Verwandtschaft
1.
Gerrit saß auf einen großen Findling in einem Park, der sich nicht weit entfernt von seiner Wohnung befand. Es war Dienstag und ausnahmsweise hatte er heute einmal frei. Um sich auszupowern, war er erst einmal ein paar Runden alleine joggen gewesen und nun musste er eigentlich mal nach Hause, denn er fror langsam aber sicher ziemlich heftig. Aber da lag nach wie vor dieser Brief auf seinem Wohnzimmertisch. Der Brief von seinem Vater, der sich heute morgen in seiner Post befunden hatte und den er am liebsten ungeöffnet weglegen würde.
Jetzt gegen 17.00 Uhr wurde es langsam dunkel und er klaubte ein paar Steinchen auf, die er lustlos in den nicht weit von ihm entfernen Ufer eines kleines See´s eintauchen ließ. Langsam fing es an zu nieseln. Er schaute in den Himmel, der immer dunkler wurde und beschloss nun doch den Weg nach Hause anzutreten. Im Laufschritt machte er sich daher auf den Weg.
Zu Hause ging er schnurstracks erst einmal duschen, bevor er wieder das Wohnzimmer betrat und erneut auf den Brief starrte. Da lag er. Auf dem Wohnzimmertisch, unscheinbar und immer noch ungeöffnet.
Langsam nahm er ihn in die Hand und dreht ihn. Als er erneut den Absender las, den Namen seines Vaters, den er so lange Jahre vor ihrem Zusammentreffen auf dem Friedhof weder gesehen, noch gesprochen hatte. Ihm wurde übel, als ihm erneut in den Sinn kam, wo und zu welchem Anlass er ihn das erste Mal wieder gesehen hatte. Er schaute zu dem Flurschrank, in dessen Schublade er achtlos die Visitenkarte seines Vater gelegt und dann nie wieder in die Hand genommen hatte. Er wusste sich selbst keinen Reim darauf zu machen, warum er die Karte überhaupt mitgenommen hatte. Alex würde sicher etwas dazu sagen können, aber selbst ihr hatte er von der überraschenden Begegnung bis heute nichts erzählt. Erst hatte er nicht über irgendetwas in Verbindung mit seiner Mutter sprechen wollen, um nicht immer wieder an ihren Tod erinnert zu werden und dann hatte er es schlicht und einfach vergessen.
Als er den Brief in seinem Briefkasten vorgefunden hatte, waren ihm sofort die Bilder der Beerdigung seiner Mutter in den Sinn gekommen und er hatte Schlucken müssen, um nicht im Hausflur in Tränen auszubrechen, so sehr wurde er übermannt von seiner immer noch vorhandenen Trauer. Wütend hatte er ihn dann hier auf den Tisch geschmissen und krampfhaft versucht, sich zu beruhigen.
Als ihm dass nicht wirklich gelang, war er heute morgen zum Grab seiner Mutter gegangen, um dort etwas Trost zu finden. Wie auch sonst fiel ihm das aber nach wie vor schwer und so war er dort schnell wieder abgehauen. Er fragte sich, ob er jemals in seinem Leben am Grab seiner Mutter würde stehen können, ohne ihr entsetztes Gesicht vor seinen Augen zu sehen, als der Schuss sie getroffen hatte. Ohne diese verdammten Schuldgefühle darüber, dass er nicht hatte helfen können. Er spürte, dass ihm erneut an diesem Tag Tränen die Wangen herunterliefen, aber er ließ sie einfach laufen und starrte gedankenverloren weiter auf den Brief.
2.
Das Klingeln seines Telefons rieß Gerrit aus den Gedanken um seine Mutter. Etwas verwirrt musste er es erst einmal suchen. Endlich hatte er es gefunden, denn langsam fing der penetrante Ton ihn an zu nerven. Er musste unbedingt mal in der Betriebsanleitung nachsehen, wie er den Klingelton anders einstellen konnte.
„Grass, Hallo“
„Hallo Gerrit, ich bin´s Alex.“
Gott sei Dank war es Alex. Einen Moment lang hatte er befürchtet, dass sein Vater auch seine Telefonnummer herausgefunden und nun am anderen Ende der Leitung sein könnte.
„Hey“ quetschte er erleichtert hervor.
Er merkte förmlich, dass Alex stutzte „Gerrit alles OK mit dir? Eigentlich wollte ich Dich fragen, ob wir nicht was zusammen essen gehen sollen, aber Du hörst dich nicht gerade gut an.“
Er überlegte kurz, etwas von Kopfschmerzen oder so etwas vorzuschieben, aber während er erneut auf den Brief - den er immer noch in seiner Hand hielt - blickte, kam bereits ein „Nein“ aus seinem Mund.
Alex hakte sofort neugierig nach „Gerrit, was ist denn los? Komm erzähl schon.“
Alles war ihm auf diese Frage einfiel war zu sagen „Mein Vater hat mir einen Brief geschickt.“
„Dein Vater? Aha. Und was steht drin?“
„Weiß nicht, ich habe ihn noch nicht geöffnet.“
Alex sagte einen Moment lang nicht, so dass Gerrit schon nachfragen wollte, ob sie noch da war, aber Alex kam ihn dann doch zuvor.
„Warum nicht?“
„Ich überlege noch, ob ich ihn überhaupt öffnen will.“
„Ich denke, Du solltest lieber nachsehen, nachher hast Du ihn weggeschmissen und fragst Dich die ganze Zeit, was drin gestanden hat. Pass auf, ich mache Dir einen Vorschlag. Ich komme vorbei, wir machen ihn gemeinsam auf, ja?“
Gerrit nickte bis ihm bewusst wurde, dass Alex dass ja nicht sehen konnte, und so schloss er das Gespräch mit „Ja ist gut. Danke Alex.“ und legte dann auf.
Er legte den Brief wieder auf den Wohnzimmertisch und war froh, dass Alex kam. Alex, der er von seinem Vater etwas erzählt hatte, als … Er musste erneut schlucken. Warum konnte man ihn nicht einfach in Ruhe lassen. So wie es war, war es doch gut, oder? Gut, er hatte keine Familie mehr, an die er sich wenden konnte, wenn was wäre, aber dafür hatte er ja Alex und Michael. Aber reichte das aus? Was, wenn einer von ihnen in eine andere Dienststelle versetzt würde, würde die Freundschaft dann noch genauso halten, wie jetzt?
Während er auf Alex wartete, dachte Gerrit über seine Kindheit, an die Tage, als sein Vater noch zu Hause wohnte, nach. Obwohl zu Hause wohnen, war etwas zu viel gesagt, er war ja ständig unterwegs.
Wie sehr hatte sich Gerrit angestrengt, wenn er dann endlich mal da war, seinem Vater zu gefallen. Aber sein Vater schien das alles nicht zu sehen oder nicht sehen wollen. So sehr hatte er sich erhofft, dass sein Vater ihn einmal zu einem seiner Fußballspiel samstags nachmittags begleitete, so wie all die anderen Väter. Aber dafür war nie Zeit da. Immer hatte er nur seine Ruhe haben müssen und wenn sie dann doch mal einen Ausflug unternahmen, so als Familie, Vater, Mutter und Kind, musste alles perfekt laufen. Da gab es kein ausgelassenes Toben oder einfach nur die Welt um sich vergessen und das machen, was Spaß macht.
Der Auszug seines Vaters war ohne großes Theater von statten gegangen. Er war eines Tages von der Schule nach Hause gekommen und seine Mutter hatte auf ihn gewartet, um ihm mitzuteilen, dass sein Vater ausgezogen war und sie sich scheiden lassen würden. Für Gerrit war damals eine Welt zusammengebrochen, und, obwohl er versuchte, es seiner Mutter nicht zu zeigen, war er sicher, dass sie wusste, dass er sich an den folgenden Abenden in den Schlaf geweint hatte.
Die Scheidung war einfach so an ihn vorbeigegangen. Seine Mutter hatte ihm eines Tages mitgeteilt, dass sie und sein Vater nun geschieden wären und das war es dann. Über ein Besuchsrecht seines Vaters hatte sie nie ein Wort verloren. Gerrit wusste natürlich, dass einige der anderen Kinder in seiner Klasse auch geschiedene Eltern hatte und deshalb jedes zweite Wochenende mit ihrem Vater verbrachten. Sie erzählten dann von all den tollen Sachen, die sie an diesen Wochenenden mit ihrem Vater machten. All die Erzählungen machten ihn Anfangs ziemlich traurig und er fragte sich ab und zu, was er wohl falsch gemacht hatte. Viele Jahre, nachdem sein Vater ausgezogen war, gab er sich die Schuld daran, dass sein Vater ihn nicht sehen wollte. Glaubte, nicht gut genug für ihn zu sein. Denn warum sonst hatte der es nicht einmal für nötig befunden, wenigstens einmal zu schreiben, ein einziges Gott verdammtes Mal.
Erst als er 16 oder 17 Jahre alt war, begann er sich gegen solche Gedanken abzuschotten und endlich seinem Vater die Schuld für all die nicht erfolgten Besuche zu geben.
Er zuckte zusammen, als seine Hausklingel läutete und ging aufmachen.
3.
Wie erwartet kam Alex zur Türe herein. Sie nahm ihn erst einmal fest in den Arm, wofür er ihr sehr dankbar war. Dann schaute sie ihn an und fragte gerade heraus „Sollen wir es angehen und ihn gemeinsam öffnen?“ Gerrit nickte und schickte Alex vor ins Wohnzimmer, während er in die Küche ging, um etwas zu trinken zu holen. Als er zur ihr im Wohnzimmer ging, hatte Alex den Brief in der Hand und las den Absender „Dein Vater wohnt in einer Berliner Nobelgegend?“ Gerrit zuckte mit den Schuldner „Sieht so aus.“
Gerrit holte seinen Brieföffner und setzte sich neben Alex auf das Sofa. Er nahm den Brief von Alex entgegen, atmete tief ein und aus und mit einem Ratsch war der Brief auf. Gerrit zögerte, ihn aus dem Briefumschlag zu ziehen. Alex legte ihren Arm um Gerrits aufmunternd Schulter und wartete darauf, dass er Brief heraus nahm. Er sah ihn sich noch einmal unsicher an. Da er nun ja keinen Rückzieher mehr machen konnte, zog er den Brief langsam aus den Umschlag und begann zu lesen.
„Lieber Gerrit,
ich weiß, wie sehr Du von mir enttäuscht sein musst, dass ich mich all die Jahre nicht bei Dir gemeldet habe. Nun das stimmt zwar so nicht ganz, aber das würde ich Dir lieber in einem persönlichen Gespräch erklären.
Solange Deine Mutter noch lebte, habe ich mich auf ihren Wunsch hin aus Deinem Leben herausgehalten, nun würde ich Dich aber doch gerne neu kennen lernen. In der Hoffnung, dass seit der Beerdigung Deiner Mutter genug Zeit vergangen ist und auch Du auch neugierig auf mich bist, würde mich freuen, wenn wir uns einmal treffen könnten. Momentan bin ich beruflich noch bis Ende nächster Woche in München und würde mich freuen, von Dir zu hören. Meine Telefonnummer lautet. …....
Dein Vater“
Gerrit las den Brief zweimal durch und schaute dann ziemlich verunsichert Alex an, die ihn die ganze Zeit beobachtet hatte. Neugierig fragte sie „Und wirst Du Dich mit ihm treffen?“ Gerrit überlegte „Ich weiß nicht genau. Eigentlich habe ich gar keinen Bock dazu.“ Alex konnte das zwar nach allem, was sie von Gerrit in der alten Lagerhalle, in der sie vor einiger Zeit gefangen gehalten wurde, gehört hatte, nachvollziehen, aber das hier war eine einmalige Chance. Sie streichelte ihn sanft den Rücken „Gerrit, überlege es Dir bitte. Er ist immer noch Dein Vater und Dein einziger Verwandter. Vielleicht ist das die letzte Möglichkeit, auf eventuell offene Fragen Antworten zu erhalten.“
Den ganzen Abend unterhielten sich die beiden über Gerrits Kindheit, seine Mutter und auch über seinen Vater. Sie hatten sich zum Abendbrot Pizza bestellt. Während sie sie aßen, kam Gerrit zusammen mit Alex darüber überein gekommen, dass er seinen Vater wenigstens einmal treffen würde, auch wenn dieser Mann für ihn eher wir ein Fremder war. Wenn er sich nicht zu erkennen gegeben hätte, hätte er ihn von sich aus auf den Friedhof nicht erkannt.
Einen Abend später tigerte Gerrit deshalb in seinem Wohnzimmer hin und her. In der Hand hielt er sein Telefon. Die Nummer hatte er bereits eingetippt, lediglich auf den Hörer musste er noch drücken, um eine Verbindung herzustellen. Aber das war einfacher als gesagt. Sobald er die Nummer drückte, konnte er nicht mehr zurück. Sein Vater wusste wo er wohnte, dann kannte er bestimmt auch seine Telefonnummer. Selbst wenn er vor dem Abnahmen auflegte, würde er erkennen, dass er angerufen hatte.
Aber war die Entscheidung, sich seinem Vater zu stellen, die richtige gewesen oder sollte er alles so lassen, wie bisher? Sich noch einmal um entscheiden. Seinen Vater tief in sich vergraben und nicht mehr von ihm oder über ihn sprechen? Natürlich wusste er, dass das nicht so einfach gehen würde, schließlich tat er seit dem der Brief gestern morgen bei ihm angekommen war, nichts anderes mehr, als ständig über seinen Vater nachzudenken. Es machte ihn noch ganz wahnsinnig.
Erneut legt er das Telefon wieder auf den Tisch und ging noch einmal einen Schluck Wasser trinken. Er hätte sich ein Bier kaufen sollen, vielleicht ginge es dann einfacher. 'Stell Dich nicht an wie ein Mädchen' schellte er sich selbst, nahm entschlossen den Hörer in die Hand und drückte die entsprechende Taste.
„tut – tut – tut – tut – Hallo, Günter Grass hier.“
Obwohl er darauf vorbereitet war, paralysierte die Stimme seines Vaters ihn und er vergaß für einen Moment völlig, was er hatte sagen wollen.
„Hallo, wer ist denn da? Gerrit? Gerrit bist Du´s?“ fragte sein Vater
„Ja“ krächzte Gerrit mehr, als er es aussprach. Nun war es Gerrits Vater, der nichts mehr sagen konnte. Vermutlich hatte er nicht wirklich mit dem Anruf gerechnet.
Gerrit versuchte, seine Stimme wieder zu finden und bekam nun endlich wieder einen vernünftigen Ton heraus. Er sprudelte das vorab auswendig erlernte mehr oder weniger herunter „Ja, ich bin es. Ich rufe an wegen Deinem Brief. Du willst Dich mit mir treffen. Ich bin einverstanden, wo?“
Gerrits Vater war hörbar über diesen Anruf erfreut „Schön, super. Ich freue mich. Nun ich gehe davon aus, dass Du das Treffen lieber auf neutralem Gebiet möchtest. Hier im Hotel um die Ecke ist ein Nobelitaliener „la Taore“ kennt Du den?“
„Ja, der ist in Ordnung. Samstag Abend um 20.00 Uhr?“
„Ja, das passt mir gut. Bis dann.“
„OK, bis dann.“
Gerrit schaute nach dem Auflegen weiter auf den Hörer, den er immer noch in der Hand hielt. Das war einfacher, als er gedacht hatte und sein Vater hatte sich gar nicht so überheblich angehört, wie er es sich vorgestellt hatte. Das Gespräch war sogar äußerst gut verlaufen. Na ja, wie auch immer, man konnte zwar nicht behaupten, dass er sich auf das Treffen übermäßig freute, aber er war doch schon ein bisschen neugierig.
4.
Die Woche verlief schneller als erwartet und nun stand Gerrit in einem weißen Hemd und einem dunklen Bläser darüber um Punkt 20.00 Uhr vor dem Restaurant. Das hier war nicht ganz seine Preisklasse, denn normalerweise ging er in Lokalen mit solch hohen Preisen nicht, aber er hatte am Telefon auch nicht groß mit seinem Vater über eine andere Lokalität diskutieren wollen. Die Leute die hier speisten trugen edle Klamotten und Gerrit überlegte kurz, ob er mit seiner Bluejeans dort vielleicht etwas fehl am Platze war, aber wenn seinem Vater sein Outfit nicht passte, konnte er ja gleich wieder gehen. Was ihm ehrlicherweise, jetzt, wo er vor dieser Türe stand, auch lieber wäre.
Leider hatte Alex ihn hierhin gefahren und sie würden sich später noch in einer kleinen Kneipe ganz in der Nähe treffen. Alex wollte dort eine Freundin treffen und zusammen mit ihr auf ihn warten. Er sah zu Alex rüber, die immer immer noch im Auto saß und ihm mit wilden Gesten, so schien es ihm zumindest, andeutete an, dass er endlich hineingehen sollte. Einfach umdrehen und weggehen war also nicht drin.
Entschlossen drückte er die Eingangstüre auf und sah sich in dem Lokal um. Sofort kam ein Keller auf ihn zugeschossen. „Guten Abend der Herr, haben Sie reserviert.“ Gerrit dachte daran, dass für seinen Vater immer alles glatt laufen und alles organisiert sein musste und antwortete „Ja, davon gehe ich aus. Ein Herr Grass müsste reserviert haben.“ „Herr Grass, ja, der Herr ist schon da, kommen Sie ich bringe Sie zu ihm.“ und schon lief der Kellner voraus. Gerrit folgte ihm und wurde von ihm in eine kleine Ecke, die von der Straße aus nicht einsehbar war, geführte.
Sein Vater war selbstverständlich schon da und sah ihm interessiert entgegen. Er stand er auf und hielt ihm seine Hand hin. Zögernd nahm Gerrit diese entgegen und bemerkte anhand der Gesten, dass sein Vater offenbar überlegte, ihn zu umarmen. Vorsichtshalber ging Gerrit erst einmal auf Distanz, dass war ihm dann doch des Guten zu viel. So kam es lediglich zu dem Händedruck.
Der Kellner hielt ihm den Stuhl hin und Gerrit setzte sich gegenüber seinem Vater. Sofort bekam er vom Keller Wein angeboten und nahm diesen an. Schnell drückte der Keller Gerrit noch eine Speisekarte in die Hand und verschwand dann endlich. Gerrit legte die Speisekarte ohne hineinzuschauen auf den Tisch und musterte seinen Vater genau. Gerade heraus fragte er ihn „Und, was willst Du?“ Der Vater nahm erst einmal gemütlich ein Schluck Wein zu sich und wandte sich dann mit leiser Stimme an ihn „Bitte Gerrit, lass uns wie gesittete Menschen zunächst was zu Essen aussuchen. Der Keller kommt gleich wieder.“
Gerrit wusste, dass sein Vater kein Wort sagen würde, bis sie etwas bestellt hatten und so schaute er nach, was es hier so zu essen gab. Alles so ein Chicki-Micki-Zeug, mit dem er eigentlich nicht viel anfangen konnte. Sein Vater bemerkte seine Unsicherheit und fragte ihn „Darf ich Dir etwas empfehlen? Ich denke Du isst nach wie vor gerne gebratenen Fisch? Der Lachs auf Bandnudeln in Champagnersosse ist sehr lecker.“ Während sein Vater beim Keller ungefragte für sie beide eine Vorspeisenplatte und anschließend für sich eine Fischplatte bestellte, nahm Gerrit den Lachs und wunderte sich nach wie vor darüber, dass sein Vater seine Vorliebe für Lachs nicht vergessen hatte.
Als der Keller die Bestellung aufgenommen hatte, schaute Gerrit seinem Vater demonstrativ in die Augen und wartete. Dieser schaute kurz weg und begann „Nun, ich weiß nicht genau, wie ich anfangen soll. Du fragst Dich sicher, warum ich dieses Treffen wollte. Nun ja, ich wollte sehen, was aus Dir geworden ist. Immerhin bist Du mein Sohn.“ Gerrit konnte sich ein abfälliges Lachen nicht verkneifen „Und dazu hat du solange gebraucht?“ Leicht wütend, obwohl er sich vorgenommen hatte, nicht wütend zu werden, schoss er hinterher „Du bist einfach abgehauen und hast Dich nie wieder blicken lassen, hast Du eine Ahnung, wie das für mich war?“
Man konnte seinem Vater deutlich ansehen, dass er überlegte, was er darauf antworten sollte. Endlich sagte er „Ich habe den Wunsch Deiner Mutter schweren Herzens akzeptiert und Euch zukünftig in Frieden leben lassen. Sie hatte Angst, dass Dich dass alles nur durcheinander bringen würde.“ Gerrit beugte sich vor und zischte „Ach ja, und da konntest Du nicht einmal schreiben, nur einen einzigen Brief?“ Sein Vater legte seine Hand auf Gerrits, die der aber sofort darunter weg zog. „Gerrit, ich habe geschrieben. Ein paar Mal, aber als keine Antwort kam, habe ich es leider sein lassen. Ich kann nur sagen, es tut mir leid, es war ein Fehler, ich hätte damals viel hartnäckiger sein und auf ein Besuchsrecht pochen müssen. Aber ist kann es heute nicht mehr rückgängig machen.“
Gerrit sah ihn ungläubig an und antwortete flüsternd „Das stimmt nicht, es ist nie ein Brief von Dir gekommen. Oder soll das etwa heißen Mama hat mir die Brief nie gegeben?“ Sein Vater sah ihm immer noch unbeirrt in die Augen und Gerrit wusste, dass das, was er nun sagte, der Wahrheit entsprach, so schmerzlich sie auch war „Doch es stimmt. Aber Gerrit ich weiß, wie sehr Du Deine Mutter geliebt hast, ich will nicht, dass Du deshalb schlecht über sie denkst. Es war damals sicher schwer für Deine Mutter und was auch immer sie getan hat, um den Kontakt zwischen Dir und mir zu unterbrechen, sie wollte stets das Richtige für Dich.“
5.
Gerrit lehnte sich zurück und dachte über die Worte nach. Aber er weigerte sich einfach, seiner Mutter irgend eine Schuld zu geben, viel zu viel hatte sie all die Jahre für ihn getan. Aber er begann, seinen Vater etwas mehr zu verstehen, wenn auch nicht ganz, dann doch aber so, dass das Essen zu zweit besser verlief, als sie beide gedacht hatten.
Gerrit erzählte, wie es ihm seit der Trennung gegangen war, von der Polizeischule und von seinem Leben und sein Vater erzählte davon, wie es ihm all die Jahre ergangen war. Er hatte wieder geheiratet, aber die zweite Frau war kurze Zeit vor Gerrits Mutter verstorben. Als der Tot von Gerrits Mutter durch die Presse ging, war er nach München gereist um an der Beerdigung seiner ersten Frau teilzunehmen und seinen Sohn nach all den Jahren wieder zu sehen. Gerrit erfuhr auch, dass sein Vater mit seiner zweiten Frau noch eine Tochter bekommen hatte und er eine 27-jährige Schwester Namens Gina und auch bereits eine 5-jährige Nichte namens Sarah hatte. Sein Vater erzählte im auch, dass er durch Spekulationsgeschäfte steinreich geworden war und nun nur noch ab und zu arbeitete. Nach ihrer Begegnung auf dem Friedhof und seine Weigerung, mit ihm zu sprechen, hatte dieser einen Privatdetektiv angeheuert, der alles über Gerrit herausfinden sollte und so wusste Gerrit nun auch, woher sein Vater seine Privatanschrift kannte.
Gegen 23.00 Uhr trennten sich ihr Wege und Gerrit versprach, am nächsten Nachmittag zu seinem Vater ins Hotel zu kommen, bevor dieser wieder nach Berlin flog, weil ihm sein Vater noch etwas wichtiges sagen wollte.
Während sein Vater rechts ins Hotel ging, wandte sich Gerrit nach links, um zu der Kneipe zu gehen, in der Alex auf ihn warten würde. Er konnte es kaum erwarten, Alex alles zu erzählen und mit ihr den Abend zu analysieren. Ab und zu schaute er nach hinten, denn irgendwie ließ ihn das Gefühl, verfolgt zu werden, einfach nicht los. Aber das war sicher nur Einbildung, wer sollte ihn schon verfolgen? Endlich sah er vor sich die Kneipe und Alex Auto davor. Bevor er die Türe erreichte spürte er einen Lufthauch im Nacken und einen heftigen Schlaf auf den Kopf. Dann spürte er gerade noch, dass er von jemanden aufgefangen wurde, als bei ihm alle Lichter ausgingen.
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Alex wurde immer unruhiger. Sie fragte sich, wo Gerrit abgeblieben war. Es war mittlerweile 01.30 Uhr und er war immer noch nicht da, geschweige denn, dass er an sein Handy ging. Dort ging immer nur die Mailbox dran. Ihre Freundin hatte sich längst verabschiedet und gegen 01.00 Uhr hatte sie Michael angerufen. Nervös wartete sie auf sein Eintreffen. Endlich kam er und sie gingen gemeinsam zu Fuß bis zum Restaurant. Das hatte mittlerweile geschlossen. Alex regte sich auf „Ich verstehe das nicht, wir hatten klar abgesprochen, dass er zur Kneipe kommen sollte und jetzt ist er weder dort noch hier. Und sein dämliches Handy ist auch aus.“
Michael versuchte, sie etwas zu besänftigen. „Komm, lass uns nach Hause fahren. Entweder haben sie sich so gestritten, dass er zu Fuß nach Hause ist oder sie verstehen sich so gut, dass sie noch zusammen was Trinken gegangen sind. Und dass sein Handy aus ist, kann viele Gründe haben. Vielleicht hat er mal wieder versäumt, es aufzuladen. Du kennst ihn doch.“ Alex sah ihn nicht gerade überzeugt an „Meinst Du? Sollen wir nicht mal zum Hotel und nachfragen, ob der Vater schon da ist.“ „Nein, sollen wir nicht. Der Gerrit ist schon groß, der taucht morgen früh schon wieder auf. Glaub mir.“
Die beiden fuhren nach Hause und gingen schlafen, denn am nächsten Morgen hatte Alex zusammen mit Gerrit Frühschicht und musste schon um 08.00 Uhr wieder im Büro sein. Alex war immer noch sauer. Mit den Gedanken 'Wenn Gerrit einfach nach Hause gegangen war und mich da in der Kneipe stehen gelassen hatte, dann Gnade ihm morgen früh Gott' schlief sie dann doch ein.
Gegen 08.30 Uhr rief Alex erneut bei Michael an. Da er nachts zuvor schon einmal von Alex aus dem Bett geworfen worden war, war er dementsprechend nicht gut zu sprechen „Alex, was ist denn nun schon wieder.“ brummte er ins Telefon. „Michael, der Gerrit ist immer noch nicht da, ich sag Dir, da ist etwas passiert. Zu Hause ist er auch nicht, da war ich heute morgen als erstes“ Michael war sofort hellwach, denn das war wirklich ungewöhnlich. „Liebelein, lass mich eben Duschen gehen und dann komm ich.“ „OK, aber beeile Dich.“
Keine 30 Minuten später war Michael im Büro, während von Gerrit immer noch jede Spur fehlte. Alex schnappte sich ihre Jacke und sofort begaben sie sich ins Hotel zu dem Vater von Gerrit, immer noch in der Hoffnung, dass sich für das Verschwinden von Gerrit eine einfache Lösung ergeben würde.
6.
Gerrit kam langsam wieder zu Bewusstsein. Stöhnend hielt er sich seinen Kopf. Nicht nur, dass er merkwürdig ungelenkig war, er spürte auch noch etwas klebriges Nasses. Unter Schmerzen öffnete er seine Augen und besah sich seine Hand. Sie war voller Blut und außerdem war sie mit Handschellen gefesselt. Eine Kette, die um ein dickes Rohr mit den Handschellen verbunden war, sorgte dafür, dass er an das Rohr gefesselt war. Jemand hatte ihn in eine Art altes Kellergewölbe gesperrt, ihn hier sitzend an das Rohr gelehnt und dann festgebunden. Er versuchte in all dem einen Sinn zu entdecken, was einigermaßen schwer war, denn um ihn herum drehte sich alles. Er hatte sich durch den Schlag sicher nicht nur eine Platzwunde, sondern bestimmt auch eine ordentliche Gehirnerschütterung zugezogen.
Gerrit versuchte, irgendeine Orientierung über die Tageszeit zu bekommen, aber alles was er sicher wusste, dass es Tag war, denn durch ein schmutziges kleines Kellerfenster kam Licht in den Raum. Wer auch immer ihm das hier angetan hatte, hatte ihm alles genommen. Sein Handy, seine Uhr, seine Geldbörse, einfach alles. Außerdem fehlte sein Bläser, was er am meisten bedauerte, denn ihm war ganz schön kalt. Zu hören war nichts, nur ab und zu ein Fiepen. Mäuse vermutlich. Besten gesagt. hoffte er, dass es Mäuse waren und keine Ratten. Er hasste Ratten. Während er über Mäuse und Ratten nachdachte döste er langsam wieder ein und sackte ein wenig zusammen.
Plötzlich war ein Geräusch zu hören, welches bisher nicht da war und er schreckte hoch. Ja, ganz deutlich war zu vernehmen, dass sich jemand näherte. Gerrit setzte sich auf, denn er wollte sehen, wer ihn entführt hatte. Endlich ging die Stahltüre, die diesen Raum verschloss auf und ein Mann in schwarzer Kleidung und schwarzer Skimütze kam in den Raum. Er kam direkt auf Gerrit zu, breitete eine Bild-Zeitung auf seinen Beinen aus und fotografierte ihn mit einer Polaroid-Kamera. Gerrit sah, wie sein Bild vorne aus der Kamera mit einem lauten Summen herauskam. Während der Typ darauf wartete, dass das Bild sichtbar wurde, um zu prüfen, ob es brauchbar war, fragte Gerrit ihn „Was wollen Sie eigentlich von mir?“
Der Mann sah ihn an und trat nach ihm „Von Dir? Von Dir will keiner was. Von Deinem Alten schon. So ein kleines bisschen Kohle wäre doch ganz nett oder?“ Gerrit lachte „Von dem werden Sie keinen Cent bekommen. Wir haben uns schon seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen, glauben Sie etwa, nur weil wir uns gestern mal wieder getroffen haben, rückt der gleich Unsummen für mich raus?“ Der Typ zog Gerrit am Hemdkragen zu sich heran und lachte dreckig „Ich an Deiner Stelle würde lieber beten, dass es so ist. Denn wenn er nicht zahlen sollten, werden wir ihm als nächstes nämlich kein Bild, sondern ein wenig DNA in Form eines Ohres oder eines Fingers von Dir schicken. Na, wie findest Du das. Also fange mal lieber an darauf zu hoffen.“ Unsanft schuppste er ihn zurück an die Wand und Gerrit hatte Mühe sich nicht zu übergeben, so schwindelig war ihm.
Aber als die Türe hinter dem Typen zuschlug und er hörte, dass sie abgeschlossen wurde, rebellierte sein Magen erneut und er konnte das Brechen nun nicht mehr unterdrücken. Zu seinem Glück hatte er Typ die Bild auf seinen Beinen liegen gelassen, so dass er sich darauf erbrach und dann die Zeitung. so gut es eben mit den gefesselten Händen ging, in hohem Bogen von sich weg schmiss. Seine Hoffnung, dass es ihm nun besser gehen würde, bewahrheitete sich aber leider nicht ganz und so versuchte er, noch etwas zu dösen, um den immer mehr aufkommenden Durst, den er verspürte, zu unterdrücken. Die Drohung, ihm ein Ohr oder einen Finger abzuschneiden schob er weit in die hintersten Regionen seines Gehirns, denn damit wollte und konnte er sich jetzt nicht beschäftigen.
7.
Alex und Michael waren mittlerweile im Hotel angekommen und warteten in der Hotellobby auf Gerrits Vater. Dieser kam erstaunt herunter und begrüßte die beiden. Nachdem auch er nichts sagen konnte, wo sich Gerrit wohl aufhalten könnte, verabschiedeten sie sich gegenseitige mit dem Versprechen, sich zu melden, sobald man etwas von Gerrit hörte.
Auf dem Weg zurück ins Büro sah Michael Alex, die aus dem Seitenfenster blickte, neugierig an. „Sag mal, was ich gestern schon fragen wollte, warum taucht hier eigentlich plötzlich Gerrits Vater auf, von dem man so noch gar nichts gehört hat. Ich dachte er hat keine Familie mehr?“ Alex sah ihn nur kurz an und starrte dann wieder nach draußen „Das ist eine komplizierte Geschichte. Er hat die Familie verlassen, als Gerrit 10 oder so war, seit dem hat er von ihm nichts mehr gehört. Lass Dir das Ganze am Besten von Gerrit erzählen, wenn er endlich mal auftaucht.“
Michael haute frustriert auf das Lenkrad vor sich, denn sie standen gerade an einer Ampel. „Wo kann der Kerl bloß stecken? Zuhause ist er nicht, sein Wagen steht unbenutzt vor der Haustüre und sein verfluchtes Handy ist ausgeschaltet und kann nicht geortet werden. Wehe das ist nichts ernstes, dann kann er mich aber mal kennen lernen.“ Alex, die sich über Michaels heftigen Ausbruch erschrocken hatte, versuchte ihn zu beruhigen. „Michael da muss was passiert sein, der haut doch nicht einfach so ab.“ „Und wenn doch, wenn uns der Vater nicht die Wahrheit gesagt hat und gestern etwas vorgefallen ist und er erst einmal in Ruhe darüber nachdenken muss?“ „Über was denn?“ „Mensch Alex, dass weiß ich doch auch nicht. Ruf doch schon mal Robert im Büro an, der soll den Vater mal überprüfen, da stimmt doch irgend etwas nicht.“
Gerade als Alex Robert entsprechend instruiert hatte, rief Gerrits Vater auf ihrem Handy an. Sie sprach nur kurz mit ihm und schon während sie mit ihm sprach, wies sie Michael an, sofort umzudrehen und zum Hotel zu fahren. Nachdem sie aufgelegt hatte, sah sie angstvoll Michael an „Der Vater stotterte etwas von einem Paket und dass Gerrit entführt worden sei. Los fahr schneller, ich mache das Blaulicht aufs Dach.“ Keine 5 Minuten später stoppte Michael mit quietschenden Reifen vor dem Hotel.
Gerrits Vater bat sie nach oben in sein Hotelzimmer und als sie es betraten, deutete er auf ein offenes Päckchen, welches er auf dem Bett gelegt hatte. „Das lag, nachdem ich wieder hochgekommen bin, vor meiner Türe. Ich habe so wenig wie möglich angefasst.“ Michael und Alex gingen zum Bett und sahen in das Paket. Michael zog sich Handschuhe an und holte dann Gerrits blutverschmierte Jacke, sein Dienstausweis und das oben aufliegende Polaroidbild heraus. Deutlich konnte man erkennen, dass Gerrit mit Handschellen irgendwo festgehalten wurde und er eine offenbar größere Kopfwunde hatte. Daher wohl auch das Blut auf der Jacke. Alex schaute geschockt auf das Foto in ihrer Hand. Dann drehte sie sich zu dem Vater um „War kein Brief dabei?“ „Doch natürlich, hier ist er, sie wollen 1 Mio. EUR haben. Morgen früh um 09.00 Uhr.“
Michael verstand das alles nicht „1. Mio. EUR? Wie kommen die auf darauf, dass jemand für Gerrit 1. Mio. EUR zahlen kann?“ Der Vater räusperte sich „Nun das ist sicherlich das kleinste Problem. Das viel größere ist, wie bekommen wir ihn da lebend wieder heraus?“ Alex bekam kaum ihren Mund wieder zu „Soll das heißen, Sie können bis Morgen früh soviel Geld bereitstellen?“ Der Vater nickte „Ich bin sehr vermögend, also machen Sie sich darüber keine Gedanken, das ist doch nur Geld.“ Michael und Alex sahen sich verstohlen an. Beide wussten nicht, was sie dazu sagen sollten. Gerrit war am Monatsende öfter mal knapp bei Kasse. Sie fragten sich beide, ob er wusste, wie reich sein Vater ist.
Michael fand als erstes seine Sprache wieder „Das bedeutet, dass der oder die Entführer wussten, dass Sie zahlen werden. Wer wusste von der Verbindung zwischen Ihnen und Gerrit? Ich meine, nicht einmal ich habe bis gestern davon gewusst.“ Der Vater dachte nach, als ihm plötzlich etwas einfiel „Ich habe eine Detektei beauftragt, für mich alles über Gerrit herauszufinden. Geld spielte dabei keine Rolle.“ Alex nickte „Gut, das ist wenigstens ein Ermittlungsanfang, wir werden sofort dies Detektei überprüfen und beobachten lassen.“
Sie verabredeten, dass der Vater sich bei der Geldübergabe nach den Anweisungen der Erpresser richten würde und Michael und Alex, solange Gerrit nicht in Sicherheit war, das Ganze nur vom Weiten beobachten würden.
Als Alex die Sachen wieder alle in den Karton steckte, um sie zur KTU zu bringen,sah sie, dass an Gerrits Jacke ein Stück herausgeschnitten war und auf der Kommode im Zimmer lag. Sie wollte auch das Stück einpacken, aber der Vater bat sie, es ihm zu überlassen. Michael sah, dass das Stückchen Stoff mit Gerrit´s Blut durchtränkt war und schaute diesen ziemlich sauer an. Drohend ging er auf ihn zu „Herr Grass, bei allem Respekt, aber hier stimmt doch was nicht und ich will auf der Stelle die Wahrheit wissen, sonst vergesse ich mich! Also!“
8.
Gerrits Vater sah beschämt auf seine Schuhe und begann zu erzählen „Also ich brauche das Stück, um Gerrits Blut darauf einer Spezialuntersuchung zu unterziehen. Bitte, überlassen Sie es mir einfach.“ Nun trat auch Alex näher „Wie bitte, warum?“ Der Vater wandte sich zum Terrassenfenster und steckte seine Handy in die Hosentaschen. Wenn die Lage nicht so ernst wäre, hätte Alex jetzt ihr Lachen unterdrücken müssen, denn alles an dieser Geste erinnerte sie an Gerrits Verhalten. Er setzte fort „Meine Enkeltochter hat Leukämie. Sie hat die gleiche seltene Blutgruppe wie ich und Gerrit. Ihre einzige Überlebenschance ist eine Knochenmarkspende. Wir haben bereits alles versucht, aber ich scheide leider als Spender aus und aufgrund der äußerst seltenen Blutgruppe ist kaum mit einer Übereinstimmung eines unbekannten Spenders zu rechnen. Gerrit ist ihre einzige verbliebene Chance.“
Alex fragte fast tonlos „Weiß Gerrit das? Ich meine, haben sie ihm das gestern Abend gesagt?“ Gerrits Vater schüttelte den Kopf „Nein, ich wollte, dass wir uns erst einmal näher kennen lernen.“
Michael fasste das Ganze einfach nicht und konnte einen drohenden Unterton kaum unterbinden „Ich weiß zwar nicht, wie das Verhältnis zwischen Ihnen beiden ist, oder war, aber so klasse kann es ja wohl nicht gewesen sein, wenn sie solange keinen Kontakt mehr zueinander hatten. Und da kommen sie und machen ihm weiß, sie hätten Interesse an ihn, während sie offenbar nur an seinem Blut interessiert sind, mein Gott wie erbärmlich.“ Der Vater versuchte sich zu rechtfertigen. „So einfach ist das nicht. Es ist alles so kompliziert und ich wollte doch einfach nur nichts überstürzen.“
Michael konnte so gerade noch von Alex davon zurückgehalten werden, auf den Vater loszugehen. Alex wandte sich an den Vater „Tun Sie mit dem Stück Jacke was sie nicht lassen können, aber halten Sie morgen das Geld bereit, ich melde mich morgen früh bei Ihnen. In der Zwischenzeit werden Kollegen kommen, um den Koffer und Sie für die Geldübergabe entsprechend zu präparieren.“
Während Michael den Vater noch angiftete, schob sie ihn mit leichtem Druck aus dem Zimmer und schloss die Hotelzimmertüre hinter sich.
Michael sah Alex sauer an, er kochte nahezu „Du weist doch ganz genau, dass er sich gerade erst von dem Tode seiner Mutter einigermaßen gefangen hat und jetzt das, was denkt der sich eigentlich dabei. Kommt hier hin und, ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll.“ Alex zuckte nur mit den Schultern „Komm runter, das hilft Gerrit nicht weiter. Außerdem auf eine Art kann ich ihn ja verstehen, er tut alles, um seine Enkelin zu helfen. Keiner von uns weiß doch, was er tun würde in einer solchen Situation.“ „Aber er hätte Gerrit gleich reinen Wein einschränken sollen, dann wäre es für ihn sicher leichter. Ich kann mir schon vorstellen, was der sich denken wird, wenn er es erfährt. Versetze Dich doch einmal in Gerrits Lage. Du hast Deinen Vater seit 17 Jahren nicht mehr gesehen. Plötzlich taucht er wieder auf, heuchelt einen von er wollte Dich unbedingt sehen und dann erfährst Du, dass er Dich nur braucht, um an Dein Blut und ggf. an Dein Knochenmark zu kommen. Pah, das ist ja wohl das allerletzte.“ Mittlerweile waren sie bei ihrem Dienstfahrzeug angekommen und fuhren zurück ins Büro, um das Notwendige in die Wege zu leiten.
10.
Gerrit war ein paar Mal eingeschlafen, aber nicht für lange, denn ständig wurde er durch den brennenden Durst, den er verspürte, wieder wach. Schon seine erste Augenscheinseinnahme dieses Etablissements hatte ihm deutlich vor Augen geführt, dass zumindest in seiner Reichweite kein Wasser oder irgendetwas zu trinken war. Mittlerweile wusste er auch, dass die tapsenden Geräusche doch nicht, wie von ihm sehr optimistisch erhofft, von Mäusen stammte, sondern von ekeligen fetten Ratten. Er hasste Ratten und seit dem er erst einmal eine von ihnen gesehen hatte, versuchte er, wach zu bleiben. Die sollten ja von ihm fern blieben. Und damit das so blieb, durfte er nicht wieder einschlafen. Man wusste ja nie, was sie anstellten, während er schlief.
Obwohl er aufgrund der pochenden Kopfschmerzen und des Schwindels immer noch Schwierigkeiten hatten, sich zu konzentrieren, dachte er immer öfter an sein Gespräch mit seinem Vater zurück. Er hatte also eine Schwester und auch schon eine Nichte. Ob er die beiden wohl je kennen lernen würde. Und wie sie wohl waren. Würden die ihn überhaupt kennen lernen wollen? Ein bisschen war er auch auf die unbekannte Schwester eifersüchtig. Er hatte seit dem 10 Lebensjahr auf seinen Vater verzichten müssen und dann bekommt der noch einmal ein Kind und spielt dort heile Welt. Und wie er von ihr und ihrem Kind gesprochen hatte, so warm und herzlich. Hatte er wohl jemals zu Dritten so über ihn gesprochen? Gerrit spürte, wie ihn diese Gedanken tief im Herzen trafen, als habe er einen Stromschlag erhalten. Er versuchte daher, nicht mehr an seine Halbschwester zu denken.
Nach wie vor war er noch äußerst misstrauisch, was seinen Vater anbelangte. Er wusste seinen Vater einfach nicht einzuschätzen. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass da noch was war. Was hatte sein Vater ihm gesagt, er wollte das Gespräch heute Nachmittag, weil er ihm dringend noch etwas sagen musste. Was es wohl war? Denn eigentlich hätte er es doch auch gestern Abend schon sagen können. Das mit den Briefen und dass ihm seine Mutter die einfach nicht gegeben hatte, entsprach vermutlich der Wahrheit.
Wenn er so darüber nachdachte, dann konnte es schon sein, dass sie ihm die Briefe vorenthalten hatte, vielleicht aus Angst, sein Vater könnte sich zwischen ihr und ihm drängen. Wie auch immer, er würde seine Mutter nicht mehr fragen können und selbst wenn, was sollte er da jetzt schon noch machen. Sauer konnte er seiner Mutter deshalb nicht sein. Aber da war noch etwas, etwas, das ihn seinem Vater gegenüber zur Vorsicht mahnte, etwas dass seine Nackenhaare zwar nur leicht, aber dennoch etwas hochstehen ließ.
Er zerbrach sich den Kopf, warum er ausgerechnet an dem Tage, an dem er seinen Vater das erste Mal wieder traf entführt wurde und wer überhaupt davon Kenntnis hatte, dass er sein Kind war. Natürlich sie hatten den gleichen Nachnamen, aber es gab viele Menschen, die den Nachnamen Grass trugen. Ihm kam wieder das Gespräch mit seinem Vater in den Sinn. Der hatte einen Detektiv angeheuert. Ob der etwas mit dem Ganzen hier zu tun hatte?
Er fragte sich, wie lange er wohl noch hier bleiben musste, denn es wurde immer unbequemer, abgesehen davon, dass ihm immer noch ziemlich kalt war und er langsam das Gefühl hatte, dass seine Hände abfroren.
11.
Alex traf sich gegen 08.30 Uhr im Hotel mit dem Vater. Michael hatte sie vorsichtshalber draußen bei der Beobachtung eingeteilt und würde sich später mit ihm treffen, denn sie war sich nicht sicher, ob Michael nicht doch auf den Vater losgehen würde.
Die KTU war bereits fertig und hatte den Koffer, in dem das Geld auf dem Bett lag, fertig bestückt. Auch das Auto des Vaters und seine Kleidung war mit allerlei elektronischen Überwachungsmitteln versehen worden. Nun saß sie zusammen mit dem Vater an dem kleinen Tisch und wartete nervös darauf, dass sich der Entführer meldete. Sie beobachtete Gerrit´s Vater, der die ganze Zeit schon auf die Erde starrte. „Und haben Sie schon ein Ergebnis von Ihrer Spezialuntersuchung?“ fragte sie ihn, um ein Gespräch in den Gang zu setzen. Der Vater nickte und antwortete traurig „Ja, es ist einfach perfekt, sämtliche Ergebnisse sind besser als man es sich je hätte erträumen konnte, es passt in allen Bereichen.“ Alex war irritiert „Und warum dann diese Trübsinnigkeit?“
Der Vater stand auf und rannte hin und her „Machen wir uns nichts vor. Ich habe alles vermasselt. Ihr Kollege hat recht. Was nützt das alles. Gerrit muss seine Einwilligung zur Entnahme seines Knochenmarks geben und das wird er vermutlich nicht mehr, wenn er so reagiert, wir Ihr Kollege oder wie der auch nur vermutet. Ich bin schuld, dass meine Enkelin vermutlich die letzte Chance ihres so jungen Lebens nicht wahrnehmen kann. Und dann habe ich meinen Sohn auch noch in diese missliche Lage gebracht. Wer weiß, ob er noch lebt“
Alex ging zu ihm und hielt ihn davon ab, weiter hin und her zu rennen. Sie schaute ihm in die Augen „Gerrit lebt. Ganz sicher. Und was Ihre Enkelin angeht. Sie kennen Gerrit wohl wirklich kein Stück. Ja, er wird vermutlich sauer sein, aber dass heißt nicht automatisch, dass er Ihre Enkeltochter nicht retten wird. Finden Sie nicht, sie machen Sie es sich ein bisschen zu einfach. Sie kommen hierher und glauben, er wird all die Jahre vergessen, weil Sie jetzt hier sind. Nein, das wird er nicht!Trotzdem hat er ihnen eine Chance gegeben und Ich weiß nicht, ob er Ihnen noch einmal eine Chance geben wird, aber wenn, dann vermasseln Sie es gefälligst nicht noch einmal!“
Gerrits Vater schaute sie traurig an. „Was gäbe ich dafür, noch einmal eine Chance zu bekommen, und glauben Sie mir, nicht nur wegen Sarah. Als er mir gestern gegenüber saß, da war er mir so ähnlich, seine Bewegungen, seine Gesten. Ich habe gestern Abend begriffen, wie viel ich in all den Jahren verpasst habe.“ Kaum ausgesprochen ging eine SMS bei ihm ein. Sie schauten sie sich an:
Fahren Sie in Richtung Tierpark und dann zum Osteingang.
Schnell nahm sich der Vater sein Jackett, den Koffer und lief los. Alex folgte ihm in einigem Abstand, während sie die Kollegen darüber informierte, dass es los ging.
.
12.
Gerrit schreckte von einem Geräusch hoch. Natürlich hatte er es nicht geschafft, die ganze Zeit wach zu bleiben und panisch schaute er sich um, ob irgendwelche Ratten sich schon an ihn zu schaffen gemacht hatten. Gott sei Dank war das nicht der Fall. Viel Zeit blieb ihm jedoch nicht, richtig wach zu werden, denn die Türe wurde bereits aufgeschlossen und der Typ von gestern kam erneut herein. Hämisch grinsend schaute er zu ihm nieder „Na, gut geschlafen?“ Als Gerrit nicht antwortete trat er erneut nach ihm „Sprichst wohl nicht mit jedem was? Aber was soll´s. Ich habe gute Nachrichten für Dich, Dein Alter zahlt die Kohle, also behältst Du alle Gliedmaßen.“ Gerrit bemühte sich, sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen, soviel Genugtuung wollte er diesem Kerl nicht geben.
Der Typ zog ein Tuch aus der Tasche und band es Gerrit um den Kopf, so dass seine Augen verbunden waren und er nichts sehen konnte. Anschließend merkte Gerrit, dass die Handschellen losgemacht wurden. Leider war die Freude zu früh, denn der Typ zog ihm die Hände auf den Rücken und machte dort die Handschellen wieder fest. Dann
wurde Gerrit von dem Typen mit ziemlicher Wucht hoch gerissen. Wenn der Typ ihn nicht krampfhaft und äußert schmerzvoll am Arm festgehalten hätte, wäre er gleich wieder zusammengebrochen. So dauerte es nur ein paar Sekunden, bis er halbwegs vernünftig stehen konnte und merkte, dass der Typ ihn hinter sich herzog. Da er nichts sehen konnte, stolperte er - von ihm immer noch am Arm festgehalten - hinter ihm her.
Er spürte, dass er in eine Art Kastenwagen verbracht wurde, wo er sich auf der Laderampe setzen musste. Anschließend ging die Fahrt los. Gerrit wurde bei den Kurven, die sie durchführen hin und her geschleudert. Da er nichts sehen konnte, versuchte er sich so gut wie möglich abzustürzen, was aber nicht wirklich half. Durch die Gehirnerschütterung wusste er nach einiger Zeit gar nicht mehr wo oben und unten war, alles schien sich um ihn zu drehen, so dass er sich schließlich lieber auf die Laderampe legte, wobei er dort immer aber immer noch hin und her geschleudert wurde und hoffte, dass die Fahrt bald vorbei war.
…
Alex und Michael beobachteten von weitem den Osteingang des Tierparks. Weitere Kollegen waren überall verstreut. Robert saß etwas abseits in einem SEK-Einsatzfahrzeug. Gerrit´s Vater stand vor der Türe. Nervös sah er sich um. Alex hörte, wie Michael leise in sein Funkgerät sprach „Herr Grass, bitte bleiben Sie ganz ruhig. Nicht das die Täter etwas merken.“ Alex zupfte Michael am Ärmel. Gerade wurde Gerrit´s Vater von einem Mann angesprochen. Über die Funkverbindung hörten sie das Gespräch mit. Gerrit´s Vater musste den Koffer übergeben. Er wollte ihn erst nicht abgeben, ohne dass sein Sohn übergeben wurde, doch als der Mann damit drohte, Gerrit auf der Stelle erschießen zu lassen, ließ der Vater den Koffer los. Der Mann teile ihm mit „In einigen Minuten, wenn ich in Sicherheit bin, wird Ihr Sohn in der Nähe freigelassen, also alles easy klar?“ dann drehte er sich um und ging weg.
Die Kollegen der mobilen Einheit - unter Führung von Robert - blieben in einiger Entfernung an den Wagen des Typen dran, bis dieser das Geld in einen anderen Behälter wechselte und den Koffer weg schmiss. Ab da mussten sie näher ran, denn das Signalgerät, dass zwischen den Geldbündel lag, hatte nicht so eine große Reichweite, wie das, welches sie in dem Koffer eingearbeitet hatte. Damit war zwar ein größeres Risiko entdeckt zu werden verbunden, aber man hatte extra viele Kollegen aufgeboten, um sich ständig bei der Verfolgung abzuwechseln. Zugreifen würde man erst, wenn man wusste, dass Gerrit in Sicherheit war.
13.
Endlich kam der Wagen zum Stehen, die Türe wurde aufgerissen und Gerrit wurde ziemlich barsch von der Laderampe gezogen, auf die Füße gestellt und vorwärts geschubst. Er konnte sich nicht halten und brach ein. Er hörte hinter sich, wie die Türen des Wagens wieder zugeschlagen wurden und der Wagen davonfuhr. Etwas irritiert, merkte er nach einiger Zeit, dass er alleine war. Die Kerle hatten ihn offenbar hier ausgesetzt. Da er immer noch die Augen verbunden hatte, konnte er nach wie vor nichts sehen und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Weit entfernt hörte er typische Straßengeräusche. Nachdem er endlich geschafft war, ging er langsam, um nicht wieder hinzufallen, in die Richtung, aus der die leisen weit entfernten Geräusche kamen, um Hilfe zu bekommen.
…
Michael und Alex waren mittlerweile bei dem Vater angekommen und zusammen mit ihm warteten sie auf irgendeine Meldung von oder über Gerrit. Nach endlich erscheinenden 20 Minuten erhielten sie einen Funkspruch „Zentrale an K11. Gerade ist ein Notruf eingegangen. Passanten haben einen gefesselten Mann aufgegriffen. Die Beschreibung passt auf den Kollegen Grass. Ein Krankenwagen ist bereits unterwegs. Goethestraße, Ecke Schillerstraße.“ Michael rannte zusammen mit den beiden anderen bereits zu seinem Wagen „K11 an Zentrale, verstanden.“
So schnell wie möglich fuhren sie zu der Adresse, die nicht weit von ihnen war. Sie kamen noch vor dem Krankenwagen an und erkannten Gerrit schon von weitem. Die Leute, die ihn schwankend aufgegriffen hatten, waren so vernünftig, erst einmal dafür zu sorgen, dass er sich auf die Bank, die zufällig in der Nähe stand, setzte. Die Augenbinde hatten ihm die Passanten bereits abgenommen, aber die Handschellen hatte er natürlich noch dran.
Alex hatte sofort, als sie Gerrit erkannte. Robert per Funk informiert, dass er nun zuschlagen konnte. Als Michael zum Stehen kam, sprang Alex aus dem Auto und rannte zu Gerrit, der zwar ziemlich fertig, aber auch erleichtert war, dass es vorbei war. Als erstes machte sie ihm die Handschellen los.
Unmittelbar nach ihnen kam der Krankenwagen und Gerrit wurde ins Krankenhaus gebracht. Michael nahm die Augenbinde im Empfang und bat einen uniformierten Kollegen, diese so schnell wie möglich zur KTU zu bringen, um sie dort auf DNA-Spuren untersuchen zu lassen. Dann fuhr er mit Alex ins Krankenhaus. Den Vater baten sie, abzuwarten und zunächst wieder ins Hotel zu fahren.
...
Nachdem Gerrit erst einmal etwas zu trinken bekommen hatte, wurde er eingehend untersucht. Die ganze Zeit versuchte er sich krampfhaft wachzuhalten, immer in der Hoffnung, nicht hier bleiben zu müssen. Da nach den Aufnahmen seines Kopfes aber feststand, dass er zwar nicht operiert aber dennoch einige Tage sicherheitshalber im Krankenhaus verbleiben musste, schlief er schon auf dem Weg in sein Zimmer vor lauter Müdigkeit ein.
14.
Als Michael und Alex am nächsten Abend vor Gerrits Bett standen, fiel Michael sogleich mit der Türe ins Haus „Und hast Du schon mit Deinem Vater gesprochen?“ und kassierte dafür von Alex sogleich einen ordentlichen Knuff in die Rippen. „Nee, wieso?“ fragte Gerrit neugierig. „Ach nichts besonderes, ich dachte nur.“ wiegelte Michael lieber ab und man kam auf andere Sachen zu sprechen, z. B darüber, dass die Entführung tatsächlich von der von Herrn Grass beauftragten Detektei durchgeführt worden war, weil man dachte, so an das große Geld zu kommen.
…
Rückblende
Sofort als Robert die Information von Alex bekam, dass Gerrit frei war, gab er diese an die Kollegen weiter, bat sie jedoch, auch weiterhin die Verfolgung aufzunehmen. Da jemand Gerrit freigelassen hatte, musste noch ein Komplize existieren und den wollte er unbedingt kriegen. Wenn es sich tatsächlich um den Detektiv handelte, dann wusste er ja, wie der aussah, weil sie in ihrer Datei ein Bild seines Ausweises hatte. Angetroffen hatten sie ihn an beiden Tage bislang jedenfalls nicht, was an sich ja schon sehr verdächtig war.
Endlich bog der Wagen in einen kleinen Feldweg ein und fuhr zu einer Hütte. Robert, der kurz hinter dem Wagen fuhr, wies alle anderen an, die Hütte langsam aber sicher von allen Seiten einzukesseln, ihm sollte so leicht keiner entkommen können. Leise schlich er zur Hütte und zu dem Fenster. Vorsichtig lugte er in die Hütte hinein und tatsächlich in der Mitte der Hütte stand der bislang unbekannte Mann mit dem Geldkoffer und sprach mit dem Detektiv. Robert vergewisserte sich, dass alle in Position waren und zeigte dann an, dann er hineingehen würde. Mit gezückter Waffe stieß er die Türe auf und sprang mit einem Kollegen von der SEK in den einzigen Raum der Hütte „Hände hoch und keine Bewegung.“ Beide Männer erstarrten und hoben, als sie sahen, dass sie eindeutig in der Unterzahl waren, brav die Hände gen Himmel.
Der Detektiv stammelte Robert entgegen „Das ist alles ein Missverständnis, ich kann das aufklären.“ Robert fauchte ihn an „Missverständnis? Was kann man denn da missverstehen? Sie haben meinen Kollegen entführt oder entführen lassen und dafür wandern Sie jetzt eine ganze Weile ein. So sieht´s aus!“ „Aber lassen Sie mich doch erklären.“ Robert war das Gejammer leid „Sie können sich im Büro erklären, bis dahin halten Sie einfach die Klappe.“ Er wies die Kollegen an, die beiden ins Büro zu fahren.
Als die beiden draußen waren, rief er bei Michael an und unterrichtete ihn von seinem Erfolg und war erleichtert, dass Gerrit wieder da war. Dann ging er nach draußen, um zurück ins Büro zu fahren. Er würde sich da später, sobald das Ergebnis von Gerrits Untersuchungen vorlagen, mit Michael und Alex treffen, um die Vernehmungen durchzuführen.
…...
Da umfassende Geständnisse abgegeben wurden, benötigte man zum Abschluss der Akten nur noch Gerrit´s Aussage.
Gegen 19.00 Uhr kann sein Vater. Alex und Michael meinten, dass sie sie dann mal alleine lassen würden und verabschiedeten sich, so dass Vater und Sohn nun alleine im Zimmer waren, denn das Nachbarbett war nicht belegt, um Gerrit und vor allem seinem Kopf die nötige Ruhe zu gönnen.
Es entstand eine peinliche Stille, die als Erstes von Gerrit durchbrochen wurde „Ahm, ich wollte mich noch bei Dir bedanken, dafür, dass Du das Geld zur Verfügung gestellt hast.“ Gerrit´s Vater hob abwehrend die Hände „Dafür doch nicht.“ Dann war es jedoch für den Vater an der zeit Gerrit reinen Wein einzuschenken. Er wusste, dass Michael und Alex es ihm sonst sagen würden. Und das würde alles nur noch schlimmer machen.
Während sein Vater sprach und versuchte, sich irgendwie zu erklären, sagte Gerrit nicht einen Ton. Schon nach den ersten Worten wanderten unablässig die Worte 'er ist gar nicht meinetwegen gekommen. Das war alles nur Mittel zum Zweck' durch seinen Kopf. Nachdem der Vater mit dem Reden fertig war, hatte Gerrit vor Wut Tränen in den Augen und flüsterte „Raus, raus aus meinem Zimmer“. Der Vater versuchte, noch etwas zu sagen, aber Gerrit war unerbittlich und sagte mit einer Stimme, die keinen Widerspruch zuließ „Du brauchst mich nur als Knochenmarkspender und sonst nichts, nur deshalb hast Du das Geld für mich bezahlt. Und ich Idiot bedanke mich auch noch dafür.“
Gerrits Vater versuchte, ihn vom Gegenteil zu überzeugen, aber Gerrit schüttelte immer nur den Kopf. „Gerrit, auch wenn Du mich vielleicht nicht mehr wiedersehen willst, denkst Du wenigstens darüber nach, Dein Knockenmark zu spenden?“ versuchte er es ein letztes Mal. Gerrit´s Augen versprühten Eiseskälte, als er ihn ansah „Ich werde darüber nachdenken, ob ich es tue, aber wenn, dann nur für die Nichte, die ich gar nicht kenne und vermutlich nie kennen lernen werde. Aber verflucht noch mal, Du hättest das ganze Theater nicht veranstalten brauchen, Du hättest schlicht und ergreifend nur Fragen brauchen.“ Gerrit war enttäuscht von seinem Vater, aber vor allem über sich selbst, weil er die Hoffnung, sich vielleicht mit seinem Vater verstehen zu können und wieder so etwas wie Familie zu haben, zugelassen hatte. Mit letzter Kraft schrie er ihm entgegen „Ich will, dass Du aus meinem Leben verschwindest, für immer! Und jetzt raus hier!“
Dem Vater blieb vorerst nichts anders übrig, als das zu akzeptieren und das Zimmer zu verlassen. Er sah sich noch einmal um „Gerrit, es tut mir wirklich so leid, dass es so falsch herübergekommen ist. Glaube mir, es entspricht der Wahrheit, dass ich gerne wieder Kontakt zu Dir haben möchte. Wenn Du es Dir anders überlegst, meine Tür steht für Dich immer offen.“
Draußen stand Alex. Sie hatte Michael zwar nach Hause geschickt hatte, konnte aber selbst nicht gehen, weil sie noch abwarten wollen, wie es läuft. Eigentlich konnte es bei der Vorgeschichte ja kaum gut gehen, aber man wusste ja nie. Sie hatte natürlich mitbekommen, dass das Gespräch ziemlich laut geworden war „Ist nicht gut gelaufen wie?“ fragte sie den Vater. Der Mann schüttelte den Kopf „Nein, er hat mich aus dem Zimmer geschmissen und will mich nicht mehr sehen. Aber er will es sich für Sarah überlegen.“ „Geben Sie nicht auf, er sieht es vielleicht in ein paar Tagen anders. Geben Sie ihm etwas Zeit.“ Gerrits Vater verabschiedete sich dankend von Alex und ging, während Alex in Gerrits Zimmer ging.
Er lag da in seinem Bett und sah zum Fenster hinaus. Tränen liefen seine Wangen herunter. Alex streichelte seinen Arm „Gerrit es tut mir so leid, aber glaube mir, Dein Vater hat es nicht so gemeint, wie er es gesagt hat, er kann es vielleicht nur nicht richtig ausdrücken.“ „Klar, sicher.“ meinte Gerrit ironisch. Er sah traurig Alex an „Das ganze Gerede, mich sehen zu wollen, war doch nur, weil er seine Enkeltochter retten will. Und ich Idiot habe gedacht …, Ach komm, lass gut sein.“ und wischte sich energisch die Tränen weg. Alex wusste, dass Gerrit erst einmal zur Ruhe kommen musste, um über die ganze Sache mit einem klaren Kopf und etwas Abstand nachdenken zu können und setzte sich deshalb auf den Stuhl neben den Bett und war einfach nur für ihn da, bis er eingeschlafen war.
15.
Gerrit wachte am nächsten Tag auf, als die Türe geräuschvoll von Robert aufgemacht wurde. „Hey Gerrit, geht es schon besser?“ begrüßte der ihn froh gelaunt. Gerrit nickte und war froh, dass er sich ein wenig mit Robert über halbwegs normale Sachen unterhalten konnte, denn Robert wusste nichts über die Probleme, die er mit seinem Vater hatte. Als die Visite kam, verabschiedete sich Robert.
Am Nachmittag kam Alex und Gerrit berichtete ihr, dass er den ganzen Tag über über das Kind, dass ja für diese beschissene Situation nichts konnte, nachgedacht und sich entschieden hatte, das Knochenmark zu spenden. Alex freute sich, denn sie war sich von Anfang an sicher gewesen, dass Gerrit seine Wut und Enttäuschung über seinen Vater bestimmt nicht an dem unschuldigen Kind auslassen würde. Gerrit bat sie für ihn, die Betroffenen zu informieren, denn er wollte auf gar keinen Fall mehr mit seinem Vaters sprechen. Alex verschwand kurze Zeit, um den Vater telefonisch zu informieren. Sie kam gleich mit einem Arzt zurück, der Gerrit über die Risiken und den Ablauf einer Knochenmarkspende bekannt machte. Der Eingriff selbst würde unter Vollnarkose stattfinden, worüber er sehr erleichtert war.
Da Gerrit nicht erst nach Hause wollte, sondern das Ganze direkt machen wollte, sobald die Ärzte grünes Licht gaben, wurde sein Vater von Alex noch einmal darüber informiert, dass er in 3 Tagen seine Enkeltochter nach München kommen lassen sollte, damit man ihr anschließend sofort das Knochenmark zuführen konnte.
Ein paar Tage später war es soweit und Gerrit sollte am nächsten Tag, nachdem er noch einige Untersuchungen und Blutabnahmen hinter sich lassen musste, das Knochenmark entnommen werden.
Gegen Abend betrat eine ihm unbekannte Frau mit den gleichen eisblauen Augen, die er selbst sein eigen nannte, sein Zimmer. Er wusste sofort, dass es Gina, seine Halbschwester sein musste. Misstrauisch sah er sie an „Was möchtest Du? Hat mein Vater Dich geschickt?“ Die Frau schüttelte schüchtern den Kopf „Nein, ich wollte Dich gerne kennen lernen. Es ist etwas schwierig für mich. Er hat mir von Deiner Existenz erst vor 2 Wochen erzählt und na ja, ich dachte, ich schaue mir meinen 'großen' Bruder mal an.“ Gerrit musste lächeln, 'meinen großen Bruder', das hörte sich ja an. Damit dass sie zu ihm kam, hatte er zwar nicht gerechnet, aber wenn sie nun schon mal da war, konnte er sich auch mit ihr ein bisschen unterhalten und sehen, wie sie so war.
Um ihr ein bisschen die Scheu zu nehmen, fragte er belustigt „Und sehr enttäuscht?“ Sie musste ebenfalls schmunzeln und kam näher an Bett „Nee, eher angenehm überrascht. Ich weiß, es ist etwas viel verlangt, aber vielleicht könnten wir ja in Kontakt bleiben. Berlin und München ist ja nicht allzu weit entfernt. Ich dachte, wir können uns vielleicht näher kennen lernen. Nun ja, ich muss zugeben, ich bin äußerst neugierig, wie Du so bist und so.“ Gerrit schaute sie nicht an, sondern auf sein Bett und antwortete nur traurig „Ja, vielleicht.“
Gina bemerkte seine Traurigkeit und bemühte sich, ihn von ihrer Aufrichtigkeit zu überzeugen „Gerrit, ich meine es wirklich ernst. Mein Vater hat mir von seiner Aktion erzählt und glaube mir, wenn er mir vorher davon erzählt hätte, wäre es nicht soweit gekommen. Du bist mein Halbbruder, dass kann man, wenn man sich unsere Augen ansieht, ja wohl kaum leugnen. Du gehörst daher, ob Du es willst oder nicht, zur Familie und es wäre nett, wenn man sich ab jetzt mal öfters sieht. Ich meine notfalls ohne Vater.“ Gerrit wusste nicht, was er darauf antworten sollte und wich erst einmal mit „Bitte, lass mir etwas Zeit, ja?“ Gina musste das wohl oder übel erst einmal hinnehmen.
16.
Anstatt sich auf den Stuhl neben dem Bett zu setzen, zog sie Gerrit an der Hand aus dem Bett und bat ihn mit ihr zu kommen. „Was hast Du vor?“ fragte Gerrit, denn die Cafeteria war bereits geschlossen. „Lass Dich überraschen“, war alles, was er zu hören bekam. Sie zog ihn mit sich über den Flur und dann in ein anderes Zimmer. In diesem Zimmer lag Sarah und schlief. „Ich dachte mir, Du möchtest Sie vielleicht einmal sehen, wenn Du Dir das schon mit der Spende morgen antust. Und schließlich bedeutet ja auch sie Familie. “ Gerrit sah Gina skeptisch an und ging dann näher zum Bett. Das Kind hatte bereits eine anstrengende Chemotherapie hinter sich und war kahlköpfig und äußerst dünn und sah ziemlich ausgemergelt aus. Aber das störte nicht wirklich, denn das kleine Gesicht war ziemlich hübsch und lenkte davon ab.
Gina stand hinter ihm, als er zum ersten Mal seine kleine Nichte betrachtete. Leise sagte sie „Sie hat unsere Augenfarbe und wenn sie nicht gerade ein Chemotherapie hinter sich hat, lockige hellblonde Haare.““Sie ist wunderschön.“ flüsterte Gerrit. Gina stellte sich neben Gerrit und streichelte ihrer Tochter über den Kopf „Ja das ist sie.“ Dann drehte sie sich zu Gerrit um. Er konnte sehen, dass sie weinte „Gerrit, ich möchte Dir noch sagen, wie dankbar ich Dir aus tiefstem Herzen bin, dass Du dass für Sie tust, so unendlich dankbar, dass sie doch noch eine Chance bekommt.“
Gerrit konnte den Drang, seine Schwester in den Arm zu nehmen, nicht widerstehen, denn auch er war irgendwie unendlich traurig, diese Kind so leiden zu sehen. „Scht“ machte er und sagte ein paar Mal „es wird alles wieder gut.“
Als er kurze Zeit später in seinem Bett lag und die Spritze erhielt, die ihn für morgen früh schläfrig machen sollte, dachte er immer noch über seinen Vater nach. Auch der hatte dieses Kind so leiden sehen. Konnte er es ihm deshalb wirklich verübeln, dass er ihm aus Angst, er würde es sofort ablehnen, nicht sofort die ganze Wahrheit gesagt hatte. Dennoch, das Gefühl, seinem Vater nichts zu bedeuten, blieb. Über diese Grübelei schlief er ein und wachte auch vor der Operation nur noch kurz auf, um gerade noch mitzubekommen, wie ihm die Spritze zur Narkose verabreicht wurde.
Als er wieder halbwegs wach wurde, lag er auf seinem Zimmer und Alex und Robert waren bei ihm. Alex Worte hörte er anfangs nur weit entfernt, aber nach und nach wurde er richtig wach und konnte ihrer Stimme nun auch folgen. Nach kurzer Zeit fragte Alex „Gerrit, Dein Vater steht draußen und würde Dir gerne noch etwas sagen, bevor er wieder nach Berlin fliegt. Ist das in Ordnung?“ Gerrit dachte kurz über seine Überlegungen vor der Operation nach und nickte dann.
Alex und Robert verließen den Raum und schickten den Vater hinein. Die beiden führten diesmal ein etwas längeres, sachliches Gespräch, das damit endete, dass man noch einmal versuchen wollte, sich wieder anzunähern. Gerrit, der nach wie vor in sich eine fast unüberbrückbare Abwehr spürte, bat sich für diesen Versuch jedoch einen längeren Zeitraum aus und auch, dass er den ersten Schritt dazu tun würde.
Als er Vater ging, fragte er sich, wie er an die Information kommen konnte, ob die Operation für Sarah gut ausgegangen war. Er war zu stolz gewesen, seinen Vater danach zu fragen, aber jetzt, wo er Sarah gestern Abend in ihrem Bett gesehen hatte, interessierte es ihn doch brennend.
17.
Bis zum Abend konnte ihm niemand irgend eine Auskunft geben, aber dann kam endlich Gina, um ihm zu berichten, dass auch Sarah die Operation gut überstanden hatte. Gina veranlasste, dass Sarah kurz in sein Zimmer geschoben wurde, damit er sie noch einmal sehen konnte, denn sie würde umgehend danach mit dem Hubschrauber in die Kinderklinik nach Berlin zurückgeflogen werden. Sarah war noch wach. Gina hatte darauf bestanden, dass sie für den Flug erst ruhig gestellt wurde, nachdem sie ihren Onkel persönlich kennen gelernt hatte.
Sarah hatte, wie Gina bereits erwähnt hatte, eisblaue Augen. Diese schauten Gerrit nun neugierig an. Gerrit, der sich eigentlich so gut wie nicht bewegen sollte, kam doch mit seinem Oberkörper etwas hoch, um besser sehen zu können. „Hallo Sarah“ begrüßte er sie vorsichtig. Sarah lächelte kurz „Bist Du mein Onkel?“ fragte sie ihm mit dünnem Stimmchen. Er lachte „Ja, das schon. Aber bitte sage nicht Onkel, dann fühle ich mich so alt. Sag einfach Gerrit OK?“
Sarah lächelte, nickte kurz und hielt ihre Hand gegen die zu ihrem Schutz, damit Keime und Bakterien oder Viren abgehalten wurden, am Bett angebrachten durchsichtigen Plastikhülle. Gerrit streckte sich etwas und hielt seine Hand dagegen. Gerrit spürte ein unheimlich warmes Gefühl, das Gefühl einfach dazu zu gehören, ohne Wenn und Aber. Es fühlte sich so richtig an, so unheimlich gut. Aber dann musste er sich erschöpft wieder hinlegen, denn die Schmerzen in seiner Hüftgegend wurden unerträglich.
Sarah wurde wieder aus dem Zimmer geschoben und Gina blieb noch einen Augenblick. Mittlerweile war auch Alex erneut gekommen und lernte Gina kennen. Leider wartete auf Gina bereits der Hubschrauber, so dass sie nicht mehr lange bleiben konnten.
Bevor sie gehen musste, wandte sie sich noch einmal an Gerrit „Was ich gestern gesagt habe, meinte ich wirklich ernst. Ich möchte, dass Du uns besuchen kommst in Berlin, sobald es möglich ist. Wir haben soviel übereinander zu erfahren und auszutauschen. Und das hier wollte ich Dir noch geben.“
Gerrit nahm überrascht einen Schnellhefter entgegen. Er blätterte darin und sah Fotos von sich in allen Lebenslagen, jeweils mit Daten versehen wie 'Gerrit´s 18. Geburtstag' oder 'Gerrit mit seinem ersten eigenen Auto'. Mit einem Foto seiner Feier zum 30. Geburtstag endete der Hefter. Fragend sah er sie an. „Das sind Kopien eines Hefters, den Vater mir, nachdem er mir von Deiner Existenz berichtet hat, gezeigt hat. Ich habe, als Vater sagte, dass Du glaubst, er habe die ganze Zeit von Dir nichts wissen wollen, den Hefter noch schnell kopiert, bevor wir hierher gekommen sind. Gerrit, er hat all die Jahre immer sorgfältig die Bilder von Dir abgeheftet und sie oft angesehen, dass kann man deutlich den abgegriffenen Originalen entnehmen. Soetwas tut niemand mit Bildern von jemanden, der einem egal ist. Gerrit, dieser Ordner bedeutet Vater sehr viel. Ich hoffe, das hilft Dir ein wenig.“
Gerrit wusste nicht, was er darauf sagen sollte, er war einfach sprachlos. Gina hatte keine Zeit mehr und verabschiedete sich von Gerrit mit einem Küsschen auf der Wange „Auf Wiedersehen Gerrit. Ich rufe Dich in den nächsten Tagen an und lasse Dir ja nicht so viel Zeit uns mal in Berlin zu besuchen, versprochen?“ „Versprochen und Danke“ antwortete Gerrit gerührt und schon war Gina verschwunden.
Immer noch völlig erstaunt schaute er Alex an. Die wollte nun endlich wissen „Woher hat Dein Vater bloß all diese Fotos? Ob er Dich Jahrelang von einem Detektiv beobachten lassen hat?“ Gerrit schüttelte den Kopf „Nein, ich kenne alle diese Fotos. Mein Patenonkel, ein alter Freund meiner Eltern hat sie gemacht. Er hat immer wie wild alles fotografiert. Einige der Fotos habe ich selber auch von ihm bekommen. Außerdem, das wichtigste Indiz: Die Mappe endet mit einem Foto an meinem 30. Geburtstag. Das passt genau. Er ist 2 Wochen später plötzlich an einem Herzinfarkt verstorben. Das er noch mit meinem Vater so in Kontakt stand, wusste ich nicht. Er hat nie auch nur irgend ein Wort davon verlauten lassen.“
Ein paar Tage später wurde Gerrit aus dem Krankenhaus entlassen und von allen Kollegen im Büro freudig begrüßt.
Zwei Monate später fuhr Gerrit das erste Mal für ein verlängertes Wochenende nach Berlin zu seiner alleinerziehenden Halbschwester und ihrer Tochter. Auch seinen Vater traf er an diesem Wochenende wieder. Es sollte nur der erste von vielen Besuchen werden und er freute sich jeden Mal auf den Besuch, weil er fühlte, dass er zwar seinem Vater nie so Nahe stehen würde, wie seiner Mutter, aber dass er von seiner Halbschwester und seiner Nichte so angenommen und geliebt wurde, wie er war.
ENDE
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