MARIOLA
1.
Es war Freitag Mittag. Gerrit sa? zu Hause und dachte - nicht ohne Grund - über seine Kindheit und vor allem seine Teenagerzeit nach, d. h. insbesondere dachte er über Mariola nach, an die er so lange Zeit nicht gedacht hatte. Als sie ihn vor so vielen Jahren eines Tages abrupt und ohne Vorwarnung verlassen hatte, konnte er nicht glauben, dass sie nicht mehr Teil seines Lebens war. Und jetzt, jetzt hatte er schon Jahre nicht mehr an sie gedacht.
Sie waren richtige Seelenverwandte gewesen. Vielleicht waren sie es ja auch noch, aber so genau konnte er diese Frage nicht beantworten, denn er hatte Mariola lange, sehr lange nicht mehr gesehen. Irgendwann war sie einfach aus seinem Leben verschwunden, 'um ihn zu schützen', wie sie es damals nannte. Als sie ihm eröffnete, dass sie aus seinem Leben verschwinden würde, hatte er es erst nicht glauben können, sondern an einen Scherz gedacht. Aber so war es nicht. Als er damals registrierte, dass sie es ernst gemeint hatte, war er am Boden zerstört gewesen und hatte sogar an Selbstmord gedacht.
Klar hatte er später noch viele Freundinnen gehabt. Aber es war nie wieder so gewesen, wie mit ihr, mit Mariola, seiner Seelengefährtin.
Mariola war ein Zigeunerkind vom Stamm der Roma. Seine Eltern hatten es deshalb auch alles andere als begrü?t, dass er sich bereits im Kindergartenalter mit ihr angefreundet hatte. Ständig lag ihm seine Mutter in den Ohren, sich von ihr fernzuhalten. Dass sie kein Umgang für ihn wäre usw. So kannte er seine Mutter gar nicht. Aber, all die Worte seiner Mutter hatte eh nichts genützt, er hatte Mariola von Anfang an nicht widerstehen können.
Mit seinen Freunden traf er sich oft entweder zu Hause oder bei einem der Freunde, aber mit Mariola war es anders gewesen, schon allein deshalb, weil er Diskussionen mit seiner Mutter aus dem Weg gehen wollte. Da auch sie zu Hause wegen ihrer Freundschaft ?rger hatte, trafen sie sich stets heimlich, aber mindestens 2 mal die Woche. Sich mit ihr zu treffen, war immer mit dem Gefühl einhergegangen, etwas Verbotenes zu tun. Meistens sah er zu, dass er, wenn er sie traf, das Haus verlie?, ohne dass es seine Mutter mitbekam, damit er auf ihre Frage, wo er hinging, nicht lügen musste.
Sich gar nicht mehr mit ihr zu treffen und ihre Freundschaft aufzugeben, war für ihn undenkbar gewesen. Er konnte nicht anders, als sie zu treffen. Sie zog ihn an, wie eine Fliege vom Licht angezogen wird. Immer wenn er mit Mariola den Nachmittag verbracht hatte und nach Hause kam, hatte er auf die Frage seiner Mutter, was er den ganzen Tag getan hatte, einfach nur mit "nichts" geantwortet. Seine Mutter hakte nie nach, aber er war sich sicher, dass sie genau gewusst hatte, mit wem er seinen Nachmittag verbracht hatte.
Mariola. Dunkelhaarig, blasser Teint und dunkelrote Lippen. Sie war hübsch, au?ergewöhnlich hübsch. Und heute hatte sie ihn aus dem Nichts heraus angerufen und um ein Treffen gebeten. Morgen Abend. Ein Anruf, mit dem er im Leben nicht gerechnet hätte. Aber sie hatte gehetzt geklungen, trotzdem war ihre Stimme fest und fordernd gewesen. Gerade wegen seines Eindrucks, dass sie unter Druck stand, grübelte er schon die ganze Zeit über den plötzlichen Grund dieses Treffens nach. Und da war noch etwas, ein warmes Gefühl von Vorfreude.
-------------------------------------------------
2.
Gerrit konnte nicht anders, als sich ständig zu fragen, wie sie heute wohl aussah und ob sie immer noch die gleiche Wirkung auf ihn haben würde, wie vor ach so vielen Jahren.
Aber er konnte auch nicht die Erinnerungen an dem Tag, als sie ihm eröffnete, dass die gehen würde, zurückdrängen. Und gerade dieser Erinnerung war es, die ihn zur Vorsicht riet. Vorsicht? Vor Mariola? Er hatte nie Angst vor ihr gehabt, auch nicht, als sie ihm die Wahrheit über sich verraten hatte und ihm durch Vorführung demonstrativ bewies, dass das, was er bis dahin für gänzlich unmöglich gehalten hatte, der Wahrheit entsprach. Er schüttelte seinen Kopf, darüber wollte er jetzt nicht weiter nachdenken und vor allem wollte er in Verbindung mit den Gedanken an Mariola nicht eine Art Furcht fühlen.
Er dachte wieder an seine Zeit mit Mariola zurück, an die Zeit, in der sie beide in die Pubertät gerieten. Als man entdeckte, dass da noch andere Gefühle waren, die über ihre normale Freundschaft hinausgingen. Er musste lachen, als ihm in Erinnerung kam, wie sie beiden sich voller Neugier auf das andere Geschlecht neu entdeckt hatten und immer weiter in neue Regionen dabei vorgesto?en waren. Sie waren so völlig ohne scheu voreinander gewesen, wohl auch, weil sie wussten, dass sie dem anderen bedingungslos vertrauen konnten. Mariola und er hatten Spa? daran gehabt, verschiedene Stellungen auszuprobieren und das zudem an vielen ungewöhnlichen Orten. Manches, was sie ausprobiert hatten, war im Nachhinein sehr lustig gewesen. So ausgefüllt und abwechselnd, wie sein damaliges Liebesleben war, war es seit ihrem Weggang nie wieder gewesen.
Sie wollte ihn morgen ausgerechnet in einer Kirche treffen. Typisch Mariola.
Er musste bei dem Gedanken an Mariola in Verbindung mit einer Kirche schmunzeln. Einmal wollte Mariola es unbedingt auf dem Altar einer Kirche treiben. Er hatte zwar aufgrund seiner religiösen Erziehung Hemmungen gehabt, ihren Plan durch zuziehen, aber sie hatte es natürlich geschafft, ihn dazu zu überreden. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann hatte sie es immer durchsetzen können, denn er hatte ihr noch nie etwas abschlagen können. Und obwohl er beim Akt auf dem Altar ständig daran denken musste, dass seine Mutter höchstwahrscheinlich kein Wort mehr mit ihm sprechen würde, wenn sie jemals davon erfuhr, war es doch gleichzeitig auch der Höhepunkt ihrer Experimentierphase und ein Erlebnis der besonderen Art gewesen. Auch, wenn er niemals im Leben jemals auch nur irgend Jemanden davon erzählen würde.
Eines Tages verletzte er sich bei einem ihrer sexuellen 'Experimente' am Bein. Nicht schwer, aber doch so, dass Blut floss und die Wunde hinterher im Krankenhaus genäht werden musste. Heute wusste er, dass diese Verletzung das Ende ihrer Beziehung bedeutet hatte. Er hatte sie nach dem völlig bedeutungslosen Vorrang nur noch einmal gesehen, an dem Tag, an dem sie ihm etwas von sich erzählte, was sie ihm trotz ihrer guten Freundschaft bislang verschwiegen hatte und wohl ihm wohl am liebsten in aller Ewigkeit nicht verraten hätte. Aber aus irgendeinem Grund fand sie seinerzeit wohl, dass er ein Recht auf die Wahrheit hatte. Vielleicht hatte sie gedacht, dass ihr so ansatzloses Verschwinden mit dem Wissen um ihre Person leichter für ihn zu ertragen wäre. Wie falsch sie damit gelegen hatte. Andererseits wusste er nicht, ob es nicht doch für ihn um ein vielfaches schmerzlicher gewesen wäre, wenn sie einfach so, ohne eine Erklärung verschwunden wäre, wenn er sich auch nicht vorstellen konnte, dass das überhaupt ging.
Danach verschwand sie einfach aus seinem Leben, so, als wäre sie Jahrelang ein Traum und niemals Wirklichkeit gewesen.
-----------------------------------------------------------
3.
Gerrit schaute auf seine Uhr und erschrak. Es war schon 20.27 Uhr. Er hatte die Zeit einfach vergessen. Um 21.00 Uhr begann die Nachtschicht, die er zusammen mit Alex heute übernehmen musste. Alex würde ihn heute abholen und schon in ca. 10 Minuten vor der Türe stehen. Er hasste die Nachtschicht, aber das tat vermutlich jeder im Büro. Gott sei Dank war Nachtschicht nicht so oft angesagt. Meistens war es während der Nachtschicht langweilig und man versuchte, bis zum nächsten Morgen über die Runden zu kommen. Einzig abwechselnd war es, wenn ein neuer Fall hereinkam. Ansonsten konnte man nur Papierkram erledigen, denn sinnvolle Ermittlungen konnte man nachts nicht wirklich anstellen.
Er rannte schnell in sein Bad und zog sich anschlie?end etwas Frisches über. Als er unten auf der Stra?e ankam, stand Alex schon bereit, um ihn abzuholen und lächelte ihn aus dem Auto heraus an.
Auf der Fahrt war Gerrit ungewöhnlich ruhig, so dass Alex ihn nach dem Grund fragte. Gerrit sagte ihr nur, dass sich eine alte Freundin telefonisch bei ihm gemeldet habe und sie sich auf ein Treffen morgen Abend verabredet hatten. Alex sah ihn an, so komisch war Gerrit sonst nie, wenn er sich mit "alten" Freundinnen traf. Sie fragte sich, wie viele alte Freundinnen er eigentlich noch hervorzauberte. Aber da er, wie bereits gesagt, ungewöhnlich still war, bohrte sie nicht weiter nach, sondern lie? ihn grübeln und nahm sich vor, ihn später dazu noch einmal auszuhorchen. Sie würde dazu ja noch die ganze Nacht Gelegenheiten haben. Natürlich würde sie ihn nach allen Regeln der Kunst einer Frau ausspionieren oder besser gesagt, so dass er gar nicht wirklich merkte, dass er ausgehorcht wurde.
Als die beiden das Büro betraten, wurden sie bereits von dem leicht genervten Michael erwartet "Da seid Ihr ja, dann kann ich ja gleich abhauen. Robert und ich haben den aktuellen Fall abgeschlossen und unsere Berichte geschrieben. Robert ist schon los. Ich soll Euch vom Staatsanwalt ausrichten, dass er morgen früh auch Eure Berichte zu dem Fall auf dem Tisch haben möchte und von Dir Gerrit fehlt auch noch der Bericht zu dem Fall Meyer." Gerrit murmelte nur ein "Ja, ja" und Alex erkundigte sich noch "Ist sonst noch etwas Wichtiges vorgefallen, was wir wissen sollten?"
Michael dachte kurz nach "Heute war nichts besonderes, ach doch. Ein Kollege aus Hamburg ist in der Stadt, er fahndet nach einer, warte ma, ich habe mir den Namen aufgeschrieben." Michael kramte in seinen Unterlagen herum und hob kurze Zeit später triumphierend einen Zettel in die Luft "Hier hab ich es, sie hei?t Mariola Mendes. Staatenlos, Roma. Sie wird als Zeugin benötigt. Hier ist auch ein Foto von ihr, sieht recht hübsch aus."
Als Michael den Namen, ihren Namen, nannte, war es Gerrit, als bekäme er einen Stromschlag. Er spürte eine Hitze in sich aufsteigen und versuchte, seinen Kragen etwas zu weitern, weil er das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen. Mariola wurde gesucht! Eigentlich musste er jetzt etwas dazu sagen, musste sagen, dass er sie kannte und sich am nächsten Tag mir ihr Treffen würde, aber er brachte keinen Ton raus. Wie in Trance nahm er von Alex das Foto entgegen und starrte es an. Aus Millionen von Frauen hätte er sie sofort wieder erkannt.
--------------------------------------------------------------------------
4.
"Hallo Gerrit, bist Du noch anwesend?" Gerrit sah Alex irritiert an und merkte, dass auch Michael ihn neugierig anstarrte. "Ja sicher, wieso?" "Na weil ich Dich etwas gefragt habe und Du nicht geantwortet hast." "Tschuldige, was hast Du denn gefragt?" Gerrit versuchte, sich besser auf das Geschehen vor Ort zu konzentrieren und Mariola wenigstens für eine kurze Zeit aus seinen Gedanken zu verdrängen. Alex wandte sich wieder ab "Ach, war nicht so wichtig."
In diesem Moment ging die Tür auf und ein Mann trat ein. Michael erkannte ihn wieder "Herr Kranz, kommen Sie rein. Gerrit, Alex, dass ist Herr Kranz, der Kollege von der Kripo in Hamburg, der nach der Zeugin fahndet." Alex und Gerrit stellten sich vor und bevor Gerrit etwas sagen konnte, fragte Alex "Warum wird die Frau denn gesucht?" Herr Kranz antwortete "In Hamburg wurden mehrere Menschen in relativ kurzer Zeit ermordet. Immer durch zwei kurz hintereinander liegenden runden Stichen im Hals. Sie wurde an einem der Tatorte gesehen und von einem weiteren Zeugen beschrieben. Wir hoffen, sie kann uns eine Täterbeschreibung liefern. Nach den uns vorliegenden Informationen hält sie sich jetzt gerade hier in München auf, sie ist wohl hier aufgewachsen."
Gerrit hakte mit möglichst neutralen Ton nach "Hei?t dass, sie ist nicht tatverdächtig?" Kranz schüttelte den Kopf "Nein, bei einigen der Toten handelte es sich um gestandene Männer. Die Frau ist relativ zierlich, das kann sie unmöglich gewesen sein." 'Wenn Du wüsstest' Der Gedanke durchzog sofort Gerrit Kopf. Schnell drängte er die Worte zurück in die hintersten Regionen seines Gehirns. "Nun, wir vermuten, dass sie den Mord beobachtet hat, denn seit dem scheint sie auf der Flucht zu sein. Wir haben den begründeten Verdacht, das sie sich, da sie sich hier auskennen dürfte, noch länger Zeit in München aufhält. Wir vermuten au?erdem, dass sie verletzt ist, und zwar nicht unerheblich. Wir haben Blut von ihr am letzten Tatort gefunden. Sie muss also etwas gesehen haben"
Kranz berichtete noch, dass er, da alles für die Gro?fahndung nach Mariola in die Wege geleitet habe, nun ins Hotel zurückkehren würde. Er bat darum, ihn dort zu benachrichtigen, falls einer der Beamten eine Spur fand.
Nachdem sich auch Michael verabschiedet hatte, nahm Gerrit auf dem Stuhl von Michael platz, um dort seine noch ausstehenden Berichte zu schreiben. Alex hatte das Gespräch mit Kranz schnell an Seite geschoben, aber Gerrit schrieb die ganze Zeit nur Mist und musste sich ständig verbessern, weil er die ganze Zeit an nichts anderes denken konnte, als daran, dass Mariola verletzt war. Noch dazu musste er aufpassen, dass Alex nicht merkte, wie aufgewühlt er war.
Alex hakte ein paar Mal wegen seines Date?s nach und er fragte sich, ob er Alex von Mariola erzählen sollte. Aber was, wenn sie dann darauf bestand, dass er Mariola bei ihrem Treffen umgehend festzunehmen hatte. Nein. Er wollte von Mariola erst mal selbst hören, was los war und warum sie sich überhaupt wieder bei ihm gemeldet hatte. Michael und Alex durften auf keinen Fall mitbekommen, was los war. Er würde es ihnen später schon irgendwie erklären.
-----------------------------------------------------------
5.
Gerrit stand gegen 17.00 Uhr auf. Nachdem es erst den Anschein hatte, dass die Nachtschicht überhaupt kein Ende nehmen wollte und er schon nicht mehr wusste, wie er Alex Fragen noch ausweichen sollte, war es endlich soweit gewesen und sie hatten die Arbeit wieder an Michael und Robert übergeben können.
Völlig erschlagen war er heute morgen ins Bett gefallen. Seine Träume schienen sich nur um Mariola zu drehen. Warum wolltesie nur so dir nichts mir nichts wieder in sein Leben treten? Und was versprach sie sich von ihm, wollte sie Hilfe? Alles war plötzlich so kompliziert.
Er machte sich gegen 22.00 Uhr fertig und fuhr dann los, um rechtzeitig am Treffpunkt zu sein, denn er wusste, dass er es nicht ertragen würde, wenn er zu spät kam und sie nicht mehr da war. Knapp 20 Minuten zu früh fuhr er deshalb am Treffpunkt vor und stieg aus.
Er stand vor der alten Kirche. Gro? und düster kam sie ihm vor. Ob Mariola schon da war? Er öffnete langsam das Haupttor. Eigentlich hatte er erwartet, dass die Tür um diese Zeit schon abgeschlossen war, aber sie lie? sich ohne ein Laut öffnen. An den Seiten und vorne am Altar brannten die Reste von ein paar Kerzen und erhellten somit das Innere der Kirche etwas.
Er blieb erst einmal im Eingangsbereich stehen. Immer wenn er heute eine Kirche betrat, spürte er so etwas wie Schuld, denn sofort erschienenen vor seinen Augen die Bilder, als er und Mariola ..... Er war von seinen Eltern katholisch erzogen worden und seine Mutter hatte darauf bestanden, dass ihre Söhne wenigstens für kurze Zeit Messdiener wurden, das prägt. Wie sehr, spürte er jedes Mal, wenn er eine Kirche betrat. Deshalb ging er, nachdem er sich auf den Weg nach vorne zum Altar gemacht hatte, auch noch einmal zurück, um seine Finger in das Weihwasser neben der Tür zu stecken und sich zu bekreuzigen.
Unbehaglich ging er durch den Mittelgang nach vorne durch und sah sich um. Die Kerze warfen einige Schatten, aber au?er ihm schien niemand in der Kirche zu sein. Als er fast vorne am Altar ankam, bemerkte er rechts von sich eine Bewegung und schaute danach. Da stand sie und schaute ihn an. Schöner noch, als auf dem Foto, welches er gestern Abend in Händen gehalten hatte. Sein Herz schien zu zerspringen und er merkte, wie sich in ihm was regte und versuchte krampfhaft wieder runterzukommen. Das war hier verdammt noch mal nicht der richtige Zeitpunkt und schon gar nicht der richtige Ort.
Langsam gingen sie aufeinander zu und begrü?ten sich. Gerrit gab ihr zwei Küsschen auf die Wange, aber als er ihren Duft wahrnahm, diesen Duft, den er so viele Jahre lang nicht mehr gerochen hatte, war es um ihn geschehen und kurz darauf küssten sie sich leidenschaftlich. Als er bemerkte, dass Mariola versuchte, ihm seine Jacke ausziehen und sie sich irgendwie gleichzeitig an seiner Hose zu schaffen machte, um seinen Rei?verschluss öffnete, musste er was tun. Da er immer noch erregt war, zwang er sich dazu, sich zusammenrei?en, um sie zu stoppen "Halt, nicht hier." flüsterte er. Sie lachte laut auf "Hast Du immer noch Gewissensbisse?" Er nickte und sah sie ertappt an.
Sie zog ihn mit den Worten "Komm schon, ich merke doch, dass Du auch willst, es muss ja diese Mal nicht der Altar sein" in Richtung des Beichtstuhles. Gerrit bekam leichte Panik. Im Beichtstuhl? Das ging ja mal gar nicht. Mit einem "Ich kann dass hier nicht" zog Gerrit Mariola mit sanfter Gewalt aus dem Nebeneingang aus der Kirche.
Gerrit war erleichtert, als sie endlich neben der Kirche standen. Sie sahen sich einen kleinen Moment schweigend tief in die Augen, dann begann Mariola erneut, auf Gerrit zuzugehen und ihn zu verführen. Er sah sich schnell um und stellte fest, dass kein Mensch zu sehen war. Und so lie?en sie ihren Gefühlen drau?en neben der Kirche auf dem Rasen, vor neugierigen Blicken nur bedeckt durch einen ziemlich gro?en Strauch, ihren Lauf. Als sie fertig waren, zogen sie sich an und lie?en sich völlig fertig auf den Rasen fallen. Sie lagen schwer atmend nebeneinander und schauten in den sternenklaren Himmel. Gerrit sah nach einer Weile zu Mariola rüber. "Ich wei?, wir könnten noch stundenlang hier liegen und gemeinsam Schweigen. Aber willst Du mir nicht langsam mal erzählen, was los ist?"
--------------------------------------------------
6.
Mariola setzte sich auf und sagte "Wir haben einen Abtrünnigen in unseren Reihen. Er ermordet Menschen und gefährdet uns alle damit. Ich bin beauftragt, mich um das Problem zu kümmern. Auf der Suche nach diesen Kerl bin ich ihm nach München gefolgt. Es tut mir leid Dir das sagen zu müssen, aber es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis das erste Opfer hier in München aufgefunden werden wird. Zumindest wenn er im gleichen Rhythmus wie bisher bleibt."
Gerrit atmete hörbar erleichtert auf. "Ich dachte schon.." Mariola funkelte ihn an "Was? Das ich...?" Gerrit beschwichtigte sie "Komm reg Dich wieder ab, war ja nur so ein Gedanken, schlie?lich haben wir uns jahrzehntelang nicht mehr gesehen." Mariola schaute beleidigt weg.
Gerrit wartete darauf, dass sie weitererzählte, aber von ihr kam nichts. "Sag mal, bist Du verletzt? Ein Kollege aus Hamburg ist da und sucht Dich als Zeugin. Ich habe gehört, man hat Blut von Dir gefunden." versuchte Gerrit das Gespräch wieder irgendwie in Gang zu setzen. Mariola schaute ihn wieder an und strich ihm geistesabwesend eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Nur leicht, mach Dir meinetwegen keine Sorgen. Aber ich brauche vielleicht später Deine Hilfe. Falls er mich erneut verletzt, habe ich keinerlei Reserven mehr." Gerrit war angesichts dieser Eröffnung irritiert "Was, wieso und was kann ich tun?"
"Ich brauche vielleicht bald ein bisschen von Deinem Blut" Gerrit sah sie verwirrt an, deshalb fuhr sie umgehend fort "Du hast die Blutgruppe 0 negativ, die seltenste Blutgruppe, die es gibt. Für uns ist sie gleichzeitig das Kostbarstes auf dieser Welt, was es gibt. Dein Blut hat ganz besondere Heilkräfte, na ja, wenigstens für uns."
Gerrit sah sie mit leichtem Widerwillen an "Und was willst Du, was ich jetzt tun soll? Soll ich zum Blutspenden gehen oder was?" Mariola schüttelte den Kopf "Nein, sei einfach nur da, wenn ich Dich brauche und pass auf Dich auf. Sieh einfach nur zu, dass Du ihm nicht zu nahe kommst. Für ihn wärst Du so etwas wie ein Lottogewinn." Mit diesen Worten stand sie auf und rauschte ohne ein weiteres Wort davon.
Gerrit blieb mit seinen Gedankendurcheinander allein auf dem Rasen neben der Kirche zurück. Er sah sich nach ihr um, aber von ihr war nichts mehr zu sehen. Würde er sie noch einmal wiedersehen? Es ärgerte ihn, dass er sie nicht als allererstes nach ihrer Adresse hier in München oder zumindest nach ihrer Handynummer gefragt hatte. Er erhob sich, weil die Kälte des Bodens mittlerweile seinen ganzen Körper erreicht hatte und spazierte langsam auf seinen Wagen zu. Er war nach wie vor ziemlich aufgewühlt und wusste nicht, was er mit Mariolas Erklärungen anfangen sollte. Da er eh jetzt nicht schlafen konnte, beschloss er, in der Kneipe bei sich um die Ecke noch ein paar Bier trinken zu gehen.
---------------------------------------
7.
Noch bevor Gerrit sein Auto erreichte, klingelte sein Handy. Er sah auf das Display und erkannte, dass Michael am anderen Ende war. Trotzdem meldet er sich gewohnheitsgemä? "Grass, Hallo." Michael beorderte ihn zu einem Tatort, weil Alex gerade mit einer Freundin im Kino sa? und ihr Handy ausgeschaltet hatte und er Robert nicht erreichen konnte. Gerrit seufzte und setzte sich hinters Steuer. Das war?s wohl mit seinem freien Wochenende.
Keine 15 Minuten später trat er kurz nach Michael am Tatort ein und ging direkt auf ihn zu. Der schickte ihn mit den Worten "Ich glaube wir haben den Serienmörder aus Hamburg jetzt hier in München. Kranz ist schon auf den Weg hierher." zum Doc, um sich die Leiche anzusehen. War Gerrit gerade noch abgespannt und müde gewesen, so war er nun mit einem Schlag hellwach.
Zögernd ging Gerrit auf Doc Alsleben zu. Die Leiche war bereits mit einer Plane abgedeckt. Das wurde immer so schnell wie möglich gemacht, damit vor allem die Presse am nächsten Tag nicht die Fotos der Leichen in ihren Zeitungen abdrucken konnten. Man wusste ja nie, wie weit die Journalisten gehen würde, um eine Titelstory zu haben.
Eigentlich wollte er sich die Leiche nicht wirklich ansehen, aber das würde bei Michael zu viele Fragezeichen auslösen und das konnte er gerade so gar nicht gebrauchen. So fügte er sich und begrü?te den Doc mit einem knappen "Hallo". Der Doc hob die Plane für ihn an "Hier an der Seite des Halses sind zwei Löscher zu sehen, sonst weist die Leiche keinerlei Wunden auf. Auf den erste Blick sieht es so aus, als wäre aus der Leiche Blut abgesaugt worden. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, das sieht aus, als hätte hier jemand Dracula nachgespielt."
Gerrit konnte sich kaum von dem Anblick der beiden Löcher im Hals lösen und dachte über Mariolas Worte nach. Ob sie hier irgendwo stand und ihm zusah? Er hatte das unangenehme Gefühl, als würde er beobachtet. Er sah sich unbehaglich und so unauffällig wie möglich um, konnte aber nichts entdecken. Michael hatte das Verhalten von Gerrit bemerkt und kam auf ihn zu "Suchst Du jemanden?" Gerrit schüttelte den Kopf und versuchte, möglichst nicht ertappt zu wirken. "Nee, ich schuae mir nur die Schaulustigen an, man kann ja nie wissen." Michael nahm ihn das ab und sie besprachen ihre weitere Vorgehensweise.
Bis zum frühen Morgen liefen die ersten Ermittlungen und Gerrit und Michael waren vollends damit beschäftigt, die Informationen zusammenzutragen. Wie immer war es äu?erst wichtig, schnell zu handeln. Kranz, der sich den Tatort ganz genau angesehen hatte, hatte mittlerweile die Akten der drei Mordfälle in Hamburg aus seinem Hotelzimmer geholt und sie ihnen ausgehändigt. Michael und Gerrit hatten auf die Schnelle die Tatortfotos und die relevanten Daten der Fälle an der Pinwand im Büro aufgehängt. Sich die Akten im Detail anzusehen, dazu hatten sie bisher keine Zeit gehabt. Gegen 08.00 Uhr trafen auch Alex und Robert endlich ein und so konnte eine erste Besprechung stattfinden, an der auch Kranz teilnahm.
-----------------------------------------------
8.
Kranz berichtete im Groben von den Ergebnissen der Untersuchungen in Hamburg. Aber das Manko der Ermittlungen war, dass es vom Täter keinerlei Beschreibung gab. Man war also dringend auf die Aussage von Mariola Mendes angewiesen. Gerrit nahm sich gerade im Gedenken vor, Mariola zu suchen und sie irgendwie dazu zu bewegen, eine Aussage zu machen, als der Doc eintraf. "Hallo zusammen. Ich bin gerade mit der Obduktion fertig geworden und dachte, ich teile Euch das Ergebnis lieber direkt persönlich mit."
Alle sahen ihn fragend an und so setzte er fort "Also, meine erste Vermutung hat sich leider als richtig herausgestellt. Die Leiche weist kaum noch Blut auf. Es hat den Anschein als wären ihr durch die beiden Wunden am Hals, Blut entnommen worden, zumindest soviel, dass sie an dem hohen Blutverlust gestorben ist." Michael hakte nach "Aber der Mann weist keinerlei Abwehrspuren auf, hatte er ein Betäubungsmittel im Blut? Und wie kann man durch diese Wunden soviel Blut abzapfen. Ich meine es war am Tatort keinerlei Blutlache zu sehen, rein gar nichts?"
Der Doc überlegte offenbar, was er genau sagen sollte "Nun, ein gängiges Betäubungsmittel habe ich nicht gefunden, aber nun die Wunden sehen aus, als hätte jemand tierische Eckzähne in den Hals geschlagen. Dazu passt, dass ich in den Wunden Speichel gefunden habe und na ja, der Speichel weist menschliche DNA auf, aber nur zum Teil." Alle - na ja, fast alle - sahen sich verwundert an.
Robert meldete sich als erstes wieder zu Wort "zum Teil menschlich? Wie geht denn das?" Der Doc zuckte mit den Schultern "Tja, das wei? ich auch noch nicht, da sind wir zur Zeit noch dran Wir versuchen auch, aus der DNA das Geschlecht zu bestimmen." Robert dachte laut weiter "Leute ich wei? ja nicht, aber das sieht doch verdammt nach Vampiren aus." Michael lachte "Robert, Vampire gibt es nicht. Also müssen wir wohl oder übel weiter überlegen, welche logische Erklärung es dafür gibt.Vielleicht wurde ja hinterher noch eine Substanz in die Wunde gespritzt"
Eine halbe Stunde später löste sich die Besprechung ohne nennenswertes Ergebnis auf und Michael und Gerrit sowie Herr Kranz verabschiedeten sich, um erst einmal eine Runde schlafen zu gehen, während Alex und Robert weiterermittelten.
Nachdem Michael sich von Gerrit verabschiedet hatte, ging der langsam zu seinem Fahrzeug und überlegte, wo er Mariola zuerst suchen sollte. Vermutlich hatte sie sich irgendwo in der Gegend, die sie wie ihre Westerntasche kannte, einquartiert. Er wollte gerade seine Wagentür öffnen, als er von Kranz, der ihm gefolgt war, hinterrücks angesprochen wurde "Mir scheint so, als würden sie von den Ergebnissen Ihren Pathologen nicht so überrascht sein wie ihre Kollegen, hat das einen Grund?"
Gerrit drehte sich überrascht zu ihm um und musterte ihn "Nein, wieso?" "Weil jeder, der diese Ergebnisse hört, so reagiert, wie Ihre Kollegen, nur Sie, Sie schienen sie geradezu erwartet zu haben." Gerrit antwortete ziemlich genervt "Hören Sie, ich wei? nicht, was Sie genau von mir wollen, aber ich habe jetzt zwei Nachtschichten hintereinander hinter mir und da tut es mir leid, wenn ich nicht so reagiert habe, wie Sie es gerne wünschen, aber wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich jetzt gerne nach Hause fahren, um dort eine Runde zu schlafen. Also, war?s das?" Kranz mustere ihn noch eine Weile, nickte dann aber und wandte sich ab, um zu seinem eigenen PKW zu gehen. Gerrit schaute ihm nach und stieg dann ebenfalls in sein Auto.
-------------------------------------------------
9.
Vorsichtshalber hatte Gerrit beschlossen, zunächst einmal direkt nach Hause zu fahren. Er würde sich über den Hinterausgang aus dem Haus schleichen, um sich auf die Suche nach Mariola zu begeben. Die ganze Zeit beobachtete er den Verkehr hinter sich und wenn ihn nicht alles täuschte, fuhr tatsächlich jemand hinter ihm her. Er würde alles darum wetten, dass dieser Jemand Kranz war. Er musste sich einfach mehr in Acht nehmen, jetzt wo er wusste, dass dieser Kranz etwas ahnte. Er schüttelte den Kopf über sich selbst und darüber, dass er schon begann, darüber nachzudenken, sich in Acht zu nehmen. Er mochte den derzeitigen Zustand ganz und gar nicht und hoffte, dass er bald vorbei sein würde.
Er stellte den Wagen vor seiner Haustüre ab, ging nach oben in seine Wohnung und zog im Schlafzimmer die Jalousie runter. Dann wartete er eine Zeitlang und schlich sich anschlie?end durch den Hinterausgang raus. Zu Fu? ging er ein ganzes Stück, um dann mit der U-Bahn in die Gegend zu fahren, in der Mariola früher gewohnt hatte. Die Häuser waren nicht mehr bewohnt. Irgendwann vor einigen Jahren waren alle ausgezogen, weil die Häuser sanierungsbedürftig waren. Der alte Eigentümer hatte einfach nicht das Geld, um die notwendigen Reparaturarbeiten vornehmen zu lassen und neue Interessenten waren nicht in Sicht. Deshalb war bis heute niemand mehr hier eingezogen.
Er beobachtete die Gegend einige Zeit, aber au?er ein paar Jugendlichen, die sich in einigen der Häuser herumschlichen, war niemand zu sehen. Vorsichtig näherte er sich dem Haus, in dem Mariola früher gewohnt hatte. Wenn sie ein Versteck brauchte, dann kannte sie sich hier in der Gegend am besten aus. Er sah sich in dem Haus um, aber von Mariola war keine Spur zu sehen. Irgendwann stand er in ihrem früheren Kinderzimmer. In dem Zimmer, in dem sie als Jugendliche oft Fernsehen geschaut hatten, jedoch nur, wenn Mariolas Mutter Spätschicht hatte.
Er schaute gedankenversunken aus dem Fenster. In einiger Entfernung sah er einen kleinen Hügel. Der alte Bunker. Natürlich! Sie hatten irgendwann das Zahlenschloss des Bunkers geknackt und seit dem war der Bunker ihr Treffpunkt gewesen. Wie hatte er den Bunker aus seinem Gedächtnis streichen können.
Er rannte die Stufen wieder runter aus dem Haus raus und in Richtung des Bunkers. Je näher er dem Bunker kam, desto langsamer wurde er. Er musste nicht nur aufpassen, das Kranz ihn nicht doch noch beschattete, sondern auch, dass Mariola nicht irgendwelche Fallen aufgestellt hatte, für den Fall, dass Jemand unangemeldet kam. Sie konnte da sehr einfallsreich sein. Er war mal in eine ihrer Fallen geraten und das war ein äu?erst schmerzhaftes Erlebnis gewesen. So etwas brauchte er jetzt gerade nicht.
Endlich stand er vor der Tür des Bunkers. Die Tür sah unangetastet aus, aber das sagte nichts aus, denn Mariola war eine Meisterin in Sachen Tarnung. Er musste gar nicht lange über die Zahlenkombination nachdenken, denn er hatte sie schon so oft eingegeben, dass sie sich in seinem Gedächtnis eingebrannt hatte. Mechanisch gab er die Zahlen ein und die Tür lie? sich öffnen. Er roch sofort ihr Parfum, sie war also hier. In ihm brannte erneut ein warmes Gefühl auf, so als sei er zu Hause. Er nahm eine von den Taschenlampen, die sie damals am Anfang des Ganges platziert hatten, schloss die Au?entür hinter sich und ging zur Zwischentür.
----------------------------------------------
10.
Als er sie öffnete, brannte wie erwartet Licht in dem Raum. Mariola stand an dem Tisch, den sie zusammen mit zwei Stühlen und einer alten Matratze gemeinsamen vor Jahren hierher gebracht hatten, und sah ihm lächelnd entgegen. In der Hand hielt sie eine Flasche Wein und zwei Gläser. "Ich habe Dich bereits erwartet" begrü?te sie ihn, kam sogleich auf ihn zu gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Ach ja?" fragte Gerrit mit leichten Unglauben. Sie nickte."ich rieche und spüre Dich schon von weitem mit all meinen Sinnen." Sie stellte die Flasche und die beiden Gläser auf den Tisch ab und begann ihn zu verführen. Schon wieder spürte er, dass er ihren Verführungskünsten einfach nicht entkommen konnte. Sie wusste einfach zuviel von ihm und seinen sexuellen Vorlieben. So schob er das notwendige Gespräch gedanklich nach hinten und begann ebenfalls, sie zu liebkosen.
Nach einem anstrengenden Liebesakt war er sofort vor lauter Müdigkeit auf der Matratze eingeschlafen. Sie lie? ihn gewähren und schlummerte ebenfalls ein bisschen neben ihm. Erst am späten Nachmittag wachte er wieder auf und sah neben sich Mariola liegen. 'Was für eine Frau' dachte er und fragte sich, was gewesen wäre, wenn sie ihn damals nicht verlassen hätte.
Aber da all das Grübeln über was wäre wenn nichts brachte, weckte er Mariola liebenvoll, indem er ihr ein paar Mal mit der Hand sacht über die Wange strich. Langsam öffnete Mariola ihre Augen und wollte gleich wieder zur Sache kommen, aber dieses Mal hielt er sie davon ab. "Mariola, wir müssen dringend miteinander sprechen. Wir haben einen Mordfall, ich glaube es war der Typ, von dem Du sprichst. Der Mörder ist vorgegangen wie in Hamburg." Mariola sah ihn an "Ich wei?, ich war gestern Abend da und habe Dich gesehen." Sein Gefühl hatte ihn also nicht betrogen. Er bat sie "Mariola, nur Du weist, wie der Typ aussieht, wir brauchen dringend ein Phantombild. Bitte, komm mit ins Büro und mache eine Aussage."
Mariola stand auf "Du weist, dass das nicht geht." Gerrit sah ihr zu, wie sie sich was anzog und merkte, dass sich bei ihm wieder was regte. Aber rigoros drängte er das Gefühl zurück und zog sich ebenfalls an und versuchte erneut Mariola umzustimmen "Du musst doch nicht alles sagen, nur dass Du ihn beobachtet hat und wie er aussieht, aber das würde uns schon helfen. Bisher haben wir gar nichts, kein Phantombild und keine Beschreibung. Wie sollen wir ihn da finden?" Mariola kam auf ihn zu und strich ihm übers Haar "Ach Gerrit, wir müssen uns doch nichts vormachen. Du weist doch sicher, dass mir keine andere Wahl bleibt, als ihn zu töten, wenn ich ihn finde. Nur dann hat das alles ein Ende."
Gerrit versuchte noch mehrfach, Mariola doch noch von einer Ausrede zu überzeugen, aber Mariola blieb hart und so steckte er in der Zwickmühle. Sollte er sie entgegen ihrem Willen mit zur Dienststelle schleifen oder sie besser gewähren lassen, weil er tief in seinem Inneren ahnte, dass nur sie etwas gegen diesen Typen, wer auch immer es war, ausrichten konnte. Konnte er noch ein weiteres Menschenleben riskieren? Aber was wenn er seinen Kollegen die Wahrheit sagte, würden die ihn dann nicht in eine Klapsmühle stecken?
Er beschloss erst einmal noch abzuwarten und so fuhr er mit der U-Bahn wieder nach Hause, um sich umzuziehen, weil er Michael vor der Arbeit noch abholen musste.
---------------------------------------------------
11.
Als Michael ins Auto stieg, schaute er Gerrit an und meinte "Mensch wie siehst Du denn aus, hast Du nicht geschlafen?" Gerrit sah ihn an. Durch die Begegnungen mit Mariola hatte er tatsächlich wenig Schlaf erhalten, abgesehen davon, dass der Sex mir ihr was von Spitzensport hatte, aber dass konnte er ihm wohl unmöglich sagen. Deshalb entschied er sich, für eine Art Halbwahrheit "Schon, aber eher schlecht als recht." Michael gab sich damit zufrieden und so fuhren sie ins Büro, um zusammen mit Robert und Alex weiter zu ermitteln.
Als sie im Büro ankamen, war Kranz auch schon da. Zusammen mit ihm wurden sie von Alex und Robert darüber aufgeklärt, dass die Sichtung der Hamburger Akten ergeben hatte, dass es sich tatsächlich um ein und dasselbe Tatmuster handelte. Aber das hatten ja alle schon geahnt. Au?erdem hatten ihre Auswertungen ergeben, dass zwischen den Morden jeweils 5 bis 6 Tage lagen. Gerrit atmete gedanklich auf. Rang er bisher immer noch mit sich, ob er den Kollegen von Mariola berichten sollte oder nicht, hatte das glücklicherweise nun weitere Zeit, sie doch noch zu einer Aussage zu überreden, weil es vermutlich bis zu dem Auffinden einer weiteren Leiche des Serienmörders ein paar Tage dauern würde.
Robert kam noch einmal auf die Ergebnisse des Doc zurück. "Der Doc hat gerade angerufen. Er wei? immer noch nicht, was es mit der merkwürdigen Zusammensetzung des Speichels auf sich hat, aber die teilweise menschliche DNA weist eindeutig auf einen Mann hin. Wir können also davon ausgehen, dass unser Täter ein Mann ist."
Die Aufgaben wurden verteilt und Gerrit sollte sich mit Alex noch einmal in der Gegend, in der die Leiche gefunden wurde, umsehen. Alex hatte bemerkt, dass irgend etwas mit Gerrit nicht stimmte und fragte sich, ob das mit dem Fall zu tun hatte, denn sie hatte auch mitbekommen, dass dieser Kranz Gerrit die ganze Zeit beobachtete. Deshalb sprach sie ihn an "Sag mal Gerrit, was ist in den letzten beiden Tage eigentlich mit dir los, hat das was mit Deiner alten Freundin zu tun?" Gerrit wiegelte mit einem "Nee, wirklich nicht. Ich bin nur müde." ab, aber er kannte natürlich Alex Hartnäckigkeit. Nach einer ganzen Tirade von Fragen hatte er Alex zwar einige Auskünfte gegeben, dass es sich bei seiner alten Freundin aber um die gerade gesuchte Frau handelte und vor allem, was sie war, darüber schwieg er beharrlich.
Die ganze Zeit, während Alex ein paar Leute in der Umgebung befragte, dachte Gerrit über eine Lösung des Problems nach und versuchte, den Gesprächen wenigstens einigerma?en zu folgen.
--------------------------------------------------------
12.
Sie arbeiteten noch bis gegen 23.00 Uhr und machten dann Feierabend. Gerrit fuhr ziemlich fertig nach Hause und legte sich sofort ins Bett. Aber einschlafen konnte er trotz seiner Müdigkeit nicht, denn immer wieder versuchte er, eine Lösung für die Zwickmühle, in der er sich befand, zu finden.
Seit er Mariola wieder gegenübergestanden hatte, wusste er, dass es wie früher war und der Zauber durch all die Jahre Getrenntseins nicht verloren gegangen war. Er wusste sofort auch ohne Worte, was sie dachte, was sie wollte und überhaupt. Eine Vertrautheit, die ihm bei keiner anderen Frau nach ihr jemals wieder widerfahren war. Er ahnte, dass dies auch in seinem ganzen Leben nie wieder so sein würde. Ebenso wusste er so sicher, wie das Amen in der Kirche, dass Mariola nicht aussagen würde. Er hörte noch immer ihre Worte in seinem Gehirn herumschwirren
'Du weist doch sicher, dass mir keine andere Wahl bleibt, als ihn zu töten, wenn ich ihn finde. Nur dann hat das alles ein Ende.'
und er konnte einfach nichts daran ändern. Oder doch? Er beschloss, so schnell wie möglich noch einmal mit Mariola zu reden, um vielleicht mit ihr einen Kompromiss zu schlie?en. Nachdem er diesen Entschluss getroffen hatte, fiel er endlich in einen sehr unruhigen Schlaf.
Als er gegen 03.30 Uhr unsaft von seinem Handy geweckt wurde, schrak er aus einem Alptraum auf und dachte zunächst, er habe auch dieses nervtötende Klingeln geträumt, aber es schellte unerbittlich weiter. Ohne Licht anzumachen grabschte er auf seinem Beistelltisch herum, um sein Handy zu suchen, wobei es durch das Grabschen aber erst einmal auf die Erde fiel. Seufzend schaltete er nun doch das Licht an und nahm verärgert sein Handy an sich "Grass, wer stört" meldet er sich verschlafen und unwirsch zugleich. Als Michael sich mit "Gerrit, ich brauch Dich, Kranz ist vor knapp 15 Minuten im Theresienpark tot aufgefunden worden. Er ist ziemlich mies zugerichtet." meldete, sass er umgehend kerzengerade in seinem Bett. Er brachte nur ein kurzes "ich komme" hervor, beendete das Gespräch, machte sich kurz frisch und zog sich was über.
In Gerrits Gedanken herrschte ein heilloses Chaos und so fuhr er mit einem mulmigen Gefühl zum Tatort. Hatte er womöglich den Tod von Kranz zu verantworten, weil er Mariola nicht mit Gewalt ins Präsidium geschleppt hatte? Die ganze Zeit konnte er über nichts anderes nachdenken und seine Schuldgefühle schienen von Minute zu Minute zu wachsen, je näher er dem Tatort kam.
---------------------------------------------------------
13.
Als er am Tatort ankam, waren bereits alle da, der Doc, Michael, Alex und selbst Robert hatte es noch vor ihm geschafft. Langsam stieg er aus den Wagen aus und begab sich erst einmal zu Michael, der ihm am nächsten stand. Der hielt gerade ein blutverschmiertes Messer in der Hand und hielt es, als er Gerrit auf sich zukommen sah, hoch "Hier das hatte Kranz in der Hand, er hat offenbar seinen Angreifer verletzt und das nicht zu knapp." Als Gerrit nickte, hielt Michael das Messer Rainer von der Spurensicherung hin und sagte zu ihm "Hier, nimm das mal an Dich, das Messer muss vordringlich untersucht werden." Gerrit sah, dass Rainer das Gesicht verzog, dann das Messer resignierend ohne etwas zu sagen an sich nahm und in eine Plastiktüte steckte. Michael konnte es aber auch manchmal übertreiben mit seinen Anweisungen. Die Leute von der Spurensicherung wussten sicher auch selbst, was mit so einem Beweisstück zu machen war. Aber Gerrit sagte dazu nichts, sondern ging rüber zu Alex, die sich gerade die Leiche ansah.
"Hey Alex" begrü?te er sie. "Hallo Gerrit, kein schöner Anblick. Was auch immer der Mörder benutzt hat, es sieht aus, als habe ihn ein wildes Tier angefallen." Da Gerrit sie fragend ansah, hob sie die Plane noch einmal ein Stück weiter an und zeigte Gerrit den Oberkörper von Kranz "Hier sieh mal, 4 tiefe Striemen," sie zog marginal ihre gespreizten Finger an den Wunden entlang "fast so, als habe jemand mit Krallen und ungeheurer Kraft zugeschlagen. Sieh Dir die Wundränder mal an, so etwas habe ich noch nie gesehen." Gerrit sah zwar kurz hin, schaute dann aber lieber weg, er konnte den grausamen Anblick der ausgefranzten Wundränder nicht länger ertragen, wohl auch, weil ihn seine Schuldgefühle immer mehr plagten.
Alex bemerkte, dass er nicht ganz bei der Sache war und sah ihn fragend an "Gerrit ist was mit Dir, Du bist ziemlich blass?" Gerrit zuckte mit den Schultern "Ich wei? nicht genau, mir geht es nicht so gut." und stand auf. Alex tätschelte ihn am Oberarm und schickte ihn zu Michael "Geh nach Hause und ruh Dich doch ein bisschen aus, immerhin hast Du jetzt schon zwei Nachtschichten hintereinander gemacht. Sag aber vorher noch Michael Bescheid." Da er nicht wusste, wie er weiterhin überhaupt die Kraft aufbringen sollte, an diesem Fall mitzuarbeiten, nahm er Alex Vorschlag dankend an und sah sich um, um zu schauen, wo Michael sich gerade aufhielt.
Plötzlich war dieses merkwürdige Gefühl wieder da. Ihm war, als würde er nahezu die Anwesenheit von Mariola spüren. Er sah sich um. Alles war wie immer. Obwohl um diese Zeit eigentlich nicht mit so genannten Gaffern zu rechnen war, standen doch einige Leute hinter den mittlerweile von der Polizei errichteten Sperren und unverfroren starrten zu ihnen rüber. Mariola war nicht dabei, aber Gerrit war sich sicher, dass sie in der Nähe war und er wusste nicht wie, aber er wusste, dass sie in einem der Hauseingänge weiter hinten rechts stand. Er focosierte den Hauseingang, konnte aber nichts Genaues erkennen. Dennoch wusste er, dass er sich nicht irrte. Er beschloss, dass es höchste Zeit war, noch einmal mit ihr zu reden.
Er schlenderte zu Michael rüber und sagte "Hör mal Michael, mir ist nicht gut. Wenn es geht, würde ich gerne nach Hause fahren, es sind ja sonst alle da." Michael sah ihn nur kurz an und registrierte, dass Gerrit tatsächlich etwas blass aussah. Er nickte "Klar, fahr nach Hause und ruh Dich aus, wir sehen Dich dann morgen früh. Aber schlaf Dich erst mal richtig aus. OK"
---------------------------------------------------------
14.
Gerrit verabschiedete sich von allen, stieg in seinen Wagen, wendete und fuhr - obwohl er die Gewissheit seines Gefühls nicht mit seinem Verstand in Einklang bringen konnte - in die Richtung, in der er meinte, Mariola "gespürt" zu haben.
Er beobachtet die Hauseingänge, an denen er vorbeifuhr und tatsächlich fast am Ende der Stra?e stand sie in einem der Hauseingänge und lächelte ihm entgegen. Er zeigt ihr an, dass er in die Nebenstra?e fahren würde und sie einsteigen sollte. Er wollte nicht, dass einer seiner Kollegen durch Zufall sah, dass er Jemanden mitnahm. Sie schaute kurz in Richtung des Tatortes, so als ob sie befürchete, von Jemandem erkannt zu werden und und ging dann rüber zu Gerrits Wagen.
Als sie eingestiegen war, sah er sie schweigend an, bis sie ihn fragte "Woher wusstest Du, dass ich hier stehe?" Gerrit zuckte nur mit der Schultern, denn was sollte er ihr schon sagen, sie wusste es sicher schon längst. Als sie keine Antwort bekam, fragte sie statt dessen "bringst Du mich zum Bunker?" Er schüttelte den Kopf "Nein, wir fahren zu mir. Ich will nicht schon wieder auf dieser bescheuerten und sehr alten Matratzen schlafen." und fuhr los, bevor sie wieder aussteigen konnte.
Auf der Fahrt schwiegen sie und doch war es nicht unangenehm, denn es entstand ein ziemlich anregendes Prickeln zwischen ihnen und beiden war klar, dass der Rest der Nacht unweigerlich im Bett enden würde.
Als Mariola Gerrits Wohnung betrat sah sich sie neugierig um. Er war geschmackvoll eingerichtet, obwohl man sofort sah, dass es eine Junggesellenwohnung war. Eine Frau hatte hier bislang noch keine Hand angelegt. Alles hier war so typisch Gerrit, dass sie schmunzeln musste.
Während er ihre Jacken aufhing und Wein und Gläsern aus der Küche holte, machte sie es sich auf der Couch bequem und wartete auf ihn. Sie freute sich auf den Sex mit ihm. In den letzten Monaten hatte sie selten Sex gehabt, umso mehr genoss sie die Zeit mit ihm gerade, fast so, als wolle sie genug davon bekommen, um noch lange davon zehren zu können. Sex mit ihm war so herrlich unkompliziert. Keine langes Herumdrücken oder Herausfinden, was der andere gerne mochte, einfach nur ein entspanntes auf den anderen Eingehen. Auch das war etwas, was sie in all den Jahren vermisst hatte.
Obwohl Gerrit bereits ziemlich erregt war, hatte er doch den Vorsatz, mit Mariola zuerst über den Fall zu reden, aber als er sich neben sie auf das Sofa setzte und sie ihre Hand auf seinen Oberschenkel legte und diese langsam nach oben schob, schob er all seine Vorsätze gedanklich hinten an. Das konnte auch warten.
--------------------------------------------
15.
Als sie einige Zeit später erschöpft nebeneinander in Gerrit?s Bett lagen, kuschelte sich Mariola in Gerrit?s Arm. Gerrit wusste, dass er das Gespräch nicht weiter hinauszögern durfte, denn er wusste nicht, ob sie gehen würde, sobald er eingeschlafen war. ?berhaupt befürchtete er, dass er sie nicht aufhalten könnte, wenn sie gehen wollte, wie auch? Er fragte leise "Mariola, warum musste Kranz sterben?"
Mariolas Kopf schoss hoch und sie sah ihn mit gro?en rehbraunen Augen an. Sie spürte seine Schuldgefühle "Gerrit, du hättest es nicht verhindern können. Niemand hätte das. Kranz wusste genau, worauf er sich einlie? und wollte nicht auf die Warnungen, die er bekommen hat, hören. Deshalb ist er nun tot." Gerrit dachte lange über ihre Worte nach, als er sagte "Der Täter ist verletzt, Kranz hatte ein Messer dabei und hat ihn offenbar verletzt." Mariola richtete sich erneut auf "Tatsächlich?" überlegte einen kurzen Augenblick und freute sich dann "das bedeutet, er braucht ganz schnell Blut, das macht ihn unvorsichtiger."
Sie wollte aufstehen, aber Gerrit hielt sie am Handgelenk zurück "Mariola was soll das hei?en, dass er nun noch schneller Menschen abschlachtet?" Das wäre eine Katastrophe für ihn und so bat er inständig "Das kannst Du nicht zulassen. Sag mir bitte, was Du weist, wir ziehen ihn dann aus dem Verkehr." Mariola strich ihm beruhigend über die Wange "Ach, Gerrit, wenn das so einfach wäre, aber glaube mir, Ihr hättet keine Chance." Wollte sie gerade noch gehen, legte sie sich nun wieder neben Gerrit, weil sie spürte, dass er jetzt gerade ihre Nähe brauchte.
Gerrit dachte fieberhaft über ihre Gespräche in den letzten Tagen nach und strich ihr zärtlich über die langsam verheilende Wunde am Oberarm, die sie bei einer ihrer letzten Begegnung mit dem Kerl davongetragen hatte. Plötzlich fiel ihm wieder ein, was sie ihm vor zwei Tagen gesagt hatte über Blut oder besser gesagt über sein Blut. "Sag mal Mariola, als Du sagtest, das mein Blut euch heilt, was war da dran?" Mariola stutzte "Wie was war da dran? Es ist so. Wir verzichten aus Sicherheitsgründen möglichst darauf Blut zu uns zu nehmen. Wenn es gar nicht anders geht, muss Tierblut herhalten. Nur ganz wenige von uns bedienen sich aus den Blutspendediensten, aber in der heutigen Zeit der Videoüberwachung wird das auch immer schwieriger. Aber wenn wir verletzt sind, dann kann Blut uns heilen. Mit Blut der Gruppe 0 negativ geht es am schnellsten, wenn es warm und pulsierend direkt aus der Ader getrunken wird, kann sogar so etwas eine eine spontane Heilung stattfinden."
Gerrit hatte schweigend zugehört. Für ihn waren die Erklärungen nur schwer nachzuvollziehen, aber er versuchte dennoch, eine Logik in das ganze Konstrukt zu bringen. Verwirrt fragte er "Videokameras sind ein ein Problem für Euch? Könnte ihr Euch nicht durchsichtig oder so was ähnliches machen?" Mariola lachte "Klar und ein Spiegelbild haben wir auch nicht oder was? Gerrit, Gerrit, vergiss am besten den Schei?, den Du aus den zahlreichen Vampirfilmen kennst. Es ist nicht alles wahr. Ich kann auch nicht fliegen!"
------------------------------------------------------------------
16.
Mariola hatte Recht, aber was konnte sie in Wahrheit alles? Er nahm sich vor, auf jeden Fall auf alles gefasst zu sein. Dann dachte er wieder über den aktuellen Mord nach. "Warum mordet er und wer ist es überhaupt?" Mariola stöhnte, Gerrit war ihr eindeutig zu neugierig, aber nun konnte sie nicht mehr zurück, denn sie hatte ihn schlie?lich hinzugezogen. "Ricardo, er hei?t Ricardo. Er wurde vor ein paar Monaten durch einen Unfall schwer verletzt und seine Mutter hat sich nicht anders zu helfen gewusst, als ihm noch pulsierendes Blut zuzuführen. Er war schon immer labil. Wenn man das noch warme Blut aufsagt, dann ist das, ach ich kann es nicht beschreiben, es ist einfach ein einmaliges Erlebnis. Jeder von uns hat das schon einmal mit einem Tier versucht." Sie strich mit ihrem Finger über Gerrit?s nackte Brust und stie? langsam weiter nach unten vor "aber menschliches Blut, das ist einfach die Krönung, schöner und intensiver noch als jede Ekstase beim Sex"
Bevor sie weiter zu seinem Genitalbereich vordringen konnte hielt Gerrit ihre Hand fest "und was ist dann passiert, nachdem ihm das Blut offenbar geholfen hat, denn sonst hätten wir dieses kleine Problem ja wohl kaum?" "Seit dem ist er auf der Jagd. Wie gesagt, er war schon immer labil und für ihn ist das Blut wie eine Droge, man könnte sagen er ist süchtig danach. Deshalb wird er sterben müssen, weil er nicht damit aufhören wird, niemals."
Gerrit dachte über all das, was Mariola ihm soeben erzählt hatte nach und fragte dann flüsternd "Warum hast Du mich damals verlassen, wegen meiner Blutgruppe?" Mariola nickte "Ja, ich bin mir zwar sicher, dass ich Dir niemals hätte etwas antun können, aber ich konnte auch nicht das Gegenteil riskieren. Dein Blut ist einfach zu kostbar. Deshalb sind wir nach Hamburg umgezogen und von da an unter uns geblieben."
"Woher wusstest Du von meiner Blutgruppe, ich habe Dir nie davon erzählt." Mariola wusste nicht, wie viel Wahrheit Gerrit noch ertragen würde, er war schlie?lich nur ein Mensch. Und doch war er Gerrit, ihr Busenfreund aus Kinder- und Teenagertagen, der Mensch, dem sie nach dem Tod ihrer Mutter mehr als jedem anderen Lebewesen in ihrem Leben vertraute. "Meine Sinne sagten es mir. Ich kann es riechen und es zieht mich nahezu magisch an." Obwohl er es bereits geahnt hatte, schockte es ihn das doch einigerma?en. Er begann sich zu fragen, warum er für sie seinen Job aufs Spiel setzte. War es wirklich seine eigene Entscheidung oder konnte sie ihn durch irgendwelche Mittel manipulieren. Die Morde waren alle ohne Gegenwehr geschehen und doch konnte im Blut der Opfer keine Droge oder ein Betäubungsmittel festgestellt werden. Waren sie auf andere Weise ruhig gestellt worden?
Durch Gerrit?s Kopf schoss ein Gedanke nach dem anderen und plötzlich hatte er eine Idee, die sich zu verfestigen begann. Er sah Mariola an "Du kannst es also riechen, wenn jemand meine Blutgruppe hat. Ricardo auch?" Mariola nickte und er fuhr fort "Das ist gut, dann können wir ihm eine Falle stellen. Er ist verletzt und braucht Blut, vorzugsweise welches mit meiner Blutgruppe."
Mariola erhob sich ruckartig, denn sie verstand sofort, dass er selbst als Lockvogel herhalten wollte. "Auf gar keinen Fall!" entgegnete sie entschieden. Gerrit war verwirrt "Aber wieso denn nicht, das ist doch die Gelegenheit. Au?erdem, wenn er Jagd auf mich macht, dann wenigstens nicht auf einen weiteren Unschuldigen und Du wirst schon nicht zulassen, dass mir etwas passiert." beruhigte er sie.
Mariola war aufgewühlt. Ja, es war eine einmalige Gelegenheit und von der Logik her gesehen, war sie auch äu?erst sinnvoll, aber was, wenn sie Ricardo gar nicht stoppen konnte, wenn er trotz seiner Verletzung noch zu stark für sie war? Er würde Gerrit ohne zu zögern töten. Wenn sie versagte, war Gerrit tot und davor hatte sie Angst, gro?e Angst sogar. Aber was sollte sie anderes tun, als auf Gerrit?s Vorschlag einzugehen. Wenn sie nicht darauf einging riskierte sie, dass er versuchte, es alleine mit Ricardo aufzunehmen und dann war er ganz ohne Schutz. Dazu kam, dass sie zwar eine ungefähre Vorstellung, wo Ricardo sich sich versteckt hielt, hatte, ihn aber noch nicht genau lokalisieren konnte.
Da beide wussten, dass es keinen anderen Ausweg gab, begannen sie, den Plan zu verfeinern und legten sich anschlie?end wenigstens noch für ein paar Stunden schlafen.
-----------------------------------------------------
17.
Alex und Michael waren direkt vom Tatort ins Büro gefahren, um die ersten Schritte einzuleiten, während Robert zusammen mit einem Polizeibeamten in das Hotel, in das Kranz abgestiegen war, fuhr, um dessen Sachen zu holen. Robert fand dabei das private Tagebuch von Kranz, nahm es an sich und beschloss es später zu lesen. Als er wieder ins Büro kam, legte er das Tagebuch erst einmal beiseite und nahm es erst gegen 08.30 Uhr wieder in die Hand, um zu sehen, ob darin etwas Brauchbares stand.
Aufgeregt kam er zwei Stunden später wieder ins Büro von Michael und Alex gelaufen. "Ist Gerrit schon da?" Michael sah ihn erstaunt an "Nein, wir dachten wir lassen ihn ausschlafen, er sah gestern Nacht wirklich nicht gut aus. Der kommt gleich schon noch."
Michael und Alex beobachteten Robert dabei, wie er hektisch versucht Gerrit über Michaels Telefon zu Hause zu erreichen. Aber niemand ging dran "Verdammt, über Handy habe ich?s auch schon versucht, wir müssen ihn unbedingt finden." Alex wurde es langsam zu bunt "Sag mal Robert, was ist eigentlich los, Du tust gerade so, als sei Gerrit in Gefahr." Robert nickte in seiner bekannt übertriebenen Art "Ich fürchte ja. Ich habe mir das Tagebuch von diesem Kranz durchgelesen. Er ist davon überzeugt, dass die Morde - haltet Euch fest - von einem Vampir durchgeführt werden und die Zeugin, die er sucht, ebenfalls dazugehört." Michael lachte "So so von Vampiren also. Aber was hat Gerrit damit zu tun, soviel ich wei?, glaubt der genauso wenig wie ich an Vampire oder sonstige mystische Gestalten?"
Robert setzte sich auf die Fensterbank "Ja ich wei?, das Ganze hört sich etwas merkwürdig an, aber denkt doch mal darüber nach, es würde alles passen. Vielleicht suchen wir ja einen Typen, der glaubt Vampir zu sein?" Alex dreht sich zu ihm um "Robert komm bitte zum Punkt, wir sind gerade nicht mehr ganz so aufnahmefähig, was hat Gerrit mit all dem zu tun?" Robert nahm das Tagebuch zur Hand "Wartet ich lese Euch am Besten mal die letzten Zeilen aus dem Tagebuch von Kranz vor:
'Auch die Ermittlungsergebnisse hier in München passen zu meinem Ergebnissen Egal was man sich in Hamburg hinter vorgehaltener Hand über mich erzählt. Ich bin mir sicher, auch hier wird man über kurz oder lang zu dem einzig logischen Schluss kommen, dass es sich um die Morde eines Vampirs handelt. Ich halte mich bewusst bei den Mutma?ungen zurück, obwohl ich jedes Mal zustimmend klatschen möchte, wenn die Rede auf Vampire kommt. Aber ich darf nichts beeinflussen. Wahrscheinlich wird man es nicht direkt aussprechen, aber jeder hier wird wissen, um was für ein Wesen es sich bei dem Täter handelt.
Ich muss auf diesen Kommissar Grass aufpassen. Ich habe das Gefühl, da ist etwas und er wei? mehr, als er zugibt. Das Fehlen einer Reaktion von ihm auf das Ergebnis der Pathologie kann einfach kein Zufall gewesen sein. Ich habe recherchiert, dass er und die Zeugin früher ziemlich nah beieinander gewohnt haben. Es würde mich nicht wundern, wenn er sie kennt. Sein ganzes Verhalten erscheint mir merkwürdig, auch wenn hier niemand davon Notiz zu nehmen scheint. Ich werde das noch näher im Auge behalten und ihn weiter beobachten.
Der Profiler kann sich nicht erklären, warum die Opfer sich nicht gewährt haben. Haben diese Wesen eventuell die Macht, Menschen zu paralysieren? Handelt am Ende auch Kommissar Grass nicht aus eigenem Willen, sondern ist bereits dem Willen der Zeugin unterworfen? Das würde einiges erklären.'
Michael fragte "und?" Robert regte sich auf "Was und? Was ist, wenn Gerrit diese Frau tatsächlich kennt, ich meine, was wenn die in den Morden mit drin hängt und Gerrit tatsächlich in Gefahr ist?"
Alex sah Michael an und überlegte laut "Gerrit wollte sich vor zwei Tage mit einer alten Freundin treffen. Aber er hätte uns doch gesagt, wenn es sich um die Zeugin gehandelt hätte oder?" Michael zuckte mit der Schulter, das mit den Vampiren nahm er nicht wirklich ernst, aber die Möglichkeit, dass Gerrit die Zeugin kannte, schon eher. Gerrit würde eine Menge ?rger bekommen, wenn das heraus kam.
Alex wählte die Telefonnummer von Gerrits Mutter "Hallo Frau Grass, hier ist Alexandra Rietz. Nur eine kurze Frage, sagt Ihnen der Name Mariola Mendes etwas? Hm, ja, ja, Ok, Besten Dank" Als Alex aufgelegt hatte, sah sie mit besorgtem Gesicht Michael an "Wir haben ein Problem. Gerrit kennt sie. Er war bis zu seinem 20. Lebensjahr mit ihr befreundet, dann ist sie weggezogen. seine Mutter war ganz froh über diesen Umstand gewesen, auch wenn Gerrit damals am Boden zerstört war." "Verdammter Mist" fluchte Michael und rief die Kollegen von der Technik an, um sofort Gerrit?s Handy orten zu lassen. Denn nun machte auch er sich Sorgen.
----------------------------------------------
18.
Gerrit und Mariola befanden sich ca. eine Stunde nach dem dem Gespräch zwischen Robert, Michael und Alex in der Kirche, in der sie sich vor ein paar Tagen das erste Mal wiedergesehen hatten. Au?er ihnen beiden war auch heute niemand da, denn die Kirche wurde zur Zeit nur noch sporadisch genutzt. Gerrit sa? auf einer der vorderen Bänke und tat so, als würde er still beten, während Mariola sich seitlich versteckt hielt und ihn im Auge behielt. Er hatte sein Handy ausgestellt, damit er nicht erreicht werden konnte. Er wollte das hier unbedingt durchziehen, ohne dass Michael oder Alex etwas mitbekamen.
Das Mariola sich mit Gerrit hier das erste Mal wieder getroffen hatte, war kein Zufall gewesen, denn sie hatte sich den ganzen Nachmittag in der Gegend umgesehen, weil sie wusste, dass Ricardo sich hier in der Nähe versteckt hielt. Sie hatte es Gerrit nicht gesagt, aber sie konnte wenn sie es wollte und ihre Sinne dafür öffnete, es geruchsmässig durchaus mit einem Hund aufnehmen. Sie wusste also, dass Ricardo bereits in der Nähe war und sich ihnen stetig näherte. Um ihn auf jeden Fall anzulocken, hatte sich Gerrit mit einem mitgebrachten Taschenmesser selbst eine Schnittwunde an seiner Hand zugefügt. Kein gro?er Schnitt, aber doch so, dass sein Blut floss und der Geruch umso intensiver wurde.
Sie musste sich auf Ricardo konzentrieren, was nicht einfach war, denn - und auch das hatte sie Gerrit nicht gesagt, um den unweigerlich auf sie beide zukommenden erneuten Abschied nicht allzu schwer für ihn zu machen - Gerrit war ihre gro?e Liebe gewesen und war es im Grunde noch und deshalb konnte sie ihn nicht, so wie all die anderen Menschen einfach aus ihrer Gefühlswelt ausschlie?en.
Sie hörte seinen erhöhten Herzschlag, als würde jemand neben ihr ständig eine Trommel schlagen. Darüber hinaus schien sie förmlich zu spüren, wie das Blut durch seine Adern gepumpt wurde. Hinzu kam, dass auch sie das Blut roch, dass warm und verführerisch aus einer Hand floss. Es machte sie fast wahnsinnig und sie betete zu dem Gott, von der er ihr in Kindertagen manchmal erzählt hatte, dass sie der Versuchung widerstehen konnte, auch nur ein kleines bisschen seines Blutes erneut zu kosten.
Ihre Mutter hatte ihr schon früh darüber aufgeklärt, dass unter anderem der Geruch seines Blutes ihn für sie derma?en anziehend machte, dass sie an manchen Tagen an gar nichts anderes, als an ihn denken konnte und nur glücklich war, wenn sie mit ihm zusammen war. So war es schon gewesen, als sie noch ein Kind war. Eines Tages, als sie schon Teenager waren, durchstreiften sie den Wald und suchten für ein Schulprojekt verschiedene Blätter, als er sich an einem Stacheldrahtzaun am Finger verletzte. Sie meinte scherzhaft zu ihm, sie würde die Wunde aussaugen, um eine Entzündung zu vermeiden, weil sie kein Pflaster dabei hatten, aber in Wahrheit genoss sie zum ersten Mal in ihrem Leben menschliches Blut. Blut, das eigentlich Tabu war, Tabu sein musste. Sie würde nie in ihrem Leben vergessen, wie das Blut, so wenig es auch war, sie umgehauen hatte und sie tagelang davon wie berauscht war.
Und dann passierte eines Tages der Unfall mit seinem Bein. Es war Blut geflossen, nach menschlichen Ma?stäben nicht viel, aber doch soviel, dass sich all ihre Sinne einstellten. Nur mühsam hatte sie sich beherrschen können, nicht über ihn herzufallen. Zitternd musste sie damals krampfhaft verhindern, dass ihre Krallen und ihre Fangzähne sich selbständig machten. Er hatte versucht sie zu beruhigen, weil er dachte, sie zitterte vor Angst um ihn. Wenn er damals gewusst hätte, wie nah er der Wahrheit gekommen war. Nie wäre er auch nur auf den Gedanken gekommen, dass die Gefahr für ihn direkt von ihr ausging.
----------------------------------------------------
19.
Sie waren damals so weit wie möglich weggezogen, weil sie nicht mehr aufhören konnten, darüber nachzudenken, wie sie an sein Blut kommen könnte, ohne dass er es merkte. Ständig überlegte sie, wie sie es anstellen konnte, es möglichst wie ein Unfall aussehen zu lassen. An Schlaf war kaum noch zu denken und wenn ja, endeten ihre Träume immer in einem Alptraum in dem Gerrit vor ihr lag, nicht einfach so, sondern hingeschlachtet. Von ihr! Sie hatte es kaum ertragen können.
Ihre Mutter hatte ihre Veränderung bemerkt und ihr wieder die Warnungen, die sie all die Jahre während ihrer Freundschaft mit Gerrit nicht müde wurde, anzubringen, vor Augen geführt.
Nicht alle in ihrer Familie waren wie sie, nur bei einigen wenigen schlugen die Gene mit äu?erster Brutalität durch. Aber ihre Familie hatte in all den Jahrhunderten gelernt, damit umzugehen und dazu gehörte auch, sich von den "normalen" Menschen fernzuhalten und unter sich zu bleiben.
Sie war damals drauf und dran gewesen, alles zu riskieren, nur um bei Gerrit zu bleiben. Aber ihre Mutter hatte sie dann doch überzeugen können, dass sie Gerrit verlassen musste, gerade weil sie ihn so liebte. Sie hatte sich seit damals immer wieder gefragt, ob sie, wenn sie bei Gerrit geblieben wäre, wirklich der Versuchung erlegen wäre und ihn verletzt hätte oder ob sie mit der Zeit gelernt hätte, eine Lösung zu finden. Jetzt und hier, wo sich den Geruch seines Blutes wahrnahm und in sich aufsog, wusste sie, dass es unweigerlich dazu gekommen wäre, dass sie ihn irgendwann verletzt, und vielleicht sogar getötet hätte.
Der Geruch seines frischen pulsierenden Blutes machte sie immer noch fast wahnsinnig. Das war auch der Grund dafür, dass sie Ricardos Ankunft gar nicht mitbekam. Plötzlich hörte sie Gerrit ruhig und voller Inbrunst rufen "Stopp, Hände hoch und stehen blieben. Polizei". Sie starrte zu ihm rüber und bemerkte, dass Ricardo und Gerrit sich im Mittelgang bereits gegenüber standen. Sie merkte, dass Ricardo sich zum Sprung bereit machte und seine Muskel anspannte. "Ich sagte halt oder ich schie?e" schrie Gerrit Ricardo erneut entgegen. Als ob dem das was ausmachen würde! Noch ging Ricardo davon aus, dass er gleich Gerrit Blut zu schmecken bekommen würde.
Ricardo war angeschlagen, dass konnte sie deutlich spüren, für Verzögerungen hatte er gerade gar keinen Sinn. Deshalb wusste sie auch, dass er es durchaus riskieren würde, eine Kugel abzubekommen. Sie bekam mental mit, dass Ricardo krampfhaft versuchte, Gerrit telephatisch dazu zu bewegen, die Waffe wegzulegen. Er wusste ja nicht, dass das bei Gerrit nicht funktionieren würde. Sie wusste es besser, denn sie hatte ihm schon als Kind spielerisch angelernt, eine Barriere für solche Angriffe zu entwickeln. Trotzdem sah sie, dass Gerrit verwirrt seinen Kopf schüttelte.
--------------------------------------------
20.
Auch Ricardo war irritiert, mit der Gegenwehr seines Gegenübers hatte er nicht gerechnet, denn au?er bei seinen eigenen Leuten war ihm das noch nie untergekommen. Aber er machte sich nicht die Mühe, herauszufinden, woran das lang.. Da er dringend frisches Blut brauchte und sich das beste Blut, dass er überhaupt bekommen konnte, direkt vor sich befand, wich er von seinem ursprünglichen Plan, Gerrit?s Gedanken zu kontrollieren, ab und ging direkt auf Angriff über.
Obwohl Gerrit von Mariola wusste, was sie waren, war er fasziniert über das, was er gerade zum zweiten Mal in seinem Leben zu sehen bekam. Ricardo öffnete seinen Mund und demonstrierte ihm seine Verwandlung. Die beiden oberen Eckzähne, die gerade noch zu dem geraden Gebiss von Ricardo nahezu perfekt passten, veränderten zunächst ihre Form dahingehend, dass sie begannen, spitz zuzulaufen, dann schoben sich dann ein ganzes Stück vor. Gerrit kam sich vor, wie in einem schlechten Dracula-Film und doch war das Ganze hier echt und gleichzeitig faszinierend. Was er durch das Schauspiel, das Ricardo ihm bot, nicht mitbekam, war, dass Ricardo in Sekundenschnelle Krallen aus seinen Fingernägel wachsen lie? und mit denen haute er Gerrit die Waffe einfach und Ansatzlos in hohem Bogen aus der Hand.
Gerrit schrie verwundert auf und hielt sich seine verletzte Hand. Drei tiefe Schrammen, produziert von Ricardos Krallen zogen sich über seine rechte Handoberfläche und bluteten nicht unerheblich. Da er seine Waffe nicht mehr hatte, versuchte er sich erst einmal zurückzuziehen und sah sich verzweifelt nach Mariola um.
Mariola hatte bisher nur wie erstarrt zuschauen können. Wie in Zeitlupe sah sie einen Blutstropfen von Gerrit Hand auf den Boden fallen. Erst das hallende aufplatschende Geräusch, dass der Bluttropfen von Gerrit?s Hand beim Aufschlagen auf den Boden machte - welches sie durch das ?ffnen all ihrer Sinne um ein vielfaches Lauter vernahm, als gewöhnliche Menschen - erwachte sie aus ihrer Erstarrung und sprang im selben Augenblick auf Ricardo zu. Noch im Sprung fuhr auch sie ihre Krallen und Fangzähne aus. Sie wusste es würde ein harter Kampf werden.
Als Gerrit sah, dass Mariola angesprungen kam, zog er sich so schnell wie möglich hinter dem Altar zurück. Er konnte nichts anders tun, als den beiden bei ihrem Kampf zuzuschauen. Er war so von der Schnelligkeit von Ricardos Angriff überrascht worden, dass er nicht gesehen hatte, wohin seine Waffe geflogen war. Aber Mariola und Ricardo waren so ineinander verkeilt, dass er momentan auch gar nicht hätte schie?en können, denn das hätte bedeutet, zu riskieren, Mariola zu treffen. Eine Sache, die nicht sein durfte.
Die beiden schlugen und bissen sich, wie auf zwei aufeinander treffende Kampfhunde und Gerrit wurde schmerzlich bewusst, dass selbst dann, wenn Mariola den Kampf gewinnen würde, sie nicht unverletzt aus diesem Kampf hervorgehen würde. Er raffte sich daher auf und suchte, einen gro?en Boden um die beiden machend, nun doch nach seiner Waffe.Für alle Fälle.
------------------------------------------
21.
Gerrit kroch unbeholfen, die rechte Hand immer noch mit der linken festhaltend, auf der Erde herum und sah unter den Bänken nach, konnte die Waffe aber zunächst nirgendwo entdecken. Immer wieder schaute er zwischendurch auf, was die beiden machten. Der Kampf wurde langsamer, alles deutete darauf hin, dass er nicht mehr lange dauern würde, aber immer noch konnte er keinen eindeutigen Sieger des Kampfes ausmachen. Er suchte deshalb verzweifelt weiter nach seiner Waffe und achtete gar nicht mehr auf seine Hand. ?berall verteilte er so sein Blut, ohne zu ahnen, dass er Ricardo damit nur noch rasender machte.
Da, endlich sah er seine Waffe. Er kroch so schnell wie möglich auf sie zu und nahm sie schnell an sich. Er zielte zwar auf die beiden Kämpfenden aber abdrücken konnte er nicht, weil sie sich hin- und herdrehten. Zudem zitterte seine verletzte rechte Hand, aber mit links konnte er nun mal nicht schie?en. Er beschloss daher, dass, sollte Ricardo den Kampf gewinnen, er ihm einfach in die Brust schie?en würde. Er traute sich zu, diese auch mit der Verwundung an seiner Hand treffen zu können. Er wünschte sich, er hätte sich zuvor Michael oder Alex anvertrauen können und wenigstens einer der beiden wäre jetzt zur Unterstützung hier.
Nach für ihn endlosen weiteren 2 Minuten war der Kampf zu Ende. Unvermittelt hatte ein unangenehmes Knacken vernommen und nun erkannte er an Ricardos gebrochenen Augen, dass Mariola ihm am Ende des Kampfes das Genick gebrochen hatte. Erschöpft und schwer verletzt lie? Mariola sie erst Ricardo und dann sich selbst auf den Boden fallen.
Einerseits geschockt, dass sie fähig war, einen Mann das Genick zu brechen und anderseits besorgt um ihr Leben rannte er so schnell es ging, zu ihr. Sie war übersäht von solchen Wunden, die er bereits an der Leiche von Kranz gesehen hatte. Als er ihren Kopf anhob, sah er, dass sich ihre Eckzähne langsam wieder in ihren Kiefer zurückzogen."Gerrit ich musste es tun, ich konnte nicht riskieren, dass er Dich tötet" flüsterte sie.
Er strich ihr übers Haar und sah, wie langsam aber sicher, dass Leben ihren Körper verlie?. Verzweifelt versuchte er, sein Handy, das sich in seiner Hosentasche befand, hervorzuholen und sagte immer wieder zu ihr "Mariola bleib bitte wach, ich hole Hilfe, das wird schon wieder." Aber Mariola hielt seine Hand fest, als er den Notruf wählen wollte. "Nein, nur Du kannst mir helfen. Erinnerst Du Dich." Gerrit sah sie mit seinen eisblauen Augen angstvoll an. Ja, er erinnerte sich und irgendwie ekelte es ihn, wenn er sich vorstellte, dass sie ihre Zähne in ihn schlagen und sein Blut saugen würde. Aber die Alternative war, dass sie starb.
--------------------------------------------------------------
22.
Gerrit zitterte leicht und überlegte, ob es nicht doch einen anderen Ausweg gab. Mariola spürte seine Unsicherheit und bat ihn mit letzter Kraft "Gibt mir Deinen Arm, bitte. Keine Angst es tut nicht weh, wir können wie Mücken die Einstichstelle betäuben." Er entschied sich dafür, darauf zu vertrauen, dass sie sich nur soviel Blut nahm, wie sie brauchte. Er konnte nicht anders, auch deshalb, weil er ihr in seinem Leben bisher immer vertraut hatte. Er lehnte sich an den Altar und legte ihren Kopf in seinen Schoss, dann hielt er ihr seinen linken Arm hin, während er ihren Kopf mit seiner rechten Hand stützte, denn sie hatte kaum noch Energie. Er wollte erst wegschauen, denn immer noch schauderte es ihm, wenn er nur darüber nachdachte. Aber er konnte der Versuchung dann doch nicht widerstehen und sah zu, wie sie erst ihre Eckzähne wieder herausfahren lie? und diese sodann sacht in die Innenseite seines linken Unterarmes zu schlug. Er spürte den Einstich zwar, der kurze Schmerz lie? aber schnell nach. Sein ganzer Unterarm schien betäubt zu sein, denn er merkte nicht einmal, wie sie sein Blut aufsaugte, obwohl ihre saugenden Bewegungen nicht zu übersehen war. Schnell hatte sie wieder soviel Kraft, dass er ihren Kopf nicht mehr stützen musste.
Er versuchte, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, denn er wusste nicht, wie lange es dauern würde. Er schaute sich deshalb die Verletzungen, die Ricardo ihn an seiner rechten Hand zugefügt hatte, an. Die Blutungen war zwar mittlerweile fast zum Stillstand gekommen. Die Verletzungen sahen jedoch ziemlich mies aus und er fragte sich, ob er wohl Narben zurückbehalten würde. Nach einiger Zeit merkte er, dass er ziemlich erschöpft war und immer müder wurde. Er legte den Kopf etwas an den Altar an und schloss seine Augen in dem Glauben, sich nur für einen kurzen Augenblick auszuruhen.
---
Sie lag in Gerrits scho?, hatte die Augen geschlossen und saugte sein lebensrettendes Blut gierig auf. Es schien ihr, als befände sie sich im Paradies. Gerrit Blut floss in Strömen durch ihren Körper und erweckte neue Energien in ihr. Etwas Wunderbares geschah in ihrem Körper, sie merkte förmlich, wie ihr Körper nach dem rettenden Lebenssaft schrie, ihn wie ein Schwamm aufnahm und ihr Körper bereits von innen begann, sich zu erneuern. Sie konnte fast gar nicht genug davon bekommen, aber plötzlich war da so ein Gefühl, ein Gefühl dass sie aus der Bahn warf.
Alles in ihr schrie nach Erneuerung und doch war da so ein Gefühl von Schwäche. Langsam, ganz langsam registrierte ihr Gehirn, dass es Gerrits Körper war, der sich immer schwächer fühlte . Sie löste erschrocken ihren Biss aus seinen Unterarm und sah nach oben. Gerrit lebte zwar noch, aber er war sehr schwach. Sie wusste, dass er nicht einfach nur kurz eingeschlafen war. Sie spürte seine Kraftlosigkeit in jeder Faser ihres Körpers.
Sie hatte mehr Blut von ihm getrunken, als sie eigentlich wollte und der Gedanke, dass sie beinahe nicht aufgehört und sein Leben riskiert hatte, beängstigte sie derma?en, das sie zunächst nichts anderes tun konnte, als ihn anzustarren.
-------------------------------------------------
23.
Michael und Alex überprüften noch einmal auf die Koordinaten, die ihnen die Technik von Gerrits Handy durchgegeben hatte und kamen zu dem Ergebnis, dass sie hier bei der alten Kirche genau richtig waren. Vorsichtig öffneten sie die Türe und näherten sich langsam dem Altar. Es war dunkel, denn heute erhellten keine Kerzen das Kircheninnere. Alex, die voran ging, zeigte Michael mit mit der Waffe gestenhaft an, dass auf dem Boden ziemlich viel Blut verteilt war. Vorne, auf der Treppe zum Altar hin, lag eine männliche Leiche. Alex Herz klopfte bis zum Hals hoch, aber schnell erkannte sie, dass es sich nicht um Gerrits Körper handelte.
Kurze Zeit später erkannte sie, dass Gerrit mit geschlossenen Augen am Alter gelehnt sa? und bei ihm die Frau war, die als Zeugin gesucht wurde. Sie rannten sie zu ihm hin. Sie erkannten zuerst, dass die Frau ziemlich schwer verletzt war, überall konnte man Wunden erkennen. Aber auch Gerrit schien verletzt zu sein und öffnete, als Michael ihn am Arm anstie?, leicht die Augen, jedoch nur, um sie gleich wieder zu schlie?en. Er sah ziemlich mitgenommen aus.
Erst jetzt erkannte Michael, dass die Frau offenbar etwas mit Gerrit?s Arm machte, was verdächtig danach aussah, als dass sie daran saugte. Er machte sofort Alex darauf aufmerksam. Während die sich das Ganze näher ansahen, rief Michael bei Robert im Büro an und setzte erst einmal die ganze Maschinerie in Bewegung. Er orderte auch gleich zwei Krankenwagen.
Sie überlegten gerade, wie sie die Frau von Gerrit lösen konnten, als diese kurz erzitterte und dann von allein von Gerrit ablie?. Geschockt sahen Michael und Alex, dass die Frau Eckzähne hatte, die sich nun wie von einem Seil angezogen in ihren Kiefer zurückzogen. Michael zog erschrocken seine Waffe und richtete sie sicherheitshalber auf Mariola.
Gerrit, der von dem Loslassen von Mariola wieder etwas mehr zu sich kam und erneut die Augen öffnete, erkannte, das Michael Mariola mit seiner Waffe ins Visier genommen hatte und deutete ihm durch eine Geste an, die Waffe herunterzunehmen. Was dieser, zwar widerwillig aber dann Gerrit zuliebe doch tat.
Mariola erhob sich. Ihr ganzer Körper war noch in der Reparaturphase. Sie merkte dennoch, dass ein gro?er Teil ihrer Kräfte wieder da waren. Es waren nur noch die äu?eren Wunden da, aber auch die verschlossen sich nun endgültig wie Reisverschlüsse vor den erstaunten Augen von Michael, Alex und Gerrit, um abschlie?end endgültig zu verschwinden. Niemand von ihnen sagte während der ganzen Prozedur auch nur ein Wort. Dazu war das, was gerade direkt vor ihren Augen stattfand, einfach zu irreal.
--------------------------------------------
24.
Als ihr Körper wieder vollständig hergestellt war, spürte Mariola immer noch die Kraft, die von Gerrit?s Blut ausging. Sie beute sich zu ihm runter und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss. Dann verabschiedete sie sich mit den ins Ohr geflüsterten Worten "Ich danke Dir für Dein Vertrauen. Such mich bitte nicht. Ich werde das Land verlassen und was auch kommen mag, ich werde Dich ewig lieben." von ihm. Als Gerrit resignierend nickte, stand sie auf und ging einfach aus der Tür raus und war im nächsten Moment verschwunden. Erst als die Tür mit einem lauten Knall zufiel, kam Michael auf die Idee, dass sie als Zeugin vielleicht noch gebraucht wurde und rannte hinterher, aber sie war bereits weg. Er schüttelte über sich selbst den Kopf. Wie hatte er die Frau einfach gehen lassen können. Er verstand sich selbst nicht mehr. War vielleicht an den Worten von diesem Kranz etwas dran, konnten diese Wesen den Verstand manipulieren?
Als er zurückkam hatte Alex Gerrit?s Hand erst einmal notdürftig verbunden. Die beiden Löcher, die durch die Zähne von Mariola verursacht wurden, bluteten nicht und sahen so aus, als würden sie sich in den nächsten Tagen einfach wieder verschlie?en. Gerrit war so schwach, dass er bei dem Versuch von Alex, ihn auf die Beine zu stellen, immer wieder einknickte. Da er kaum stehen konnte, beschloss sie, ihn wieder am Alter angelehnt hinzusetzen, bis der Krankenwagen kam.
Gerrit schaute traurig auf den Boden vor ihm. Er war niedergeschlagen. Zum zweiten Mal in seinem Leben verschwand Mariola so mir nichts dir nichts aus seinem Leben und er konnte nichts dagegen tun. Im Gegenteil er wusste ganz genau, dass es das Richtige war.Trotz dieser Erkenntnis kam er mit seinen Gefühlen nicht wirklich damit klar und trauerte Mariola nach.
Da sie bis zum Eintreffen der Spurensicherung und des Doc?s erst mal nichts tun konnte, um keine Spuren zu beseitigen, setzte sich Alex, die ahnte, was in Gerrit vorging, neben ihm und nahm ihn schweigend in den Arm. Worte waren eh überflüssig.
Niemand von ihnen sagte während der Zeit des Wartens ein Wort, denn keiner von ihnen hätte mit treffenden Worten beschreiben können, was sie soeben gesehen hatten. Als der Krankenwagen kam, war Gerrit vor Erschöpfung und wegen des hohen Blutverlustes an Alex Schulter eingeschlafen.
In den nächsten zwei Tagen bekam Gerrit einige Bluttransfusionen, bis sein Kreislauf wieder einigerma?en stabil war und er entlassen werden konnte. Michael und Alex waren einige Male bei ihm im Krankenhaus gewesen und Gerrit hatte ihnen restlos alles über Mariola erzählt, na ja, nicht wirklich restlos, denn die sexuelle Verbindung zu Mariola lie? er dabei lieber mal au?er acht. Wenigstens musste er nun, da sie die Verwandlung mit eigenen Augen gesehen hatten, nicht mehr befürchten, dass sie ihn wegen dieser Geschichte auslachen würden.
Die Drei beschlossen gemeinsam, eine etwas andere Version des Ablaufs des Geschehens zu den Akten einzureichen, um unnötigen Fragen, aber auch die Gefahr, einen psychiatrischen Test machen zu müssen, zu entgehen. Die Wahrheit sollte niemals an die ?ffentlichkeit geraten.
Dass Gerrit die gesuchte Zeugin nicht nur kannte, sondern sich auch während der Ermittlungen mehrfach mit ihr getroffen hatte, kam ebenfalls nie zu den Akten, so dass er deswegen auch nicht belangt wurde.
Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus war Gerrit noch eine Woche lang krankgeschrieben, um wieder zu Kräften zu kommen. Er besuchte in dieser Zeit mehrfach die Kirche, in der er Mariola das letzte Mal gesehen hatte. Innerlich hoffte er, sie noch einmal dort zu treffen, aber er spürte ihre Nähe nicht mehr und er wusste nun endgültig, dass sie erneut aus seinem Leben verschwunden war.
ENDE
Kostenlose Homepage erstellt mit Web-Gear
Verantwortlich für den Inhalt dieser Seite ist ausschließlich der Autor dieser Homepage. Missbrauch melden