Gefühle
 
1.
 
Gerrit ging langsam durch die einsamen Straßen Münchens. Es war 5.30 Uhr am Sonntag morgen und um diese Zeit begegneten ihm weder irgendeine Person, noch fuhren Autos, jedenfalls nicht in dem reinen Wohngebiet, das er gerade durchquerte. Er kam von Alex und war nun auf den Heimweg. Alex und er wohnten nicht gerade um die Ecke, aber da er heute zu viel getrunken hatte, konnte er nicht mehr fahren und um diese Uhr trieben sich die Taxis nicht gerade haufenweise hier herum. Da hätte er erst zurück zum Bahnhof gehen müssen, aber dazu hatte er auch keine Lust mehr gehabt und so war ihm nichts anderes übrig geblieben, als sich zu Fuß auf den Weg zu machen. Aber dabei konnte er wenigstens nachdenken.
 
Alex und er waren im Kino gewesen und anschließend noch bei ihrem Lieblings-Italiener eingekehrt, bis der sie gegen 01.30 Uhr so gut wie raus geschmissen hatte. Der Genuss von einigen Gläsern Rotwein beim Italiener hatte dafür gesorgt, dass sie beide ganz schön angeschickert waren. Etwas schaukelnd und sich gegenseitig stützend waren sie zu Alex gewandert. Natürlich hatte er es sich nicht nehmen lassen, sie nach Hause zu begleiten. Sie hatte ihn gefragt, ob er noch mit nach oben gehen wollte und er hatte nur noch ein Absacker trinken wollen, bevor er sich auf den weiteren Weg machte.
 
Er wusste selber nicht wie, aber irgendwie hatte sich alles verselbständigt, ohne, dass er es aufhalten konnte oder sogar aufhalten wollte. Er hatte in den letzten Monaten immer mehr Gefühle für Alex entwickelt. Aus der ersten Schwärmerei war mehr geworden, wie viel mehr, da war er sich trotz aller Grübeleien in letzter Zeit immer noch nicht im Klaren. Natürlich hatte er das für sich behalten. Was wenn Alex seine Gefühle nicht erwiderte und er sich zum Narren bei ihr machte. Außerdem wollte ihre Freundschaft nicht gefährden. Er brauchte sie so dringend, um sich auch mal aussprechen zu können. Sicher konnte er auch mit Michael reden, aber nicht so wie mit Alex. Michael würde ihn bei manchen Dingen, die in von Zeit zu Zeit beschäftigten bestimmt nur auslachen, da war Alex anders.
 
Und nun das. Was sollte er jetzt tun. Was wenn Alex das Ganze gar nicht hatte tun wollen? Wenn sie es bereute? Er fürchtete sich vor einer ablehnenden Haltung von ihr.
 
 
2.
 
Während er zielstrebig seiner Wohnung immer näher kam, lief die gesamte Situation noch einmal vor seinem inneren Auge ab:
 
Setzt Dich, ich hole nur schnell die Flasche Wein“ sagte Alex. Noch während sie die Worte aussprach, beobachtete sie lachend, dass er sich bereits mitten auf das Sofa fallen ließ. Keine 2 Minuten später kam sie zurück, in der einen Hand zwei Weingläser und in der anderen Hand die Weinflasche. Alex stellte beides auf vor ihm auf den Tisch und lächelte ihn an, während sie den Korkenzieher fordert aus ihrer Hosentasche zog. Er registrierte so ganz nebenbei, dass sie noch einmal ihren Lippenstift nachgezogen hatte oder irrte er sich da?
 
Ohne Worte nahm er ihr den Korkenzieher ab und entkorkte gekonnt den Wein. Nachdem er die beiden Gläser gefüllt hatte, reichte er eines davon an Alex weiter, die sich neben ihm auf dem Sofa niedergelassen hatte. Mit dem anderen in der Hand ließ er sich wieder nach hinten fallen und drehte seinen Kopf nach Alex um, einfach nur um sie zu betrachten. Die Gläser aneinanderstossend schauten sich einfach nur schweigend an und genossen den Augenblick. .Sowohl Alex, als auch er waren eindeutig mindestens angetrunken. Er konnte es an ihren vergrößerten Pupillen sehen, die ihm wie große dunkle Rubine vorgekommen waren und in der er sich hätte verlieren können.
 
Er überlegte, welches Thema er anstimmen konnte, aber immer wieder kam ihm nur das eine in den Sinn - Alex sinnlich und nackt in seinen Armen -. Nicht, dass er sie schon einmal ohne Kleidung gesehen hatte, aber seine Phantasie war, was das betraf, reichlich kreativ. Plötzlich merkte er, dass sich durch seine Gedankenspiele etwas bei ihm regte.
 
Oh Gott nein, was sollte Alex jetzt von ihm denken. Aber es war zu spät. Er konnte seine Erregung nicht mehr zurückhalten und noch schlimmer, sie war nur allzu deutlich zu erkennen. Er bekam vor lauter Scham offenbar rote Ohren, denn Alex lachte und fasste ihn an sein rechtes Ohr „Oh wie süß, Du hast ja ganz rote Ohren.“ Und während sie dies sagte, kam sie näher und begann ihn zu küssen, erst hauchend auf sein rechten Ohr - was nicht gerade geeignet war, ihn wenigstens wieder etwas runter zu bringen -, dann immer weiter in Richtung Mund. Schließlich küsste sie ihn wild und hemmungslos. Wollte er bis eben gerade noch versuchen, wenigstens einen Gedanken daran zu verschwenden, es zu verhindern, ließ er nun den Dingen ebenfalls seinen Lauf und keine 10 Minuten begannen sie, sich gegenseitig auszuziehen. Etwas später landeten sie, da das Sofa für solcherlei Aktivitäten zu unbequem war, bei Alex im Bett. ...“
 
Fortsetzung folgt
 
 
3.
 
Sie waren gemeinsam eingeschlafen und als er heute morgen - oder mit seinen Worten besser gesagt 'mitten in der Nacht' - gegen 5.00 Uhr wach geworden war, war ihm das ganze Ausmaß klar geworden. Er selbst war sich darüber bewusst, dass er mit Alex durchaus hatte schlafen wollen, aber was, wenn Alex das nicht hatte wollen, und sie es nur gemacht hatte, weil sie, was er nun mal nicht abstreiten konnte, sicherlich zu tief in Glas geschaut hatte? Hatte er die Situation schamlos ausgenutzt?
 
Er raufte sich verzweifelt die Haare und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. Ziemlich zerknirscht hatte er zu ihr rübergesehen. Sie schlief immer noch friedlich neben ihm. Alex wach zu mache oder abzuwarten, was sie zu dem Ganzen zu sagen hatte, hatte er sich nicht getraut. Nein, er war zu feige gewesen, sich ihre Vorwürfe anzuhören und hatte lieber erst einmal fluchtartig, seine Sachen aufklaubend und notdürftig überziehend, die Wohnung verlassen. Nun wurde ihm ganz schlecht bei dem Gedanken daran, dass er ihr in Kürze wieder unter die Augen treten musste, denn sie hatten ha heute ab Mittag zusammen Dienst und mussten Michael und Robert ablösen.
 
Bei dem letzten Gedanken fasste er sich erschrocken an die Stirn - Michael ! -, was würde der sagen, wenn Alex das Geschehen im falschen Licht sah und er das erfuhr. Er würde ihn umbringen, wenn Alex auch nur andeuten würde, dass sie es eigentlich nicht gewollt gehabt hätte, ja umbringen würde er ihn, mindestens, wenn nicht noch mehr. Er wusste zwar, dass Michael seit kurzem eine neue Freundin hatte, aber wenn Alex die ganze Sache falsch bewertete und deshalb sauer auf ihn war, dann würde Michael, Freundschaft hin oder her, ihn ordentlich durch die Mangel drehen, soviel war sicher. Was hatte er da bloß wieder angestellt. Er könnte sich selbst Ohrfeigen, so sauer war er auf sich selbst. Wie hatte er nur so dumm sein könnten. Wie oft hatte er sich schon vorgenommen, Alex seine Liebe zu gestehen, hätte er nicht auch jetzt noch etwas warten können. Oh man, verdammt! Er kannte doch Alex ziemlich gut, wenn er ihr jetzt seine Liebe gestand, würde sie ihm vermutlich auslachen und denken, er sage das nur so, weil sie die letzte Nacht miteinander geschlafen hatten.
 
Fortsetzung folgt
 
4.
 
Endlich war er zu Hause und schlich langsam und völlig fertig die Treppe hoch. Da er nur 2 Stunden geschlafen hatte, legte er sich sofort hin. Aber es war schwierig, mit dem Gedankenchaos, das in seinem Kopf herrschte, einzuschlafen und so wälzte er sich zunächst nur hin und her. Schließlich hatte er es doch geschafft, in den Schlaf zu kommen, aber nur, um einem wirren Traum um Alex, den Aktivitäten der letzten Nacht und einen wütenden Michael, der außer sich war, zu durchleben. Als es gegen 12.00 Uhr an seiner Haustür klingelte, war er eher gerädert, als ausgeruht. Schlaftrunken torkelte er daher durch den Flur und öffnete - immer noch auf einem Bein humpeln, weil er auf dem Weg zur Tür mit seinem großen Zeh vor sein Sideboard im Flur gelaufen war - mit verschlafendem Gesicht und Haaren, die zu Berge standen, seine Wohnungstüre.
 
Alex stand vor ihm. Damit niemand ihre etwas angeschwollenen Augen bemerkte, trug sie eine Sonnenbrille, die ihr, wie er natürlich gleich bemerkte, verflixt gut stand. Trotzdem sah er an ihrer Kopfbewegung, dass sie ihn von oben bis unten langsam musterte. Er schaute verwirrt selbst an sich herunter und bemerkte erst jetzt, dass er außer ein T-Shirt und seiner Unterhose nichts an hatte. Stotternd brachte er ein „Entschuldigung, aber das Klingeln kam so überraschend“ hervor. Im Stillen dachte er noch bei sich 'Gott sei Dank habe ich heute nicht nackt geschlafen.'
 
Alex drückte ihn an Seite und fragte „darf ich reinkommen?“ Aber das war nur eine rein rhetorische Frage, denn sie stand bereits im Flur. Gerrit, immer noch nicht ganz bei sich, schaute ihr nur perplex hinterher und nickte überflüssigerweise. Da er keine Anstalten machte, die Türe zu schließen und zu hören war, dass von oben jemand das Treppenhaus herunterkam, übernahm Alex das für ihn, indem sie ihm die Türklinke aus der Hand nahm und mit Bestimmtheit die Türe schloss.
 
Sie kam gleich zur Sache. Seufzend stellte sie klar „Gerrit wir müssen reden!“ und ging resolut voran ins Wohnzimmer. Gerrit nickte erneut und folgte ihr mit hängendem Kopf, weil er nicht wusste, wohin er schauen sollte. Ausgerechnet jetzt musste er an ihren hübschen Körper denken, an ihre Anmut gestern Nacht und daran, dass es einfach unglaublich gewesen war. Oh Gott. Panisch bemerkte er, dass sich bei ihm erneut etwas regte. Hektisch dachte er nach, was er jetzt tun sollte, das passte ja mal jetzt so ganz und gar nicht. Warum musste ihm das ausgerechnet jetzt passieren. Hoffentlich drehte sich Alex nicht genau in dieser Sekunde um.
 
Fortsetzung folgt
 
 
5.
 
Diese Worte waren noch nicht ganz in seinem Kopf ausgedacht, da drehte Alex sich auch schon um und schaute, als hätte sie sozusagen seine Denken laut und deutlich gehört, ausgerechnet auf seinen Schoß. Sie schüttelte empört über ihren Kollegen den Kopf und bemerkte „Gerrit, ich sprach von reden, nicht davon!“. Gerrit wäre am liebsten im Boden versunken oder auf der Stelle tot umgefallen. Er zischte ein gepresstes „Ich geh mal kurz ins Bad und bin gleich wieder da“ hervor, und sah zu, dass er so schnell wie möglich weg kam. Nur ja schnell weg aus Alex Blickfeld. Er hatte nämlich das unangenehme Gefühl, dass dieses Mal nicht nur seine Ohren ziemlich rot angelaufen waren.
 
Nach gut einer Viertelstunde kam er zurück ins Wohnzimmer. Er war frisch geduscht und hatte sich was übergezogen. Seine Haare standen immer noch ab, aber dieses Mal nicht, weil sie vom Schlaf zerzaust waren, sondern weil er sie der Eile halber nicht geföhnt hatte, sondern nur mit dem Handtuch einigermaßen trocken gerieben hatte. Das würde er gleich mit Gel schon wieder hin bekommen. Als er bemerkte, dass Alex bei seinem Anblick schmunzeln musste, schaute er sich vorsichtshalber doch mal eben in seiner Glasvitrine an. Nun musste auch er lachen. Im Bad hatte er nicht mehr in den Spiegel geschaut, aber nun sah er das ganze Ausmaß seiner abstehenden Haare und drückte wenigstens die schlimmsten Stellen etwas runter. Dann drehte er sich wieder zu Alex um.
 
Im Gedanken machte er sich auf eine Standpauke gefasst, aber alles was Alex von sich gab, war die Frage „Hast Du nicht was zu sagen, ich meine, wie soll es jetzt weitergehen?“ Gerrit sah Alex unsicher an. Wie es weitergehen sollte? Was meinte sie damit? In der Arbeit oder sonst? Was genau wollte sie von ihm hören? Er zuckte fragend mit den Schultern, aber das schien sie ihrem Gesichtsausdruck nach zu verärgern. Heiß und kalt zugleich wurde es ihm. Er musste etwas sagen. Jetzt. Sofort. Alles war ihm auf die Schnelle einfiel war, „Alex ich weiß, wir hätten das nicht tun sollen und es tut mir echt Leid. Es ist allein meine Schuld. Und wenn Du willst, radieren wir das einfach aus unserem Gedächtnis aus. Wirklich. Niemand muss davon erfahren.“
 
War sie mit diesen Worten zufrieden? War es das, was sie von ihm hören wollten. Er wusste es einfach nicht. Er hatte ihr etwas gesagt, von dem er dachte, dass sie diese Worte hören wollte, denn das, was er wirklich fühlte, das konnte er ihr nicht sagen. Zu groß war die Angst, dass sie ihn abblitzen ließ und dem wollte er sich einfach heute nicht auch noch stellen. Neugierig, ob er das richtige gesagt hatte, beobachtete er sie.
 
Fortsetzung folgt
 
 
6.
 
Alex sah ihn ein paar Sekunden – wie es ihm schien - traurig an. Es sah so aus, als wolle sie auf seine Worte etwas erwidern, dann überlegte sie es sich aber offensichtlich noch einmal anders, nickte nur und sagte lediglich „dann ist ja gut“. Mit diesen Worten stand sie auf, drehte sich um, flüsterte noch ein „Bis gleich“ und machte sich auf den Weg hinaus. Alex Traurigkeit und gleichzeitige Enttäuschung irritierte Gerrit kolossal, als er ihr in den Flur folgte. Wenn er könnte, würde er alles sofort rückgängig machen, die ganze Nacht, er hatte doch nicht gewollt, dass es Alex so sehr mitnimmt.
 
Als die Tür hinter Alex zuschlug, wollte er erst hinter ihr herlaufen, aber dann überlegte er es sich anders, weil er immer noch nicht wusste, was er ihr sonst sagen konnte. Statt dessen lehnte er sich im Flur an die Wand und ließ bedröppelt den Kopf hängen. Langsam ließ er sich an der Wand entlang auf den Boden gleiten und verbarg seinen Kopf in den Händen. Wie lange schon wollte er Alex sagen, das er mehr Gefühle für sie hatte, als reine Freundschaft. Und nun das. Niemals mehr würde sie ihn so nah an sich herankommen lassen. Da war er sich sicher. Alles war vorbei.
 
Aber warum war Alex so traurig und enttäuscht gewesen, was hatte er nun schon wieder falsch gemacht? Er hatte es selbst verbockt, das war ihm so klar, wie Kosbrühe. Warum hatte er nur zugelassen, dass seine Gefühle über Nacht mit ihm durchgaloppiert waren, er hätte sofort nach Hause gehen sollen und nicht erst mit Alex hoch in die Wohnung. Der verdammte Alkohol. Er schwor sich, für immer und ewig keinen Alkohol mehr zu sich zu nehmen. Ärgerlich boxte er mit der Faust mehrfach gegen die Wand, irgendwo musste er mit seiner angestauten Wut einfach hin.
 
Als seine Hand begann langsam wehzutun, ließ er das gegen die Wand hauen endlich sein und dachte noch einmal über das Gesagte nach. Wenigstens hatte sie bestätigt, dass das Ganze unter ihnen bleiben würde, wegen Ärger mit Michael würde er sich also wohl erst einmal keine Sorgen machen müssen.
Er bliebt eine ganze Weile so auf der Erde sitzen und dachte weiter über Alex und ihrem Verhalten nach, wurde aber nicht wirklich schlauer daraus, so sehr er sich auch bemühte. Verstehe einer die Frauen. Er gäbe alles dafür, nicht ständig Rätselraten zu müssen, was welche Aussage nun bedeutete. Da kam man mit Männern wesentlich einfacher klar. Die sagten wenigstens immer klar und deutlich was sie sagen wollten und jeder wusste woran man war. Vielleicht sollte er einfach schwul werden. Aber nee, das war natürlich eine ziemlich blöde Idee.
 
Erst gegen 14.30 Uhr raffte er sich auf, um in die Arbeit zu fahren. Er half ja nichts. Im Gegenteil, wenn er doch nicht pünktlich erschien, bekam er nur noch mehr Ärger. Auf den ganzen Weg zum Büro rumorte sein Magen. Wie ein Klumpen schien er sich zusammen zu ziehen, je näher er dem Gebäude kam.
 
Fortsetzung folgt
 
 
7.
 
Als er aus dem Auto stieg, atmete er ein paar Mal kurz durch. Ob sie wohl schon da war? Er schaute auf seine Armbanduhr. Natürlich war sie schon da, alles andere käme einem Wunder gleich. Denn er war eindeutig schon 10 Minuten zu spät und Alex kam meistens schon vor Dienstbeginn. Innerlich wappnete er sich beim Treppen hoch steigen schon einmal wegen des Zuspätkommens gegen Michaels Standpauke. Mal wieder. Er sollte das mit der Pünktlichkeit doch eigentlich endlich mal hinbekommen, selbst Robert schaffte es meistens pünktlich.
 
Als er das Büro betrat, stand Michael schon vor seinem Schreibtisch und schaute demonstrativ auf seine Uhr „Na da ist ja der Herr Grass, welche Ausrede haben wir denn heute, hm?“ Gerrit antwortete gar nicht erst, sondern harrte der Dinge, die da noch kommen würde, er wusste, dass das nicht alles sein konnte, was Michael vom Stapel ließ. Er wurde natürlich nicht enttäuscht und nachdem Michael offenbar der Meinung war, genug gesagt zu haben, räumte er endlich seinen Schreibtisch und nahm seine Jacke. Gerrit versuchte so unbeteiligt wie möglich zu sein, als er sich auf den Schreibstuhl niederließ und Michael fragte „ist Alex noch nicht da?“
 
Michael, der gerade das Büro verlassen wollte, um Feierabend zu machen drehte sich noch einmal um „Doch klar, die ist mal kurz für kleine Mädchen. Sag mal, weist Du, was sie hat? Die ist hier vielleicht mit einer Laune angekommen. Aber sagen, was los ist, will sie auch nichts.“ Gerrit schüttelte den Kopf und schaute angestrengt in den Bildschirm vor sich. Nach Michaels Tonfall zu gehen, hatte Alex nicht nur schlechte, sondern wohl äußerst schlechte Laune. Das konnte ja heiter werden. Er nahm sich vor, nachher, wenn er mit ihr allein war, mit Alex noch einmal zu sprechen. Im innersten hoffte er jedoch, dass sich das Ganze auch so regeln würde.
 
Michael sah ihn einen Moment fragend an, aber als von Gerrit nichts mehr kam, ging er letztendlich nun doch mit den Worten „Vielleicht kriegst Du ja noch raus, was sie hat. Wir telefonieren“ und war verschwunden. Gerrit atmete erst mal erleichtert auf. Gott sei Dank, hatte Alex Michael nichts gesagt. Was das betraf, war auf Alex eben einfach verlass. Obwohl ihm langsam der Verdacht kam, dass es höchstwahrscheinlich einfacher wäre, die Sache mit Michael zu regeln, als mit Alex.
 
Nachdem er allein im Büro war, schaute Gerrit zunächst in den Unterlagen nach, was heute so anstand und überlegte, was er tun könnte, bis Alex kam. Er sah auf den Bildschirm, als ihm ein Gedanke kam. Die Gelegenheit war günstig und so stöberte er erst einmal ein wenig in Michaels Privat-Mails herum. Michael durfte das natürlich nicht erfahren, aber wie sollte er auch. Als die Tür aufging, zuckte er schuldbewusst zusammen, weil er dachte, es sei Alex, aber es war nur Max, der lachte und fragte „Na, weiß Michael, was Du da machst?“ Gerrit drohte ihm spielerisch „Wehe Du sagst ihm was!“ In diesem Moment wurde erneut die Türe aufgestoßen und Alex kam rein. Max verschwand so schnell es ging aus dem Büro, denn auch er hatte schon mitbekommen, welche Laune Alex heute hatte.
 
Fortsetzung folgt
 
 
8.
 
Da Alex sich sofort wortlos an ihren Schreibtisch setzte und ohne ein Wort an Gerrit zu richten zu arbeiten begann, blieb ihm auch nichts anderes übrig und so schrieb er erst mal seine letzten Berichte noch zu Ende. Nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinander her gearbeitet hatte, und Gerrit immer wieder zu ihr hinschaute, sie sich aber nichts anmerken ließ, räusperte er sich zögerlich „Du Alex, ist alles klar?“ „Hm?“ ruckte Alex Kopf fragend hoch. „Na, ich meine, Du sagst kein Wort. Hör zu. Wenn ich irgend etwas tun kann, damit es besser wird, dann sag es einfach und ich mach es“ stotterte er fast hilflos vor sich her, nur um wenigstens etwas zu sagen.
 
Alex sah ihn unverständlich an und dachte offensichtlich darüber nach was sie darauf sagen sollte, aber nach einer Weile antwortete sie nur „Ich weiß nicht was du meinst“ und wandte sich wieder ihrem Bildschirm zu. Gerrit wurde das Gefühl nicht los, dass Alex irgendwie eingeschnappt war. Er fühlte sich ganz mies, denn er wusste natürlich, dass er für Alex schlechte Laune verantwortlich war, aber andererseits konnte er sich keinen anderen Grund dafür denken, als denn für ihn einzig logischen Schluss, dass sie verärgert war, weil er mit ihr geschlafen hatte. Also waren seine Befürchtungen nicht unberechtigt gewesen.
 
Nach endlos erscheinenden 3 Stunden kam endlich ein Einsatz für sie. Eine besorgte Nachbarin meldete telefonisch, dass sich auf dem Nachbargrundstück irgend etwas tat, obwohl die Familie im Urlaub war. Es handelte sich um eine Nobelgegend, so dass ein Einbruch dort durchaus nicht undenkbar war. Gerrit sprang sofort auf. Eine gute Gelegenheit, wenigstens der Enge des Büros und Alex Laune zu entkommen. Die würde ihn zwar begleiten, aber er konnte sich ja etwas abseits halten. Außerdem würde sie sich ja sicher während eines Einsatzes zurückhalten.
 
Alex und Gerrit rannten gemeinsam zu ihrem Fahrzeug. Noch im Laufen streiften sie sich ihre Schutzwesten über. Wie immer pulsierte das Blut bereits bis in die Halsschlagader hoch. Nichts war aufregender als eine mögliche Gefahrensituation. Beide waren so konzentriert bei der Sache und dem was zu tun war, so dass sie -so wie Gerrit es erhofft hatte - ihr kleines „Problem“ miteinander zumindest für eine Weile vergaßen und sich professionell der Sache annahmen.
 
Fortsetzung folgt
 
9.
 
Keine 10 Minuten später kamen sie mit quietschenden Reifen und Blaulicht fast unmittelbar vor dem Grundstück zum Stehen. Dass sie dabei beim Abbremsen etwas mit dem Wagen drifteten, ließ das Adrenalin in ihren Adern nur noch mehr pulsieren. Alex war Beifahrerin und sprang daher als Erste aus dem Wagen, noch bevor der Wagen ganz stand. Gerrit, der den Zündschlüssel noch abziehen und den Wagen ausmachen musste, hastete ihr so schnell wie möglich hinterher. Mit gezogenen Waffen liefen sie vorsichtig auf das Grundstück zu, Alex stets ca. 2 m vor Gerrit.
 
Zu sehen war nichts. Das Gebäude, dass sich auf dem Gelände befand, war stockdunkel. Hinzu kam, dass der Besitzer offenbar während seines Urlaubs die Außenbeleuchtung ausgeschaltet hatte, denn keine der Lampen, die auf dem Grundstück zu erkennen waren, leuchteten. Merkwürdig war, dass das Tor der Mauer, die das Grundstück umfasste, sperrangelweit offen stand, was eindeutig verdächtig war. Alex deutete Gerrit an, dass sie vor hatte, das Grundstück sofort zu betreten, ohne auf die soeben von ihr telefonisch angeforderte Verstärkung zu warten.
 
Langsam betraten sie - sich nach allen Seiten so gut wie möglich absichernd - mit gezückten Waffen den Weg zum Haus. Im Hintergrund sah man sie Silhouette des Hauses. Es war mindestens 100 m vom Tor entfernt. Gerrit lauschte, er hatte etwas gehört und nun hörte er einen Motor anspringen. Er zischte gerade „Alex, pass auf“, als das Fahrzeug auch bereits wie aus dem Nichts und mit durchdrehenden Reifen auf sie beide zugeschossen kam.
 
Alex wurde so davon überrascht, dass sie wie erstarrt stehen blieb. Gerrit bemerkte ihre stocksteife Haltung sofort, nahm, anstelle das Fahrzeug ins Visier zu nehmen, seine Waffe runter und rannte los. Er versuchte alles, sie noch vor dem Fahrzeug zu erreichen, aber der Wagen traf Alex mit voller Wucht. Gerrit sah fast wie in Zeitlupe, wie Alex über das Dach des Fahrzeuges katapultiert wurde. Für einen Moment schien die Zeit still zu stehen, dann verspürte er unvermittelt einen Schlag und wurde zu seiner Verwunderung zu Boden geschleudert. Er schaute verdutzt dem Fahrzeug nach, das um die Ecke verschwand und registrierte schon fast automatisch das Kennzeichen.
 
Dann erinnerte er sich daran, dass Alex ja bei ihm gewesen war und er schaute sich nach ihr um, konnte sie aber wegen der herrschenden Dunkelheit zunächst nicht sehen. Schnell kramte er sein Handy aus der Hosentasche und drückte die Notruftaste. Als die Zentrale sich meldete, rief er ins Handy „Grass hier, Kollegin Rietz wurde überfahren, ich brauche sofort einen Notarzt, schnell. Rosenstraße 88. Und fahndet nach einem schwarzen Mercedes S Klasse, Kennzeichen M – HP 551. Und noch was, informiert sofort Michael Naseband.“
 
Dann drückte er ohne eine Antwort abzuwarten die Auflegetaste auf seinem Handy und rannte in die Richtung, in der er Alex hatte fliegen sehen. Dass er ebenfalls angefahren worden war und sein Knie lädiert war, spürte er vor lauter Sorge um Alex und sicher auch bedingt durch den Schock nicht. Da, endlich hatte er sie gefunden. Sie lag vor ihm auf dem Bauch mit dem Gesicht zur Erde und rührte sich nicht. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er sich ihr näherte. Was wenn …
 
Fortsetzung folgt
 
10.
 
Als er sie erreichte, beugte er sich sofort zu ihr runter und drehte sie so behutsam wie möglich auf den Rücken. Er wusste, dass er das eigentlich nicht tun sollte, aber er wollte partout nicht, dass ihr Gesicht noch weiter auf der Erde lag. Schnell zog er seine Jacke aus und legte ihr diese über, damit sie nicht fror. Seine Schutzweste legte er ebenfalls so schnell wie möglich ab. Darunter trug er eine Sweetjacke, die er ebenfalls schnell auszog. Oben herum nur noch mit einem T-Shirt bekleidet, faltete er die Sweetjacke zusammen und legte sie Alex noch schnell unter dem Kopf, damit sie weich lag. Er machte sich solte Sorgen um Alex, dass er die Kälte nicht spürte.
 
Alex, hörst du mich?“ fragte er, während er ihr sanft über die Wange strich. Zu seiner Verwunderung machte Alex tatsächlich die Augen auf und sah ihn mit schmerzverzerrte, Gesicht an. Sie wollte etwas sagen aber er hinderte sie daran. Er hob ihren Kopf leicht an und mit Tränen in den Augen sagte er „Scht, ganz ruhig, ich bin bei Dir und ein Krankenwagen ist auch unterwegs, der kommt sicher bald.“ Alex nickte nur und schloss die Augen. Nein, nur nicht einschlafen, hieß es doch immer und so versuchte er, Alex wach zu halten „He, Alex, komm bleib bei mir, hörst Du.“ Alex nickte, ein Teilerfolg. Aber dennoch hatte sie immer noch die Augen zu.
 
Er sah an ihr runter. Voller Angst sah er, dass sie ziemlich schwer verletzt sein musste, denn überall um sie herum war Blut. Leicht hob er die Jacke an, die er über ihren Oberkörper ausgebreitet hatte, aber etwas Genaueres konnte er aufgrund der Dunkelheit und auch wegen der Schutzweste nicht erkennen. Plötzlich merkte er, dass Alex stark den Atem einzog. Er dachte sein Herz setzt aus, nein, das konnte doch nicht wahr sein, Alex würde doch hier und jetzt nicht sterben, das durfte einfach nicht passieren „Alex, bitte, tue mir das nicht an. Ich liebe Dich doch. Hörst Du?“ stieß er verzweifelt aus.
 
Fortsetzung folgt
 
11.
 
Alex stieß die eingezogene Luft wieder aus, öffnete endlich wieder ihre Augen. Erstaunt und verwirrt sah sie ihn an. In diesem Moment hörte Gerrit die Sirenen des Krankenwagens. Er wollte ihr noch so viel sagen, aber er musste zusehen, dass der Krankenwagen so nah wie möglich an sie heranfuhr. „Warte ich zeige dem Krankenwagen nur schnell an, wo er hin muss“ informierter er sie deshalb und legte so behutsam wie möglich Alex Kopf wieder auf seine Sweetjacke. So schnell er konnte, humpelte er nach vorne zum Tor und wedelte auffallend mit den Armen. Der Fahrer des Krankenwagen sah ihn und folgte ihm auf das Grundstück.
 
Von überall her kamen nun Kollegen angefahren. Michael kam als einer der ersten unmittelbar nach dem Krankenwagen angefahren, sprang aus seinem Fahrzeug und rannte auf Gerrit zu, der neben den Sanitätern stand und mit Argusaugen und voller Furcht zuschaute, was sie mit Alex machten. Das Licht des Krankenwagens erhellte die ganze Situation und Michael merkte gleich, als er neben Gerrit zum Stehen kam, dass der völlig neben der Spur war.
 
Er nahm ihn an die Seite. „Gerrit war ist passiert?“ fragte er ihn leise, bekam von ihm jedoch keine Antwort. Er fasste ihn deshalb an beiden Oberarmen, dreht ihn zu sich um und fragte erneut „Gerrit, was verdammt noch mal ist hier genau passiert“ Gerrit schaute ihn nur kurz an, wollte erst etwas sagen, verfolgte dann aber lieber weiter, wie die Sanitäter Alex nun in den Krankenwagen schoben. Statt mit Michael zu reden, fragte er die Sanitäter „Wo bringt Ihr sie hin?“ Sein Herz schien immer schneller zu schlagen.
 
Da von Gerrit zur Zeit keine vernünftigen Informationen zu erhalten waren, zog Michael ihn mit sich, um mit ihm dem Krankenwaren hinterher zu fahren. Dabei bemerkte er, dass Gerrit nicht nur im Januar im T-Shirt hier draußen rumstand, sondern auch stark humpelte. Er blieb stehen und schaute Gerrit nur auffordernd und fragend an. Nun fing Gerrit letztlich doch an, Michael in kurzen schnellen Sätzen mitzuteilen, was vorgefallen war. Als er gerade seine Erzählung beendet hatte und sie bei Michaels Fahrzeug angekommen waren, kam über Funk die Durchsage, dass die Täter dank Gerrits Durchgabe des Kennzeichens noch in ihrem Fahrzeug gefasst werden konnten und auf den Weg ins Büro waren, um dort verhört zu werden. Im Fahrzeuge hatte man verschiedene Schmuckstücke sichergestellt, die vermutlich aus der Villa, vor der sie standen, stammten.
 
Fortsetzung folgt
 
12.
 
Aber all das interessierte Gerrit jetzt herzlich wenig. Aber da der Schock etwas nachließ, begann er zu frieren und konnte mittlerweile auch sein schmerzendes Knie nicht mehr weiter ignorieren. Es pochte wie wild und auftreten war auch nicht mehr drin. Er schaffte es irgendwie, sein schmerzendes Knie mit Michaels Hilfe ins Fahrzeug zu schaffen. Als Michael gerade einsteigen wollte, brachte einer der Kollegen noch Gerrits Jacken und übergab sie Michael. Da diese voller Blut waren, schmiss er sie in seinen Kofferraum und holte von dort für Gerrit eine von ihm dort für Notfälle deponierten Jacken heraus. Als Gerrit die Jacke endlich an hatte, fuhr Michael los. Jetzt, wo Gerrit wenigstens etwas zur Ruhe kam, merkte er, dass sich auch einige andere Stellen seines Körpers schmerzhaft zu Wort meldeten.
 
Als sie das Krankenhaus erreichten, konnte Gerrit sein Knie so gut wie gar nicht mehr belasten. Es war mittlerweile ganz schon angeschwollen und ließ sich kaum mehr bewegen. So humpelte er mit Michaels Hilfe ins Krankenhaus hinein. Michael sorgte dafür, dass man sich Gerrits Knie ansah und wartete deshalb zunächst allein vor den Untersuchungsräumen, in denen man Alex und Gerrit gebracht hatte. Nach knapp einer Stunde hatte er zwar noch nichts von Alex gehört, aber Gerrit kam endlich wieder. Durch zwei Krücken gestützt, kam er noch etwas unbeholfen angestolpert und ließ sich neben Michael plumpsen „Und?“ fragte Gerrit Michael sogleich. Dieser antwortete zu seiner Enttäuschung „Noch nichts.“
 
Dann fragte Michael „Und was hat der Arzt bei Dir gesagt?“ Gerrit schaute ihn an und zuckte mit den Schultern „Ich habe noch mal Glück gehabt. Nur eine massive Prellung, dadurch ist das Knie ziemlich angeschwollen. Ich habe kaum meine Hose wieder angezogen bekommen. Ich soll es eine Woche nicht belasten. Ansonsten nur Hautabschürfungen und kleinere Prellungen. Geht also“
 
Michael war froh, dass wenigstens Gerrit so glimpflich davongekommen war und schlug ihm aufmunternd auf die Schulter, denn dieser ließ die Tür gegenüber, hinter der immer noch Alex behandelt wurde, nicht aus den Augen und sah äußerst unglücklich aus. Um ihn etwas abzulenken hakte er nach „Sonst nichts? Du sollst das Bein nur nicht belasten, ist das alles?“ Gerrit unterbrach sein Türgestarre und schaute ihn irritiert an.“Nee, auch hoch lagern und kühlen, das übliche halt“ dann schaute er wieder wie hypnotisiert auf die gegenüberliegende Tür. „Aha“ war alles, was Michael dazu einfiel. Da Gerrit wohl zur Zeit nicht zu einer Konversation bereit war, lehnte er sich zurück und starrte ebenfalls auf die gegenüberliegende Tür. Vielleicht half das ja was und der Arzt würde endlich zu ihnen kommen und ihnen sagen, was mit Alex war.
 
Fortsetzung folgt
 
 
13.
 
Nach einer Weile hörte Michael, dass Gerrit leise mehr zu sich selbst als zu ihm sprach „Alex ist vorangegangen, weil sie schneller aus dem Auto war,. Ich bin gefahren und musste den Wagen noch ausmachen. Wäre ich doch bloß nicht gefahren, dann wäre sie hinter mir gewesen. Und es wäre alles nicht so gekommen“ Michael sah ihn bedrückt an, er wusste, welche Vorwürfe man sich in einem solchen Fall machte, obwohl niemand es irgendwie hätte verhindern können. Obwohl er aus Erfahrung wusste, dass Gerrit seine Worte vermutlich jetzt gerade nicht aufnahm, versuchte er doch, ihn ein bisschen aufzumuntern „Gerrit, das ist nicht wahr. Du hast keine Schuld. Es ist so passiert und dass Alex erstarren würde, hat keiner vorhersehen können. Das kommt vor. Also macht Dir bitte keine Vorwürfe. Diese Einbrecher haben Alex über den Haufen gefahren und nicht Du. Mann, komm schon, Kopf hoch, wird schon wieder alles“ Gerrit nickte dazu nur geistesabwesend und starrte weiter auf die Behandlungstüre.
 
Nach weiteren knapp zwei Stunden kam endlich der Arzt zu ihnen. Alex hatte eine Platzwunde, eine Gehirnerschütterung, einen komplizierten Beinbruch, der am nächsten Tage operiert werden sollte, mehrere Rippenbrüche und eine Vielzahl Prellungen erlitten. Innere Verletzungen konnten zum Glück letztendlich ausgeschlossen werden. Hier hatte ihr die Schutzweste, die wie ein Panzer ihren Oberkörper geschützt hatte, geholfen. Dadurch waren die gebrochenen Rippen nicht in ihr Körperinneres gedrückt worden.
 
Sie war bereits auf ein Einzelzimmer gebracht worden und die beiden konnten nun kurz zu ihr, sollten aber nicht lange bleiben, damit sie zur Ruhe kam. Gerrit atmete erleichtert auf, er hatte sich bereits das Schlimmste ausgemalt und war einfach nur froh, dass Alex nun doch nicht auf der Intensivstation lag.
 
Sie erhielten die Zimmernummer und Gerrit rannte trotz Krücken förmlich voraus. Michael schüttelte über ihn den Kopf und sah zu, dass er hinterher kam. Völlig außer Atem machte Gerrit leise die Tür auf. Aber das war gar nicht notwendig, denn Alex sah ihnen bereits entgegen, zwar müde, aber immerhin wach. Gerrit fiel ein Stein vom Herzen und humpelte an ihr Bett ran, um ihr so nah wie möglich zu sein. Ihr kleiner Disput von heute mittag war ihm dabei völlig egal. Michael stellte ihm einen Stuhl zum Sitzen und einen weiteren Stuhl, um sein Bein darauf zu lagern, so nahe wie möglich ans Bett. Als er saß, fragte Alex sofort besorgt „Dich hat es auch erwischt?“ „Ach halb so schlimm, geht schon.“ antwortete er abwehrend.
 
Michael versuchte die ganze Situation etwas aufzuheitern und meinte scherzhaft „Ach so, halb so schlimm ist das also. Ich werde Dich in den nächsten Tagen daran erinnern, wenn Du uns im Büro die Ohren volljallerst.“ Alex versuchte etwas zu lachen, aber unterließ dies sofort wieder, als sie merkte, wie sich dabei schmerzhaft ihre gebrochenen Rippen zu Wort meldeten.
 
Es entstand eine unangenehme Schweigsamkeit zwischen den Dreien und Michael merkte instinktiv, dass die beiden etwas zu besprechen hatten, deshalb verabschiedete er sich von Alex „Alex, ich komme morgen noch mal wieder und Gerrit, ich fahre noch mal kurz ins Büro, um nach dem Rechten zu sehen und komme so sagen wir in einer Stunde wieder und hole Dich ab, OK?“ Gerrit nickte dankbar und Michael verschwand.
 
Fortsetzung folgt
 
 
14.
 
Gerrit schaute verzweifelt auf den Boden, er wusste, er sollte jetzt etwas sagen, aber immer, wenn er mit Alex sprechen wollte, schien in seinem Kopf eine Art Blockade einzusetzen. Alles was dann aus seinem Mund hervorbrach, schien reinster Müll zu sein. Alex beobachtete ihn eine Weise und ließ ihm Zeit. Schließlich fasst er sich ein Herz, sah Alex in die Augen und fragte schüchtern „Alex kannst Du Dich noch an das erinnern, was ich Dir nach dem Unfall gesagt habe?“
 
Alex sah ihn an „Klar und ich warte eigentlich die ganze Zeit darauf, dass Du das auch wieder zurücknehmen willst.“ antwortete sie zögernd. „Wie?“ Gerrit verstand nichts mehr und dass konnte man ihm auch deutlich ansehen. Alex erklärte es ihm „Na, erst schlafen wir miteinander und ich denke, der Knoten ist bei dir endlich geplatzt und dann bist Du so dir nichts mir nichts am nächsten Morgen, wenn ich aufwache, verschwunden. Und als ich extra zu Dir komme und mit Dir darüber sprechen will, kommst Du mit so etwas wie vergessen wir das Ganze um die Ecke. Was soll ich denn da denken? Das ich nur eine von den Vielen war?“
 
Gerrit dachte über Alex Worte nach und schüttelte den Kopf. Er wollte erklären, dass dem nicht so war und ihr sofort alles das, was er für sie empfand sagen, aber bevor er anfangen konnte hielt Alex ihm den Zeigefinger auf den Mund. „Gerrit ich weiß dass Du es nicht so gemeint hast, aber ich war so enttäuscht heute morgen, dass ich einfach gehen musste. Bevor Du wieder etwas Dummes sagst, sag es mir doch einfach noch einmal die Worte, die jede Frau gerne hört“ Langsam stand er auf und näherte sich ihr unbeholfen auf einem Bein. Wenigstens wusste er sofort, welche Worte sie meinte, so dumm war er ja nun doch wieder nicht. Lächelnd nahm er ihr Kinn vorsichtig in seine Hand, flüstere ihr ein deutliches „Ich liebe Dich“ zu und gab ihr probehalber einen zaghaften Kuss auf den Mund, der, da Alex es zuließ zu einem langen Zungenkuss wurde.
 
Der Kuss wurde erst unterbrochen, als die Schwester hereinkam und Gerrit bat, zu gehen, damit Alex Ruhe bekam. Aber da Gerrit unbedingt noch bei Alex sitzen bleiben wollte, bis sie schlief, und er hoch und heilig versprach, sie nicht aufzuregen, durfte er noch bleiben.
 
Als Michael nach über einer Stunde kam, um Gerrit abzuholen, war Alex friedlich in ihrem Krankenbett eingeschlafen. Gerrit war ebenfalls auf seinem Stuhl eingeschlafen und hielt immer noch Alex Hand fest. Michael schmunzelte, so wie es aussah, hatte Gerrit wohl endlich die Kurve bekommen. Im ganzen Büro hatte man schon heimlich Wetten auf den Zeitpunkt, wann die beiden endlich zusammen kamen, abgeschlossen, denn ihr Verhalten war mehr als deutlich gewesen. Schade eigentlich, er hatte verloren, er hatte getippt, dass sie noch mindestens 2 Wochen brauchten würden, aber das machte nun auch nichts mehr, Alex hatte den Unfall überlebt und endlich würde wieder der normale Betrieb im Büro herrschen.
 
Er überlegte, ob er Gerrit hier lassen sollte, aber als er sich Gerrit noch einmal genauer ansah, entschied er doch ihn mitzunehmen. denn bequem konnte das, was er da sah, auf keinen Fall sein. Er stieß ihn leicht an „Hey, Gerrit, aufwachen, wir müssen fahren.“ Gerrit wurde wach und wäre fast vom Stuhl gefallen, er fing sich aber schnell und sie konnten gehen.
 
Drei Wochen später war Gerrits Knie wieder vollständig genesen, aber dafür humpelte nunmehr Alex an Krücken durch das Büro. Alle warteten sehnsüchtig darauf, dass sie endlich zur Reha musste, denn ihr ständiges tut dies und tut das ging allen mächtig auf den Geist. Na ja, fast allen, denn Gerrit ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen und mittlerweile wussten natürlich alle, woran das lag.
 
Die Wette über die Frage, wann sich Gerrit oder Alex endlich trauen würden, dem anderen etwas zu sagen, hat im Übrigen Max gewonnen, der dem Termin am nächsten kam. Als Gerrit von der Wetter erfuhr, war fragte er völlig perplex mit leicht rotem Kopf in die Runde „So offensichtlich war es?“ und alles, was gerade im Büro rumstand nickte lachend.
 
ENDE
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Kostenlose Homepage erstellt mit Web-Gear

Verantwortlich für den Inhalt dieser Seite ist ausschließlich der Autor dieser Homepage. Missbrauch melden