen muss. Ich glaube er käme nicht so gut damit zurecht, wenn er das öfters machen müsste“
 
Sie besprochen noch das ein oder andere private und nachdem sie ihre Getränke ausgetrunken hatte, verabschiedeten sie sich. Michael rief Karl noch einmal nach „Grüß Gerrit. Auch von Alex und Robert. Und bring ihn heil da wieder raus, sonst bringt mich Alex um und dass willst Du nicht wirklich mit ansehen.“ Klar grinste nur und verschwand.
 
Michael frage sich zum wiederholten Male, ob er nicht hätte darauf bestehen sollen, die Rolle des neuen Beschützers zu übernehmen. Gerrit war in der Gruppe allein auf sich gestellt, wenn etwas schief lief. Klar, hatte Karl in seiner Nähe, aber letztendlich hatte Michael keine Kontrolle und er hasste es, keine Kontrolle zu haben. Und momentan blieb ihm nichts anderes übrig, als abzuwarten. Seufzend setzte er sich in sein Fahrzeug, um nach Hause zu fahren.
 
 
10.
 
Vergangenheit – Teil 8
 
 
Sechs Tage später war Gerrit schon einige Mal allein außerhalb des Hauses gewesen, um einfach auch mal raus zukommen. Er sehnte sich danach, mit normalen Menschen reden zu können. Das ewige Gerede davon, wie man die Gesellschaft oder Menschen am besten um ihr Geld bringen oder welches Mädchen man für wenig Geld oder umsonst flachlegen konnte, ging ihm allmählich auf den Geist. Er beteiligte sich zwar nie an diesen Gesprächen, aber allein schon das Zuhören nervte langsam. Und was die da alles vom Stapel ließen. Wie gerne würde er wieder im K11 sitzen und – wer hätte das gedacht, dass er das mal sagen würde – Berichte schreiben. Ständig musste er an Alex denken. Wie viel Witz besaß sie doch im Gegensatz zu diesen Chaoten.
 
Die ersten beiden Male war er dabei beobachtet worden. Sein Gefühl hatte ihn nicht betrogen, denn es wurde ihm hinterher immer von Karl bestätigt. Beim dritten Mal hatte man bereits davon abgesehen, ihm jemanden hinterher zu schicken. Sicherheitshalber hatte er aber darauf verzichtet, sich mit seinen Kollegen in Verbindung zu setzen. Man wusste ja nie.
 
Heute verließ er das Haus erneut und fuhr mit dem Auto erst mal ziellos durch die Gegend. Er hatte Karl überreden können, ihn heute zum Treffpunkt fahren zu lassen. Als er nichts von einem Schatten bemerken konnte, fuhr er zu der Kneipe, in der sich Karl mit Michael zuvor schon einige Male getroffen hatte. Er ging direkt nach dem Bestellen zur Toilette, rief von dort beim K11 an und bestellte Michael zur Kneipe.
 
Er besetzte schon einmal den Tisch in der hintersten Ecke. Keine 10 Minuten nach ihm kam Michael und setzten sich dazu. Michael hatte sich gefreut, als Gerrit im Büro angerief und mitteilte, dass er heute mal die Informationen überbrachte. Er war sofort losgefahren. Auch Gerrit freute sich, Michael zu sehen. Endlich mal jemand, dem er nichts vormachen musste. Nach den ersten Berichten über das Zugehen im Hause Don Pedro´s berichtete Gerrit, dass die Übergabe unmittelbar abevorstehen würde und Karl beim nächsten Mal wahrscheinlich würde mitteilen konnte, wann genau sie stattfand. Der Ort stand schon mal fest. Die Übergabe würde in der alten Fabrikhalle im einsam gelegenen Steinbruch stattfinden. Sie sprachen noch über belanglose Dinge und gingen dann wieder beide ihres Weges.
 
Auf den Rückweg trödelte Gerrit noch ein bisschen und fuhr einfach so durch die Gegend. Er hatte noch keine rechte Lust, zurück zu fahren, noch hatte er exakt 2 Stunden Freizeit. Er würde vielleicht noch in ein Bistro gehen und einen Kaffee trinken, um noch ein bisschen unter normalen Leuten zu sein. Als er an einer Ampel während einer Rotphase anhalten musste, sah er sich ein wenig in der Gegend um. Er stockte. Das war doch Karl. Er sprach mit einem Typen, den Gerrit irgendwie kannte. Er wollte erst hupen und winken. Aber aus irgendeinem Grunde unterließ er es dann jedoch. Vielleicht, weil das nervöse um sich Schauen von Karl ihn vorsichtig agieren ließ, vielleicht aber auch, weil er zwar nicht genau wusste, wo er den Mann hinstecken sollte, ihn aber irgend etwas sagte, dass ihm der Mann bestimmt nicht positiv aufgefallen war. War er ihm vielleicht sogar beim Ausüben seines Berufes begegnet? Er dachte die ganze Fahrt nach Hause über den Mann nach und woher er ihn wohl kannte, aber all das half nichts. Es war, als hätte er eine Blockarde im Kopf.
 
 
11.
 
Vergangenheit – Teil 9
 
Gerrit hatte Karl bei dessen Rückkehr ins Haus nicht auf den Mann angesprochen. Warum konnte er nicht sagen. Aber immer noch grübelte er darüber nach, wer der unbekannte Mann war und woher er ihn kannte, denn das Bild wollte ihn einfach nicht loslassen. Doch im Laufe der nächsten Tage war er so beschäftigt, dass er nicht weiter darüber nachdachte.
 
Einen Tag vor der Übergabe fand eine Besprechung im Büro des Chefs stattfand, an der Gerrit teilnahm, weil er wissen musste, wo sich der Boss bei der Übergabe aufhalten würde. Schließlich hatte er ihn ja zu beschützen. Zunächst wurde über die Konkurrenz gesprochen. Dieses Thema war unter den Anwesenden sehr beliebt. Gerrit nahm wie immer an den Diskussionen über Geschehnisse bei der Konkurrenz nicht teil. Aus seinem zusammengebastelten Lebenslauf ging hervor, dass er bisher im Berliner Raum gelebt und gearbeitet hatte, so nahmen die anderen einfach an, er würde die verschiedenen Namen nicht kennen und deshalb nicht mitreden wollen. Doch als beiläufig der Name „El Punto“ fiel, klicke es bei ihm im Gehirn.
 
El Punto. Das war der Name des unbekannten Mannes. Alfredo El Punto, Boss einer mit Don Pedro konkurrierenden Gang. Aber was zum Teufel hatte Karl mit ihm zu besprechen. Hatte er im Auftrag von Don Pedro gehandelt? Wenn, dann würde er dies ja Michael berichtet haben. Ein unaussprechlicher Gedanke schoss ihm durch den Kopf. Er beschloss, sich außerplanmäßig mit Michael zu treffen. Er musste einfach wissen, woran er war.
 
Während der ganzen Besprechung kreiste der Namen El Punto immer wieder in seinen Gedanken umher. Als die Besprechung endlich herum war blieb er im Büro sitzen und bequemte sich in dem Sessel vor dem Schreibtisch. Don Pedro sah ihn fragen an. Gerrit hielt seinem Blick wie immer stand „Erzählen Sie mir was von El Punto.“ Don Pedro lehnte sich zurück „Warum?“ „Ich habe den Namen schon einmal gehört und möchte gerne über ihn informiert sein, falls ich ihm einmal begegne.“ Don Pedro fand das plausibel und erzählte Gerrit alles was er wissen wollte. Fast aus allen seinen Worten ging sein Hass gegen El Punto hervor. Gerrit wurde sich immer sicherer, dass Don Pedro mit El Punto ganz sicher keine Geschäfte machen würde.
 
Trotz der bevorstehenden Übergabe hatte Gerrit am Abend gegen 10 Uhr 2 Stunden frei. Er fuhr er erst in die Stadt und, als er sich erneut sicher war, nicht verfolgt zu werden, zu Michaels Wohnung. Er stellte den Wagen vor einer Kneipe in Michaels Gegend ab. Wenn der Wagen irgendwie von Don Pedro überwacht wurde, konnte er so sagen, dass er in der Kneipe gewesen sei, um sich was zu trinken.
 
Zu Fuß machte er sich auf den Weg zu Michaels Wohnung. Da sie schon öfters in der Kneipe gewesen waren, wusste erfahrungsgemäß, dass das ca. 10 Minuten in Anspruch nehmen würde.
 
 
 
 
12.
 
Vergangenheit – Teil 10
 
Wie erwartet war Michael da und öffente die Türe. „Was machst Du denn hier? Gerrit, du gefährdest mit dieser Aktion vielleicht den ganzen Plan?“ Schuldbewusst schaute Gerrit ihn zweifelnd an „Michael es ist wichtig.“ Michael zog ihn rein. „Wenn Du schon da bist, komm rein. Willst Du was trinken?“ Sie genehmigten sich ein Bier und Gerrit fragte vorsichtig an. „Karl hat Euch gesagt, wann es morgen stattfindet?“ Michael nickte „Ja, morgen Abend um 18.00 Uhr.“ „Hat er sonst noch etwas erwähnt?“ Bei der Art der Fragestellung und ihrer Betonung wurde Michael aufmerksam „Wieso, was?“ „Ich meine, hat er vielleicht einmal den Namen El Punto erwähnt?“ „El Punto, den bekannten Drogenboss? Warum sollte er? Ist das etwa der Lieferant oder wieso fragst Du?“
 
Gerrit rang mit sich, schließlich waren Michael und Karl befreundet und er wusste wie loyal Michael stets zu seinen Freunden hielt. Sollte er ihm von dem Verdacht, der sich in ihm immer mehr regte, etwas sagen oder sollte er es einfach für sich behalten und weiter nachforschen, aber gab es jetzt überhaupt ein zurück? Er hatte die ganze Zeit auf die Bierflasche in seiner Hand gestarrt und als er nun hoch sah, wusste er genau, dass es ein Zurück nicht gab, denn Michael sah ihn auffordern an. Er atmete tief ein. „Michael ich glaube Karl macht gemeinsame Sache mit diesem El Punto.“
 
Michael lachte „Wie kommst Du denn darauf.“ Gerrit erzählt ihm von seiner Beobachtung. „Gerrit ich kenne Karl. Du musst Dich entweder verguckt haben oder aber er hat ihn nur zufällig getroffen. Karl hat bis vor 6 Jahren hier gearbeitet und kennt El Punto sicherlich.“ „Aber ich weiß ganz genau, was ich gesehen habe und denk doch mal nach, die ganze Aktion ist doch eine einmalige Gelegenheit für El Punto diesen Don Pedro aus dem Weg zu schaffen.“ Michael war vor Empörung aufgesprungen „Gerrit jetzt hör aber auf damit! Ich kenne Karl, er ist in Ordnung und er würde niemals etwas Gesetzwidriges tun. Hörst Du, niemals!“ Michael war ziemlich laut geworden und Gerrit stand nun ebenfalls auf. Wenn er erst mal einen Verdacht hatte, dann konnte ihn keiner so schnell davon abbringen, auch Michael nicht. Er versuchte es noch einmal im Guten „Michael, Du kennst ihn vielleicht nicht mehr wirklich.“
 
Michael sah ihn wütend an und zeigte mit dem Finger auf ihn „Ich kenne ihn sehr wohl und zwar besser und länger als Dich. Wenn Du es genau wissen willst. Und ich weigere mich, nur weil Du etwas gesehen haben willst, an ihn zu zweifeln, habe ich mich jetzt deutlich genug ausgedrückt?“ Gerrit sah ihn traurig an. Die Worte, besonders der erste Satz hatte ihn tief getroffen. Leise sagte er „Du warst ja laut genug. Michael vielleicht denkst Du mal in Ruhe darüber nach, dass Du ihn immerhin 6 lange Jahre nicht einmal gesehen oder mit ihm gesprochen hast. Ich haue jetzt wieder ab.“ Er stellte die noch halb volle Bierflasche auf dem Wohnzimmertisch ab und so schnell, dass Michael es kaum mitbekam war Gerrit verschwunden. Er schaute ihm hinterher. Die ausgesprochenen Worte taten ihm jetzt schon leid. Er hatte gesehen, wie sehr er Gerrit damit verletzt hatte. Gerne würde er es ungeschehen machen, aber das ging ja wohl schlecht.
 
Gerrit rannte den ganzen Weg zum Auto im Laufschritt Er musste sich abreagieren. Er dachte darüber nach, ob er vielleicht mit Alex über Karl und seinen Verdacht reden sollte. Aber so wütend er auch auf Michael war, dass konnte er nicht tun, er würde sich wie ein Verräter vorkommen.
 
13.
 
Vergangenheit – Teil 11
 
Der nächste Tag war äußerst hektisch. Niemand durfte das Haus verlassen.
 
Endlich gegen 17.00 Uhr fuhren sie los. Gerrit saß hinten bei Don Petro in einer gepanzerten Karosserie. Sie würden mit dem Fahrzeug in die Halle hineinfahren.
Don Petro wollte die ganze Aktion aus diesem Auto heraus leiten. Das Geld, ganze 10 Mio. Euro lag in zwei Stahlkoffer im Kofferraum. Wenn etwas schief gehen sollte, würde es Gerrits Aufgabe sein, Don Petro mit seinem Körper gegen mögliche Angriffe zu schützen. So war es zumindest geplant. Gerrit hatte zwei Waffen dabei. Wenn Don Pedro auch nur in etwa ahnen würde, wer der Mann, der neben ihm saß, den er nur unter dem Namen André kannte, wirklich war, säße er hier wohl nicht so ruhig neben ihm.
 
Gerrit bereite sich während der Fahrt innerlich bereits auf den Zugriff vor. Karl und er hatten nicht gerade eine leichte Aufgabe. Sie standen zwischen beiden Fronten. Sobald die Gang begriff, dass sie beide Spitzel und in Wirklichkeit Polizisten waren, würden sie gnadenlos auf sie schießen. Anders herum konnten sie leicht bei einem Schusswechsel zwischen den Seiten auch von den eigenen Leuten getroffen werden.
 
Während der gesamten Fahrt sagte Don Pedro nicht ein Wort. Gerrit kannte ihn inzwischen so gut, dass er wusste, dass er jetzt besser nicht angesprochen wurde. Er sah deshalb aus dem Fenster. Wieder kam ihm sein Streit von gestern Abend mit Michael in den Sinn. Den ganzen bisherigen Tag hatte er das Thema erfolgreichen verdrängen können. Ausgerechnet jetzt, wo es gleich losging, musste er wieder daran denken. Er nahm sich vor, mit Michael noch einmal in Ruhe zu sprechen, wenn der Fall erst einmal abgeschlossen war. Nichts desto trotz wollte er auch Karl im Auge behalten. Langsam näherten sie sich dem Ziel. Kurze Zeit später fuhren sie in die Lagerhalle hinein. Dazu waren die zwei großen Flügeltüren der Halle geöffnet worden.
 
Die Warenlieferanten waren noch nicht da. Gerrit sah, dass die anderen zusammen mit Karl aus den beiden weiteren Fahrzeugen ausstiegen und die Halle grob inspizierten. Dann verteilten sie sich. Er selbst war angewiesen worden, im Wagen bei Don Pedro zu bleiben. Der Typ hatte echt eine übertriebene Angst vor Anschlägen. Als ein Wagen 10 Minuten später in die Halle gefahren kam, ließ Don Pedro die Scheibe an seiner Seite runter. Der Wagen blieb vor ihrem Fahrzeug stehen. Die beiden Insassen stiegen aus und kamen mit zwei Aktenkoffern auf sie zu. Vor ihrer Fahrzeughaube blieben sie stehen und warteten.
 
Don Pedro zeigte Gerrit mit einem Fingerzeig an, dass es nun los ging. Gerrit stieg aus, ging hinten um der Fahrzeug herum, holte die beiden Koffer mit dem Geld aus dem Kofferraum und öffnete für Don Pedro die Türe. Er folgte ihm nach vorne. Die Männer legten die beiden Koffer auf die Motorhaube und öffneten sie. Zum Vorschein kam die schneeweiße Ware. Don Pedro ließ das Zeug kurz testen. Es war tatsächlich Koks in seiner reinsten Form. Auf seinen weiteren Wink hin übergab Gerrit den Koffer, während die beiden Koffer auf der Motorhaube geschlossen wurden. In dem Augenblick, in dem Gerrit den Koffer mit dem Geld losließ, kam der Zuschlag. Von allen Seiten kamen Polizeibeamte mit schussicheren Westen auf sie zu gerannt, die ziemlich auffordernd „Polizei, Hände hoch!“ schrien.
 
 
 
14.
 
Vergangenheit – Teil 12
 
Don Pedro schmiss sofort die beiden Koffer von der Motorhaube und versuchte um Gerrit herum in sein Fahrzeug zu kommen. Aber Gerrit blieb standhaft. Er hielt ihm die Waffe entgegen und schrie ebenfalls „Polizei, stehen bleiben!“ Don Pedro kippe fast aus seinen Schuhen. „André Du?“ Gerrit zuckte nur mit den Schultern und beeilte sich, Don Pedro Handschellen anzulegen, während er weiter beobachtete, was in der Halle los war.
 
Die meisten waren bereits festgenommen, nur wenige versuchten sich der Festnahme zu entziehen, zu überraschend war der Zugriff für sie gekommen. Aber selbst diejenigen, die versuchten, zu entkommen, wurden von den Kollegen, die sich draußen positioniert hatten, erwischt. Das Netz, dass die SEK draußen um das Gebäude herum gezogen hatte, war einfach zu engmaschig, als das jemand hätte entkommen können.
 
Ein Kollege nahm Gerrit Don Pedro ab, um ihn ins Präsidium zu bringen. Aus dem Augenwinkel heraus sah er, dass Alex ihm entgegenkam. „Hey, alle klar bei Dir?“ fragte sie
erleichtert, während sie ihn abklopfte, als wolle sie sich persönlich davon überzeugen, dass er nichts abbekommen hatte. Er wunderte sich zwar ob der Fürsorglichkeit von Alex, antwortete aber ehrlich „Ja, alles klar. Ich bin froh, dass es vorbei ist.“ „Ich auch, wir haben Dich vermisst, aber jetzt ist ja wieder alles beim Alten.“ Er nahm das Geld und Alex die beiden Koffer mit dem Koks und alle zusammen fuhren ins Präsidium. Es war war noch viel zu tun. Eine Menge Vernehmungen standen an, die umgehend erfolgen mussten. Solange die Männer noch so überrumpelt waren, waren sie vielleicht gesprächiger.
 
Morgens gegen 06.00 Uhr waren sie endlich fertig. Don Pedro selbst hatte eine Aussage verweigert, aber eine Menge anderer Leute hatte dafür gesungen, natürlich in der Hoffnung, dass sich dies straf mildernd auf ihr Urteil auswirken würde. Michael fasste zusammen „Also wir gehen jetzt erst mal alle eine Runde schlafen. Heute Abend treffen wir uns hier um 17.00 Uhr, um die Abschlussbesprechung zu machen. Anschließend findet zur Feier des Tages in der Kantine eine kleine Feier statt.“ Alles nickte und machte sich auf den Weg.
 
Gerrit fuhr vom Parkplatz des Präsidiums. Lieder hatte er sich bisher nicht mit Michael unter zwei Augen sprechen können, so dass aus seiner geplanten Ausrede nichts geworden war, aber das holte er dann heute Abend nach. Da war sicher irgendwann Zeit. Zwei Autos vor ihm fuhr Karl. Erst wollte er nicht, aber fast zwanghaft musste er dem Auto einfach folgen.
 
Er verfolgte das Auto von Karl bis zu einem kleinen Wald und einem Fabrikgebäude. Nach Hause fuhr der sicher nicht. Am Straßenrand ließ er, als er sah, dass Karl hier offenbar an seinem Bestimmungsort angekommen war, den Wagen stehen und legte den Rest zu Fuß zurück. Leise schlich er ihm hinterher. Die Tür zum Fabrikgelände war nur angelehnt. Sachte betrat er den Vorraum und lugte in die Halle. Da stand Karl und sprach erneut mit diesem El Punto.
 
'Von wegen nur durch Zufall getroffen.' dachte Gerrit und schoss gerade in dem Augenblick, in dem El Punkte Karl einen Koffer ausgehändigte, ein Foto mit seiner Handykamera. Er besah es sich, befand es für gut getroffen und schickte das Foto sicherheitshalber als MMS auf Michaels Handy. Jetzt hatte er den Beweis, den Michael haben wollte. Die Versandnachricht der MMS löschte er sofort wieder aus seinem Speicher, damit niemand sehen konnte, dass er das Bild weitergeschickt hatte. Man wusste ja nie, was passiert. Er beschloss, Karl weiter zu beobachten, um zu sehen, wohin er mit dem Koffer, in dem er Geld vermutete, fuhr.
 
Er wollte sich gerade wieder zurückziehen, als er grob von hinten gepackt und unsanft in die Halle geschuppst wurde. Er flog ungebremst der Länge nach hin und wurde, bevor er sich selbst wieder hoch rappeln konnte, von dem äußerst bulligen Typen, der ihn überfallen hatte, grob auf die Füße gezogen und nach vorne zu den beiden gezerrt. Warum nur hatte er ihn nicht kommen hören.
 
„Der Kerl hier hat rumgeschnüffelt“ hörte Gerrit ihn sagen. Karl schüttelte den Kopf „Gerrit, Du hättest nicht so neugierig sein sollen“ Während Gerrit – immer noch im Griff der Schrankwand hinter ihm – so gut wie bewegungslos beobachtete, dass Karl einen Baseballschläger aus seinem Auto hervorholte, hörte er, wie El Punto Karl zurief „Der Typ ist allein Dein Problem. Ich haue ab.“ Als der Baseballschläger Gerrit in den Kniekehlen traf lies die Schrankwand ihn los und Gerrit sah noch aus dem Augenwinkel heraus, dass der ebenfalls abhaute.
 
15.
 
Gegenwart – Teil 3
 
Michael hatte das Piepsen, dass sein Handy von sich gab, um ihn von dem Eingang der MMS zu informieren, nicht gehört, weil er tief und fest schlief. Als er viel zu spät aufwachte, musste er sich so beeilen, dass er nicht dazu kam, auf sein Handy zu schauen.
 
Als er endlich im Büro ankam, waren Karl, Alex und Robert schon da, nur Gerrit fehlte noch. Typisch, schon wieder mal der Letzte. Alex versuchte gerade, ihn auf Handy zu erreichen, aber nur seine Mailbox ging dran. Um 10 nach Fünf konnten sie nicht mehr lange warten, und gingen schon mal vor zu Besprechung. Gerrit wusste ja, wo sie zu finden waren.
 
Als Gerrit auch bis zum Ende der Besprechung nicht zu ihnen gestoßen war, machten sich Alex, Robert und Michael leichte Sorgen. Karl sagte „Er wird wohl verschlafen haben, Gönnen wir ihm ruhig ein bisschen mehr Schlaf, als er in den letzten Wochen hatte.“ Zusammen gingen sie zur Kantine rüber, um mit dem beteiligten Kollegen ein bisschen zu feiern, schließlich kam es nicht alle Tage vor, dass eine solche Menge an Koks sichergestellt wurde.
 
Michael sah immer wieder zu Karl rüber, ihm kam das Verhalten von Karl, der sich betont lässig gab, ziemlich merkwürdig vor. Früher hätte er sofort Alarm geschlagen, wenn auch nur im Geringsten die Möglichkeit bestand, dass einer von ihnen in Gefahr war. Was er jetzt von sich gab, passte doch einfach nicht zu ihm. Er zog sein Handy aus der Tasche und wollte selbst noch einmal versuchen, Gerrit anzurufen. Wenn der Kerl wieder nicht dran ging, würde er sich höchst persönlich zu ihm fahren. Und gnade ihm Gott, wenn er dann nur im Bett lag und verschlafen hatte. Er wollte gerade die Speichernummer von Gerrit drücken, als er sah verwundert, dass er am frühen Morgen eine MMS von Gerrit eingegangen war. Er öffnete sie und war sofort alarmiert. Sofort schaute er, wo Karl gerade war und suchte dann Alex.
 
Unauffällig zeigte er Alex an, dass sie mit ihm kommen sollte. Robert wies er kurz an „Du passt unauffällig auf Karl auf. Ich will genau wissen, wo er hingeht etc.“ Robert sah ihn mit drei Fragezeichen in den Augen mit viel Unverständnis an. „Robert, diskutiere nicht, mach´s einfach. Ich glaube Gerrit ist in Gefahr. Ich erzählt Dir später alles.“ Robert, dem das Fehlen von Gerrit auch ungewöhnlich vorkam, denn normalerweise ließ der ein kostenloses Büfett nicht einfach so sausen, fragte angesichts der alarmierenden Stimme von Michael gar nicht erst weiter nach, sondern machte sich umgehend auf die Suche nach Karl.
 
 
16.
 
Gegenwart – Teil 4
 
Michael zog Alex aus der Kantine und erzählte ihr von seinem Streit mit Gerrit. Er erwähnte auch Gerrits Verdacht bezüglich Karl. Alex hakte nach „Warum hast Du mir nichts davon gesagt.“ „Weil ich mir so sicher war, dass da nie was Wahres dran sein konnte.“ „Und was ist nun passiert, dass Du Deine Meinung geändert hast? Ich meine Du bist ja völlig aus dem Wind“ Schweigend zog er sein Handy aus der Tasche und zeige ihr die MMS.
 
Alex sah sich das Bild an. Eindeutiger ging es ja wohl gar nicht mehr. „Und danach hat Gerrit sich nicht mehr bei Dir gemeldet?“ Michael schüttelte den Kopf „Nein, es muss etwas passiert sein. Ich sage es nicht gerne, aber wahrscheinlich steckt Karl dahinter.“ Alex überlegte und beauftragte dann telefonisch zu allererst die Schutzpolizei bei Gerrits Privatwohnung vorbeizufahren und nachzusehen, ob er in der Wohnung war. Notfalls sollten sie die Türe aufbrechen.
 
Michael fragte dann „Und wie gehen wir vor? Karl ist mit allen Wassern gewaschen. Ich kenne ihn. Mein Gott, wie sich das anhört. Genau das habe ich auch zu Gerrit gesagt. Verdammt! Wenn wir ihm das Bild vor die Nase halten, wird er dicht machen und nicht ein Wort sagen.“ Alex überlegte fieberhaft. „Wir können nur hoffen, dass Gerrit noch lebt und er uns irgendwie zu ihm führt. Also, wir tun so als wäre nicht passiert, so als wüssten wir von nichts. Wir beobachten ihn nur und dann folgen wir ihm, wenn er fährt mit drei Fahrzeugen, damit er es nicht merkt.“ Michael überlegte. Das könnte funktionieren. Wenn denn dann Karl sie überhaupt zu Gerrit führen würde. Oder war Gerrit womöglich schon tot. Nein, darüber wollte er erst gar nicht nachdenken.
 
Er könnte sich selbst ohrfeigen, warum hatte er nicht wenigstens Ermittlungen angestellt. Was hatte er selbst noch zu Karl gesagt, auf Gerrit Gefühl konnte man sich eigentlich fast so gut wie immer verlassen. Und was machte er, er stieß ihm vor dem Kopf. Wenn Gerrit etwas passierte, war er schuld daran. Er allein. Alex stieß ihn an „Komm, ich löse Robert ab und Du informierst Robert die eingetretene Situation.“
 
Während dessen bei Gerrit:
 
Gerrit wachte auf, irgendetwas hatte ihn aufschrecken lassen. Gleich darauf zog sich die Schlinge um seinen Hals zu, weil er nicht mehr daran gedacht hatte, dass er seine Beine nicht bewegen durfte. Während er darauf wartete, dass der stechende Schmerz in seinem Kopf sich wieder etwas beruhigte, versuchte er herauszufinden, woher das Geräusch, das ihn geweckt hatte, kam. Da, da war es erneut, ein Quietschen, ganz so als würde eine Türe, die ihre besten Jahre schon hinter sich hatte, aufgezogen. Aber niemand kam. Während er so dalag, nahmen langsam aber sicher die Schmerzen immer mehr zu.
 
 
17.
 
Gegenwart – Teil 4
 
 
Gerrit kniff die Augen zusammen, um die Nebelschwaden vor seinen Augen wegzubekommen und versuchte langsam und bedacht zu atmen, um die Schmerzen wenigstens ein bisschen zu lindern. Es gelang ihm nicht wirklich, denn die Lage, in der er hier auf den Boden gebunden war, ließ ihm keinerlei Freiraum, sich irgendwie besser zu positionieren.
 
Nach einer Weile, er wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, weil er immer wieder wegdämmerte, hörte er jemanden auf ihn zukommen, er hörte die Schritte erst leise und dann immer lauter werdend. Als die Person hinter ihm zum Stehen kam, sagte sie keinen Ton. Trotz der Schmerzen, die das in seinen Kopf verursachte dreht er den Kopf in die Richtung der Person. Tatsächlich, es war, wie er bereits vermutete, Karl.
 
Da sich alles um ihn herum drehte, legte er seinen Kopf wieder auf den kalten Boden und wartete. Er hatte keine Ahnung, war Karl mit ihm vorhatte, aber lebend würde ihn hier wohl nicht heraus spazieren lassen.
 
Karl stupste ihn von hinten mit seinem Schuh an „Wie hast Du es herausgefunden?“ Gerrit zuckte nur, so gut es eben ging, mit der Schulter und verfluchte sich sogleich dafür, denn der gebrochene Arm meldet sich sogleich und er stöhnte auf. „Ich glaube nicht, dass Du willst, dass ich Dich noch ein bisschen mit dem Baseballschläger bearbeite oder? Also noch einmal, wie hast Du es herausgefunden?“ Gerrit wollte ihm erst nicht ein Wort sagen, aber bei der Erwähnung des Baseballschlägers überlegte er es sich doch. Was sollte es auch schon ändern, wenn er es wusste. „Ich habe Euch an dem Abend, an dem ich mich mit Michael getroffen habe, in der Stadt gesehen.“
 
Karl dachte einen Weile nach. „Das hat gereicht? Warte, ich hab´s, Du hattest da so ein Gefühl oder?“ Gerrit nickte, verwundert darüber, dass Karl etwas davon wusste, dass er manchmal so ein Gefühl hatte, dass etwas nicht stimmte. „Michael hat mir davon erzählt. Er hatte recht, Du bist wirklich gut. Kein Mensch ist dahinter gekommen, aber ich muss mir ausgerechnet Dich aussuchen. Na ja, den Fehler werde ich ja wieder ausbügeln. Hast Du es irgend jemanden gesagt?“ Gerrit schüttelte den Kopf „Nein“. Brutal packte Karl seinen gebrochenen Arm, Gerrit konnte nicht anders, als laut aufzuschreien. „Sag die Wahrheit“ schrie er ihn an. Gerrit schüttelte erneut den Kopf „Nein, dazu war keine Gelegenheit mehr.“ Karl dachte nach. Das könnte stimmen, Gerrit hatte Michael nur ein einziges Mal getroffen und die MMS auf seinem Handy, dass er mittlerweile entsorgt hatte, war auch noch nicht weitergeleitet worden. Er ließ daher seinen Arm los und gab sich mit der Antwort zufrieden.
 
„Was haben Sie mit dem Geld vor?“ wollte Gerrit wenigstens noch stöhnend wissen. „Ich werde mich nach Rio absetzen. Brasilien hat keine Auslieferungsvereinbarung und die 6 Mio. Euro von El Punto werden mir dort gut tun.“ Gerrit wusste nicht, warum er das Unvermeidbare durch seine Fragerei auch noch in die Länge zog, denn die Hoffnung, dass ihm die anderen zu Hilfe kamen, hatte er im Grunde genommen schon aufgegeben, aber er konnte nicht anders. „Und warum das Ganze? Du bist doch einer von uns, warum hast Du die Seiten gewechselt.“ „Warum?“ schrie Karl ihn an „weil die mich in Hamburg in den Innendienst versetzen wollen. Ausgerechnet mich. Aber nicht mit mir. Bevor ich noch 10 Jahre Innendienst mache und dann eine kleine Pension erhalte, nehme ich mir was ich kann. Leider kann ich nicht riskieren, dass Du mir dabei in die Quere kommst.“
 
 
18.
 
Gegenwart – Teil 5
 
Karl bückte sich noch einmal zu Gerrit runter „Für Michael tut es mir echt leid, der scheint Dich wirklich zu mögen.“ Gerrit schaute weg, er wollte nicht hören, was Karl sagte. Wenn dem so war, wo war Michael dann jetzt? Warum war er bloß nicht zu Alex gegangen. Die hätte wenigstens die Möglichkeit, dass da was faul war, in Betracht gezogen. Aber wäre dann alles anders gekommen ohne Beweise, nur aufgrund seiner Beobachtung und seines Gefühls?
 
Er bemerkte plötzlich, dass Karl wortlos weg ging. Der ließ ihn einfach hier liegen, damit er sich qualvoll selbst erdrosselte, das war Gerrit so klar wie nur irgendetwas. Er dachte an seine Kollegen und daran wie Alex ihn auffinden würden. Wenn man ihn hier überhaupt fand. Welches Bild würde er dann abgeben? Viel zu oft hatte er erdrosselte Leichen gesehen. Er wusste wie grauenvoll entstellt ihre Gesichter war. So wollte er nicht sterben. Wenn schon, dann wenigstens so würdevoll wie möglich. Nur ein einziger Schuss in den Kopf, man sagte, man würde gar nichts spüren, es wäre einfach nur vorbei. Hektisch schrie er Klar hinterher „Karl, bleib hier, bitte“
 
Karl drehte sich noch einmal mit fragendem Blick um. „Bitte, Du kannst mich doch hier nicht so elendig verrecken lassen. Nicht so. Bitte.“ Es war ihm dabei völlig egal dass er dabei wie ein Weichei wirken musste. Er flehte Klar weiter an „Schieß mir doch wenigstens eine Kugel in den Kopf. Lass es so nicht enden. Bitte“ Karl kam noch einmal zurück und dachte nach. Gerrit hatte mittlerweile vollständig aufgegeben. Seine Tränen fielen auf den Boden, ohne dass er sie aufhalten konnte oder auch nur wollte. Alles an was er denken konnte war, dass es hoffentlich schnell vorbeigehen würde und dass das, was alle über einen Kopfschuss sagten, auch stimmen würde.
 
Karl stand eine ganze Weile ohne etwas zu sagen da und staarte auf Gerrit. Irgendwie tat er ihm leid. Aber gehen lassen konnte er ihn einfach nicht. Wenn etwas schief ging, war sein ganzer Plan gefährdet. Dann gab er von sich „Gut, ich will mal nicht so sein.“ holte seine Waffe hervor und zielte auf Gerrits Kopf „Fertig?“ fragte er ihn. Gerrit holte tief Luft. Er schloss seine Augen, dachte noch einmal an Alex, Michael und Robert und nickte dann. Ob er den Schuss noch hören würde? Merkwürdigerweise fühlte er sich in diesem Moment seltsam erleichtert.
 
 
19.
 
Gegenwart – Teil 6
 
Michael bekam fast einen Herzinfarkt, als er hörte, wie Gerrit Karl anflehte, ihm einen Kopfschuss zu verpassen. Aber der konnte ja nicht wissen, dass sie dabei waren, zu dritt so nah an die beiden ranzukommen, dass sie zugreifen konnten, ohne dass Karl ihn auch noch als Geisel nahm. Eigentlich hatten sie noch viel weiter vordringen wollen, aber nun sah er, das Karl Gerrit tatsächlich die Waffe an den Kopf setzte. Es blieb keine Zeit mehr.
 
„Karl wage es ja nicht abzudrücken oder Du bist tot!“ schrie Michael in die Halle. Mit gezogener Waffe kam er auf Karl und Gerrit zugerannt. Gerrit öffnet erstaunt seine Augen. Da stand tatsächlich Michael und hatte Karl im Visier. Von hinten kamen noch zwei angerannt. Wenn er die Schritte richtig deutete waren es Alex und Robert. Völlig erschöpft und fertig mit der Welt, ließ er seinen Kopf auf den Boden fallen und bereute es sogleich wieder.
 
Nur am Rande bekam er mit, dass Robert große Mühe hatte, Michael davon abzuhalten, Karl zu Brei zu schlagen. Robert übernahm Karl kurzerhand und legte ihm Handschellen an.
 
Alex die als Erstes bei Gerrit war, nahm ihn erst mal vorsichtig und soweit es seine Verletzungen zuließen, in den Arm. Anschließend versuchte sie so schonend wie möglich diese verfluchten Seile abzubekommen. Michael kam, sein Handy zuklappend, auf sie zu „Und geht’s? Der Krankenwagen ist bereits unterwegs.“ Gerrit hörte all dies nur weit weit entfernt, langsam aber sicher wurde er wieder bewusstlos. Immer leider wurde es um ihn herum.
 
Als er aufwachte, lag er unverkennbar in einem Krankenhaus. Die Schläuche an denen er hing, als er langsam seine Augen öffnete ließen keinen anderen Schluss zu. Erleichtert atmete er auf. Er hatte sich noch nie so gefreut, in einem Krankenhaus aufzuwachen. Er sah langsam sich um, am Fenster unterhielten sich Alex und Michael und schauten aus dem Fenster. Da sie noch nicht bemerkt hatten, dass er wachgeworden war, räusperte er sich leicht. Die beiden drehten sich fast parallel zu ihm um. Freudestrahlend kamen sie auf ihn zu. „Mensch Junge, nach drei Tagen wird es ja auch mal Zeit, dass Du wieder wach wirst.“ brachte Michael sofort hervor. „Drei Tage?“ krächzte Gerrit mehr, als dass er die Worte vernünftig herausbrachte. Michael nickte „Hör mal, ich wollte mich bei Dir entschuldigen, wegen dem, was ich gesagt habe, ich meine“ „Michael, lass gut sein, ist schon OK“ unterbrach Gerrit ihn, denn er wollte das ganze Kapitel Karl einfach abschließen. Michael schüttelte den Kopf „Nein ist es nicht. Es war nicht nur falsch es zu sagen, es war auch nicht wahr. Ich wollte nur die Wahrheit nicht sehen. Ich will, dass Du weist, dass ich alles für Dich tun würde.“ „Das weiß ich“ flüsterte Gerrit.
 
Gerrit, der die Stille, die entstanden war, unterbrechen wollte, versuchte sich umständlich aufzusetzen und fragte „Wie lange muss ich hier drin bleiben.“ Alex lachte „Du scheinst ja schon auf den Weg der Besserung zu sein. Aber Spaß beiseite, bleib bitte ruhig liegen, bis der Arzt kommt. Der hat übrigens schon gesagt, dass du mindestens noch eine Woche hier bleiben musst.“ „Eine ganze Woche noch?“ fragte Gerrit entsetzt nach. Alex sah ihn entrüstet an „Gerrit, Du warst 3 Tage lang bewusstlos, hast eine Gehirnerschütterung, Dein Arm und mindestens 5 Rippen sind an- bzw. gebrochen. Das dauert eben seine Zeit. Also bleib schön liegen und tue was der Onkel Doktor sagt.“ Bei dem Wort Doktor verzog Gerrit seine Miene. Er merkte, dass er müde wurde und seine Auge kaum weiter aufbehalten konnte. Auch Michael und Alex bemerkten dies und verabschiedeten sich Gerrit sah ihnen mit schläfrigen Augen beim Weggehen zu. Alex wies ihn an „Schlaf, das wird Dir gut tun!“ und Michael kam noch einmal zu seinem Bett zurück. „Ach ja, das habe ich noch vergessen. Für die Zukunft: Bitte nie wieder jemanden, Dir ein Loch in den Kopf zu schießen, das kann nämlich tödlich enden. OK?“ Gerrit nickte schmunzelnd schwach und schlief dann ein.
 
4 Tage später wurde er aus dem Krankenhaus entlassen und nach einer weiteren Woche zu Hause durfte er endlich wieder anfangen zu arbeiten. Allerdings erst mal nur Teilzeit in im Innendienst. Wegen des Gipses an seinem Arm und der immer noch eingeschränkten Bewegungsfreiheit im Oberkörper machte ihm das aber nichts aus und nach weiteren 4 Wochen war er fast wieder der Alte. Aber nur fast, denn das Erlebnis, nur knapp dem Tode entgangen zu sein, nagte immer noch ein bisschen an ihn.
 
ENDE
 

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